Quelle: Archiv MG - BRD MEDIEN SPIEGEL - Nationaler Geist feiert Macht


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AUGSTEIN UND SEIN SPIEGEL

Die sind wie immer angeberisch dabei, wenn nationale Probleme solchen Kalibers gewälzt werden und zeigen prompt, wo's kritisch lang geht in der deutschen Ehrenfrage: stramm vorwärts! Dafür wird der Blick in die Vergangenheit gerichtet. In einem histori- schen Sittenbildpotpourri aus den 'letzten Tagen Berlins' 1945 zieht sich durch unzählige Anekdoten und Geschichtchen die eine Botschaft, die Springers Hetzblätter auch nicht besser hinkriegen könnten: "Der Iwan auf dem Wege nach Berlin, der Iwan in Berlin: Dramati- schere Tage hatte die Stadt nie erlebt." "Alles hoffte auf die Amerikaner, aber... länger als einen Monat überließ er (Eisenhower) die Hauptstadt den Russen." "Aber kein Zweifel, die Russen waren nun da.... 'Affen' oder 'Urwaldmenschen', wie so mancher Berliner meinte... Junge Burschen, deren Unter- und Ober- arme mit Uhren bestückt waren... Feldküchen... Vergewaltigungen." (Spiegel 2/85) Und Augstein, einmal gar nicht in der Pose des nationalen Kriti- kers, sondern ganz kritischer Nationalist, bemüht in einem Par- forceritt durch die Geschichte der letzten 120 Jahre Bismarck, Wilhelm II. und Hitler als Stationen einer unausweichlichen na- tionalen Katastrophe, deren Opfer wir heute sind: Die deutsche Macht war für Europa zu groß: "Das Bismarck-Reich selbst war ein Monstrum, nur mit Glück in der Lage, selbst zu überleben. Es hatte Pech, es bekam den selbstmör- der Hitler." Mit der altbekannten Ideologie von der leider verspäteten Nation bekommt das eines die verlorene nationale Größe den Rang histori- schen Gesetzes. Was hätten denn "die Deutschen" von einem nach Augsteins Maßstäben rechtzeitiger und erfolgreicher zur Weltmacht aufgestiegenen Deutschen Reich für Vorteile gehabt? Was hatten sie unter der für kritische Beobachter vergeigten Größe anderes zu leiden als unter einer bewahrten? - Wäre es den deutschen Ar- beitern leichter gefallen, den nationalen Reichtum zu vermehren sowie als Kanonenfutter die Nation zu verteidigen? Lauter über- flüssige Fragen. Augstein ist längst bei den Opfern, die die Na- tion selber bringen mußte. Was andere Nationen da an Siegen er- rungen und was "wir" verloren haben, weil kein demokratischer Kohl dort regieren und kein zum Reaktionär geläuterter Rudi dort agitieren darf - d a s macht ihm das Herz schwer: "Daß den Zweiten Weltkrieg die Amerikaner in Europa und Fernost gewonnen haben, steht außer Zweifel. Die Russen hingegen... haben sich überfressen... Landschaft, Wirtschaft und Technologie rei- chen bei ihnen nicht aus... Aber ist es möglich, sich wohl zu fühlen, wenn die westdeutschen Botschaften in den östlichen Län- dern vor Flüchtlingen bersten? Wenn alle, die ihren Staat DDR verlassen wollen,... losgekauft werden müssen. Wenn eine Schlümpfe-Kultur drüben für Ahnenerbe ausgegeben wird... Kann man sich freuen, wenn wir Westdeutschen nicht souverän genug sind, Olympische Spiele zu besuchen, auf denen Großbritannien und Frankreich vertreten sind? Wenn wir nicht selbst befinden können, wem wir was exportieren dürfen... Nur wäre es uns Deutschen wohler, wenn die Stunde Null von Eisenhower und Montgomery bis an die heutige polnische Westgrenze, bis an Oder und Neiße herange- tragen worden wäre... Zwar stimmt es, daß Europa, und mit ihm das Deutsche Reich von einer unsäglichen Schreckensherrschaft befreit worden war. Aber nur ein Teil von Europa, Teil auch des Deutschen Reiches. Ein nicht kleiner Teil wurde überhaupt nicht befreit, sondern nur einer neuen Schreckensherrschaft unterworfen.... Wir haben uns nicht selbst befreit... Daß Deutschland mit Mauer, Sta- cheldraht und Flüchtlingsmengen in den bundesrepublikanischen Botschaften der Ostblockstaaten der eigentliche Gewinner des Krieges sei, geteilt und ohne die - gewiß relative - Souveränität Frankreichs und Englands, dem mag man so fröhlich nicht zustim- men. Da kann man mit Alfred Dregger ausnahmsweise einmal einig sein: Laßt sie feiern, weil sie den Krieg gewonnen haben." (Spiegel, 2/85) Was heißt da eigentlich "ausnahmsweise"? Der Mentor journalisti- scher Besserwisserei, ansonsten stolz, schon einmal als Abgrund des Landesverrats gegolten zu haben, stimmt mit Dregger doch aus- gerechnet in den zehn Geboten einer antikommunistischen nationa- len Grundüberzeugung überein! Von Dregger unterscheidet ihn ein- zig die undiplomatische Kritik, die heutigen Bündnispartner hät- ten kein Recht, Kriegsverbrecher zu verurteilen, weil sie selber welche gewesen seien. - Diese Beschwerde aller Unterlegenen hat Dregger sicher auch schon oft genug gedacht, aber nicht sagen dürfen. Wenn der nationale Konsens jetzt schon soweit gediehen ist, dann können die Feiern 1985 ja noch heiter werden. Deutschland über alles...!? zurück