Quelle: Archiv MG - BRD MEDIEN PRESSE - Von der westlichen Presse
zurück Die Presse zum Hamburger WunderMODERATOREN DER EIGENEN HETZE
Die freie Presse kennt in ihrer Berichterstattung nur einen Maß- stab: ihre eigene Staatstreue und damit den Erfolg der Politik - dafür ist ihr jede Prinzipienlosigkeit gerade recht. Sie ist sich also sehr sicher, daß die von ihr als sich so alternativ bespro- chenen "Lösungsmöglichkeiten" in einer Hinsicht überhaupt nicht alternativ sind: auf jeden Fall geht es um die unbedingte Durch- setzung der Staatsgewalt. Als der Hamburger Senat sein Ultimatum an die Hafenstraße vorletzte Woche für abgelaufen erklärt hatte, ist die Presse ihm sofort mit der Rechtfertigung beigesprungen, daß die Politik, wenn sie nun räumen würde, dann nicht einfach ihre Drohung wahrmacht - nein, sie mußte dies tun, weil dies an- geblich die Lage erforderderte und ihre eigene Glaubwürdigkeit. Deswegen hat die Presse schon mal im Vorfeld sich und damit vor allem allen anderen jede Kritik am vorstellig gemachten Bürger- kriegsszenario v e r b o t e n: "Aber wenn es soweit kommt, und wenn es dabei Tote und Verletzte gibt, dann soll die Polizei nicht auch noch obendrein zum Sünden- bock abgestempelt werden." (Süddeutsche vom 12.11.) Eine Woche später weiß dieselbe Zeitung, daß mit Dohnanyis gelun- gener Erpressung die Scharfmacherei ganz unvernünftig war: "Die Vernunft als Siegerin in einem jahrelangen Nervenkrieg um die Staatsautorität müßte all jene beschämen, die voller Ungeduld oder Resignation die Lösung des Problems nur noch in einer Art Bürgerkrieg zu sehen vermochten." (SZ vom 19.11.) Natürlich schmeißt sie ihren Kommentator der letzten Woche jetzt nicht wegen Gewaltverherrlichung raus. Ihr Einwand gilt ja auch nicht ihrem eigenen Placet zur Gewalt des Staates - revidiert wird lediglich die frühere Behauptung, daß es zum Bürgerkrieg kommen muß, weil Dohnanyis gelungene Erpressung mit der Gewalt aufgegangen ist. Daß als "Lösung des Problems" so oder so nur die absolute Gültigkeit der "Staatsautorität" in Frage kommt, ist ihr selbstverständlicher Ausgangspunkt. Deren erfolgreiche Durchset- zung à la Dohnanyi gilt ihr nun als der Inbegriff von Vernunft. Genauso hat das Hamburger Abendblatt vorletzte Woche der angekün- digten Räumung nur einen Vorwurf machen wollen - sie erfolge viel zu spät: "Sie nicht rechtzeitig in ihre Schranken verwiesen zu haben, ist ein schwerwiegendes Versäumnis dieses Senats, dessen Mehrheit blauäugig darauf baute, außerhalb bürgerlicher Norm lebende Men- schen in genormte Verträge einbinden zu können." (12.11.) Und nun? "Denn das muß in diesen Tagen klar gesehen werden: Nur Bundesprä- sident von Weizsäcker (CDU) und der SPD-Parteirat in Bonn haben Dohnanyi politisch und moralisch den Rücken gestärkt. Alle ande- ren haben seiner Politik der Ultimaten nicht mehr folgen wollen, ihn unter der Hand der Phantasterei beschuldigt." (19.11.) Die Hochachtung eines Journalisten gilt eben der erfolgreich durchgesetzten Unnachgiebigkeit der Linie Dohnanyis: er hat das gleiche Ergebnis, die unbedingte Unterwerfung unter die Staatsge- walt, ohne die Produktion von Leichen erzielt. Das stärkt für einen Pressefritzen das Ansehen des Rechtsstaates - gerade weil er den alternativen G e b r a u c h der Staatsgewalt mit dem Rechtsstaat als genauso verträglich weiß. Seit Donnerstag, den 19.11., befinden die Zeitungen also ihre ei- genen Parolen von gestern für Hetze. Die Morgenpost, die eine Wo- che: davor noch genau wußte, daß es "nicht um eine Verständigung mit den Chaoten gehen kann", sondern nur "um einen Kompromiß der Vernünftigen gegen sie" entdeckt nun: "Ein 'politisches Wunder'? Ja. Denn tatsächlich hat es in unserer von Gewaltszenen verhetzten und beherrschten Zeit, in dieser von Emotionen aufgeputschten Atmosphäre kaum noch jemand für möglich gehalten, durch politisches Handeln eine neue Explosion der Ge- walt verhindern zu können." (Mopo 19.11.) Als wäre diese aufgehetzte Atmosphäre nicht die gelungene und be- absichtigte Leistung unseres freiheitlichen Pressewesens! Wer hat denn die ganze Zeit die Gewalttätigkeit der Bewohner ausgemalt und ist der festen Überzeugung, daß darauf ganz viel rechtsstaat- liche Gewalt genau die passende "Antwort" ist?! Dieselbe Presse, die sich alle Mühe gegeben hat, auszupinseln, daß die zum Abschuß Freigegebenen die gegen sie beschlossene Ge- walt v e r d i e n e n, macht sich nun daran, ihre Hetze ein wenig zurückzuschrauben - so als wollte sie nachträglich noch klarstellen, wie die Definition als Gewalttäter zustandekommt: wer durch Zuschlagen der Staatsgewalt zur Raison gebracht werden soll, ist ein Gewalttäter. So war vorher völlig klar, daß es mit den Hafenstraßenbewohnern keine Gemeinsamkeit geben kann. Nun wird ausführlich, fast anteilnehmend ihr Barrikadenabbauwerk ge- schildert. Wo ihre erfolgreiche Beugung unter die Staatsautorität von ihnen selbst vollzogen wird, da werden sie aus dem Status der Vogelfreiheit wieder ein Stück weit ins Reich der Demokraten zu- gelassen: Das Hamburger Abendblatt entdeckt hinter den gestern zur Hatz freigegebenen Vermummten "junge Gesichter, denen ohne schwarzen Helm die gefürchtete Aggressivität genommen war". Selbstverständlich keine Entlarvung der eigenen Hetze, sondern eine Hervorhebung der friedensstiftenden Leistungen staatlicher Politik - Beugung unter die Rechtsgewalt verschafft ehemaligen Untieren wieder ein menschliches Antliz! Wenn das nicht von der Güte staatlicher Gewaltausübung zeugt! *** Polizei-Staat? -------------- Unübersehbar: Am Samstag statt der verbotenen Demonstration der Hafenstraße eine massive Demonstration staatlicher Gewalt; jede Menge Polizei und Bundesgrenzschutz, so daß auf jeden etwaigen Demonstranten ungefähr zwei bewaffnete Staatsbeamte kommen. Poli- zeistaat? Für den Fall, daß das "Wunder an der Hafenstraße" aus- fällt, u n d zur eindringlichen Nachhilfe dafür, daß es sich einstellt, wird alles nötige getan: 6000 z u s ä t z l i c h e "Polizeikräfte" werden zusammengezogen. Der regierende Bürgermei- ster gibt bekannt: "Ich stehe vor und hinter der Hamburger Poli- zei in ihrer schwierigen Aufgabe. Ich werde so bei ihr stehen, wenn die notwendige Räumung begonnen wird." Polizeistaat? Jahrelang malen kritische Menschen die Warnung vor der Perversion der bundesrepublikanischen Demokratie zum Polizeistaat an die Wand - und jetzt, wo es für dieses Bild mehr als ausreichendes Anschauungsmaterial gäbe? Keine Kritik, nicht einmal eine Be- schwerde in Sicht. Daran kann man merken, daß der radikale Spruch vom "Polizei- Staat" nichts taugt: Es ist eben ein Fehler, die Gewalt vom Staat, der sie hat und befehligt, zu trennen, um sie als unver- einbar mit der Demokratie zu erklären; statt sich einmal an die Mitteilungen der maßgeblichen Leute zu halten, die das G e w a l t m o n o p o l jede Woche dreimal als unverzichtbare Basis und Mittel der staatlichen Handlungsfreiheit unterstrei- chen, ausschließlich die d r a s t i s c h e n W i r k u n- g e n seines Einsatzes im Auge zu haben. Dann läßt man sich nämlich von der Eskalation der staatlichen Gewalt auch deren Beurteilung vorgeben; wenn ihre politischen Einsatzleiter Tote und Verletzte "nicht mehr ausschließen" mögen, steht ein Ergebnis fest: Ohne von ihr produzierte Verletzte und Leichen gibt's dann an dieser Gewalt nichts mehr zu erschrecken und auszusetzen. Ganz so, als wäre sie nicht e i n g e s e t z t, wenn sie nicht z u s c h l ä g t. Dann hält man sie offenbar für so abgehakt und b e r e c h t i g t, daß sie niemand mehr für G e w a l t hält. zurück