Quelle: Archiv MG - BRD MEDIEN PRESSE - Von der westlichen Presse
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Anläßlich der Hafenstraße ein Pressespiegel
ALLZEIT BEREIT!
Laufend hat die Presse der demokratischen Meinungsbildung die
korrekte Anleitung geliefert. Das Ablaufen des Ultimatums des
Hamburger Senats gegenüber der Hafenstraße hat sie als Auftrag an
sich verstanden, dessen politisches Kalkül: Eingreifen, Aufmi-
schen, Aufräumen und Abwarten in Techniken der Aufwiegelei, der
Beruhigung, der Abwiegelei und wieder der unverhehohlene Hetze zu
"übersetzen" - Techniken, die eben wegen ihrer Absicht einfach
widerlich zu nennen sind. Und zwar nicht allein deshalb, weil
"daran ersichtlich wird, wie g l e i c h g e s c h a l t e t
sämtliche Presseorgane möglichst allen "Fakten", die Politik samt
Polizeiapparat schaffen würden, schon vorher d i e rechte Not-
wendigkeit zu bescheinigen suchten. Widerlich, weil die Presse es
in ihrem kammerdienermäßigen Wahn, der Politik perfekt für jegli-
ches Handeln die moralische Rechtsdeutung zu liefern, es tatsäch-
lich populär gemacht hat, daß der demokratischen Herrschaft in
Hamburg das Produzieren von Leichen und Bürgerkriegszuständen un-
gefähr genausogut zu Gesichte steht wie eine erpressungsmäßige
Befriedung per Vertrag. So perfekt geht der geistige "innere
Friede"!
Dienstag.
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Die Presse gibt die Parole aus: "Die Zeitbombe tickt". Die "Lunte
ist gelegt". "Die Zeit der friedlichen Lösung ist abgelaufen".
Die Presse entspricht ihrer eigenen Parole. Rund um die Uhr Be-
richterstattung: "Am Mittwoch 15 Uhr ist es soweit". Nicht wenige
Leute entblöden sich, den Ablauf des Ultimatums live miterleben
zu wollen, und Presse und Rundfunk teilen dies auch noch mit. Ge-
waltsame Räumung der Hafenstraße mit allen vorgestellten Kosten
für Leib und Leben - das ist nur noch eine Frage, wann es soweit
ist. Selbstbewußt erläßt die Presse das Dogma, daß sich ab sofort
nichts anderes mehr gedacht werden darf als die bürgerkriegsmä-
ßige Erledigung der Hafenstraße. Jede Vorstellung, die Politik
jetzt noch auf "friedliche" Alternativen verpflichten zu wollen,
ist obsolet. Das ist selbstredend nicht als Kritik idyllischer
Vorstellungen über Einmischungsrechte im Rechtsstaat gemeint. In
dieser Sachzwanglage ist a l l e i n die Politik gefragt. Von
der wird erstmal mitgeteilt, daß sie gar nicht anders k a n n,
als sie nun wollen muß. Eine wohlfeile Lüge. Die Staatsgewalt
setzt ein Ultimatum - und jetzt diktiert das Ultimatum dem Senat
das Handeln?! Gleichgültig ist jetzt auf jeden Fall die letzte
Ahnung davon, wer in dem Verhältnis Staat - Hafenstraße wem,
warum und mit welchen Mitteln "Probleme" macht.
Das Ultimatum setzt nur eine Forderung ins Recht: Der Staat "muß"
handeln. Das stellt zwar die politische Welt ziemlich auf den
Kopf - der Staat soll jetzt durch den Ablauf der Zeit zu etwas
g e n ö t i g t sein, womit e r schließlich mit dem Stellen
des Ultimatums als ultima ratio von vornherein gedroht hat, näm-
lich dem Polizeieinsatz. Und aus dem "Sachzwang" macht die Presse
gleich noch ein Gebot der Moral: Als wäre es das geläufigste der
Welt, setzt sie den zynischen Anspruch in Umlauf, daß allein we-
gen der Glaubwürdigkeit des Ultimatums = der Glaubwürdigkeit des
Staates nun Taten folgen müssen. Gerade als hätte sie es leid,
laufend Zustände einer Durchsetzungs- und Rechtsnot gegen die Ha-
fenstraße zu konstruieren, entledigt sie sich jeder Rechtferti-
gungsnot. Ihre eigenen Phrasen des Verständnisses für
"alternatives Wohnen, Junkies, Alkis et. al." erklärt sie für
überflüssig. Die, das wird dem geneigten Leser auch noch mitge-
teilt, werden zur rechten Zeit schon noch hervorgeholt.
N a c h h e r, wenn die obligatorische Frage ansteht, "wie
konnte es dazu kommen" (MoPo ). Jetzt ist jedenfalls angesagt,
die womöglich existente demokratische Idee, friedliche Lösung und
Kriegserklärung gegen die Hafenstraße wären Gegensätze, auszurot-
ten. Das lehrt ja schon jede ordentliche Erpressung, daß Gewalt
ihr v o r h e r g e h t, ihr also erst recht auf dem Fuße
f o l g t. Der Leser muß allerdings beherzigen, daß diese Logik
nur für einen, den Staat natürlich, gilt. Aber dieses Rechtsemp-
finden, auf der korrekten Seite zu stehen, wird ohnehin vorausge-
setzt. Für die ewig zögerlichen wird das abrufbereite Sündenregi-
ster der Hafenstraße nachgereicht.
Mittwoch.
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Die allerletzte Frist, sagt Dohnanyi. Eine Frist, die eigentlich
schön längst abgelaufen ist. Die Presse, nicht faul, verlegt sich
darauf zu rechtfertigen, daß es nichts mehr zu rechtfertigen
gibt. Sie, wie aufklärend für das Publikum, wirft einen Blick vom
Ultimatum zurück auf den Vertrag. Oder was sie darunter versteht.
Pressefritzen, die glatte vier Wochen zuvor in höchster Durch-
blickerpose durchgehechelt haben, welchen erpressungstechnischen
Finessen sich das Ultimatum verdanke, und die ihr Mütchen daran
gekühlt haben, inwieweit sie v. Dohnanyi nun als geschickt oder
eher ungeschickt einstufen sollten; Pressefritzen also, die loc-
ker ein paar Wochen die Deutung zum Besten gaben, daß das wunder-
bare Vertragswerk eh nur ein V o r w a n d zur Räumung gewesen
sein könne, eben diese Burschen wissen ex post: Das war ehrlich.
Das war gewollt. Pathetisch ausgedrückt:
"Die Vernunft hatte zwar eine Chance, die aber war gering."
(MoPo)
Medienmenschen erscheint ihr Herumlavieren nie und nimmer als
das, was es ist einigermaßen dummdreiste Prinzipienlosigkeit. Mit
bestem Gewissen schreiten sie zu dem meinungsbildnerischen Über-
gang: Es gilt nun die eigene Auftragserteilung an die Politik
"unerbittlich zuzuschlagen", auf eine versöhnliche Nach-(oder
Vor?)betrachtung herunterzufahren. Getreu dem selbstauferlegten
demokratiehygienischen Gebot, der politischen Absicht, gerade
wenn sie zum Mittel der Gewalt greift, einen edlen Schein zu ver-
passen, erscheint - tragisch bis in die Mimik - der Staatsmann v.
Dohnanyi. Hamburger Zeitungsleser kennen ihren Obersten nun rin-
gend, verzweifelt, zornig, als einen, der b i s z u l e t z t,
gegen den Widerstand des eigenen Senats f ü r die Vertragslö-
sung eingestanden, ja gekämpft haben soll.
"Wie ein Vater, der diese aus der Art geschlagenen Landeskinder
trotz allem nicht ganz aufgegeben hat, erteilte Klaus v. Dohnanyi
noch einen Rat - er wüßte in der Situation schon, was er (?) an
ihrer (!) Stelle zu tun hätte... er würde die Ärmel hochkrempeln
und bis Ablauf der letzten Frist Hand an die Befestigungen
legen". (Hamburger Abendblatt)
Und?! In ihrer bekannt argumentativen Art u n t e r s t e l l t
die Presse, daß für jedermann - fiktiv sogar für die Hafensträß-
ler - das liebevoll von ihr ausgepinselte dämliche Bild des Lan-
desvaters lässig jedes Urteil ersetzt. Es ist ja auch deutungsmä-
ßig total egal, w a r u m die eine Seite Befestigungen haben
will, wenn die andere sie zu d e m Grund des Scheiterns er-
klärt.
Wobei keiner das "Ringen um Frieden" des Machthabers mit sachli-
chen Zugeständnissen verwechselt. Das "Ringen um Frieden" ist ein
schäbiges Kompliment: ein Machthaber, der Überzeugung ohnehin
nicht nötig hat, versetzt sich glatt in die Lage des Erpressten,
wo er ihm gerade offensiv die Gewaltfrage aufmacht. Er würde sich
selbstredend. freudig und selbstbewußt unterwerfen. Und bei die-
sem Getue lebt die ganze Vertrauenswürdigkeit des Bürgermeisters
einzig davon, daß sie den aus der "Art geschlagenen Landeskin-
dern" völlig abgesprochen ist. Fazit: Keiner braucht mehr nach-
zudenken - die Person v. Dohnanyi bürgt für die Güte seines Um-
gangs mit der Hafenstraße. Selbst bei Unzufriedenheit mit dem Po-
lizeieinsatz muß sich Frieden mit dem politischen Einsatzleiter
herstellen. Resultat dieser Politpsychologie: Dohnanyi, der aus-
gewogenste Räumer aller Zeiten!
Donnerstag.
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Das "Scheitern" scheint endgültig festzustehen. Dohnanyi gibt
sich "bedeckt und resigniert". Die Presse fühlt sich gefordert.
Immerhin hat der hemmungslose Personenkult, die Nachkriecherei in
alle Stimmungslagen dieses Menschen den unschätzbaren Vorteil,
die unterschwellig immer schon längst beantwortete Schuldfrage
noch einmal auf den Tisch zu bringen. Die Springerpresse hat's
schon vorher gewußt und die SPD-Presse weiß es spätestens jetzt:
Wer vor Dohnanyi nicht zu Kreuze gekrochen ist, der m u ß ja
das Pack sein, das nichts anderes als Gewalt v e r d i e n t.
"Die Verhöhnung des toten Barschels und die Bejubelung der Poli-
zistenmorde haben gezeigt, welche Geisteshaltung diese Leute ha-
ben. Friedliches und rechtstreues Verhalten konnte von ihnen
nicht erwartet werden." (Abendblatt)
"In diesen Stunden (!) ist es wichtig, daran zu erinnern, daß
keine Gemeinschaft auf Dauer mit der Kriegserklärung durch eine
Minderheit leben kann. Diejenigen unter den Hafenstraßenbewoh-
nern, die für eine klare Rücknahme permanenter Drohungen waren
(und sind?) haben sich leider nicht durchsetzen können."
(Morgenpost) Die Presse ist sich jedenfalls gewiß, daß sie sich
nie und nimmer blamiert, wenn als Hetzargument einmal eine
G e i s t e s haltung, das andere Mal die Fiktion einer
K r i e g s erklärung herhalten muß. Beides taugt für denselben
Indizienbeweis - und ist in der Tat auswechselbar, weil es der
Titel für das gleichermaßen Inkriminierte ist. Die Burschen von
der Hafenstraße sind unbelehrbar, also der innere Feind. Das be-
weist nichts schlagender als unsere Gesinnung, die sich von ihnen
beleidigt fühlt. Unterm Strich bleibt die wehrhafte Einheit der
Gemeinsamkeit der Demokraten. Unterm Strich bleibt die harte
Botschaft, daß Friede ohne bürgerkriegsmäßig dimensionierten Ein-
satz der Gewalt gegen die zu Befriedenden nicht mehr zu haben
ist. So lanciert die Presse ihren F r e i b r i e f für den
G e b r a u c h staatlicher Gewalt, der das von ihr selbst her-
gebetete" Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel ausdrücklich
außer Kraft setzen will.
Freitag.
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Die Presse macht komplette Rollenaufteilung. Einerseits minutiöse
Auflistung jedes brennenden Reifens, jeder Barrikade und der zu-
gereisten Anzahl von Vermummten. Leute aus dem Freundeskreis der
Hafenstraße werden zitiert - für nichts anderes als dafür, ihre
Befürchtung der "größten Schlägerei der Nachkriegszeit" zum Be-
sten zu geben. Andererseits: "Noch immer Ringen um den Frieden.
V. Dohnanyi will die politische Lösung". Das Gemeinwesen Hamburg
- inzwischen hat sich gerechterweise die gesamte Nation dazuge-
schaltet - ist zu reger Anteilnahme gefordert. Der letzte Stamm-
tischidiot entdeckt in sich das ursozialdemokratische Gemein-
schaftsgefühl, daß Zuschlagen immer, am liebsten aber mit dem al-
lerallerbesten Gewissen erfolgt. Solidarität ist angesagt - als
unbedingter Applaus an das Gemeinwesen:
"Aber (!) wenn es soweit kommt, und wenn es dabei Tote und Ver-
letzte gibt, dann soll die Polizei nicht auch noch obendrein zum
Sündenbock gestempelt werden." (SZ)
Hier wird schon im Vorfeld unverfroren der Kritik an der souverä-
nen Gewaltausübung das Maul gestopft. Hier wird eindeutig sor-
tiert, wem als Opfer nicht mehr, und wem erst recht nach den
Frankfurter Schüssen B e t r o f f e n h e i t gebührt. Die Ha-
fenstraße hat sie verwirkt.
Die demokratische Presse besitzt die Frechheit, das Schaffen von
Toten und Verletzten als leidige D r e c k s a r b e i t zu be-
sprechen. Sie beherrscht die totalitäre Ideologie, daß es am Op-
fer selbst liegen muß, wenn es die Gewalt gegen sich nicht über-
flüssig macht. Sie lanciert das Ideal einer gelungenen Politik,
die so maßlose Zustimmung für sich verbuchen kann, daß dadurch
die Polizei überflüssig wird.
Mit diesem Gehorsamsfanatismus steht auch noch der härteste Poli-
zeieinsatz außer jeder Kritik.
Heutzutage, und erst recht nach Frankfurt, ist. Zuschlagen nicht
mehr nur eine Ausnahme, für die man den Tätern gegenüber Ver-
ständnis aufbringt. Heutzutage, und erst recht in Hamburg, ist
Zuschlagen ein vielleicht unschönes (Geschmackskritik ist er-
laubt), so doch das v e r f r i e d l i c h e n d e Mittel der
Rechtsgewalt.
Dafür darf jeder den Seelennöten der polizeilichen Schlägertrupps
nachkriechen. Die Burschen, die seit Monaten in Alsterdorf den
Sturm der Häuser proben, haben, so teilt uns die MoPo liebevoll
mit, Angst. Und jeder weiß, daß das garantiert kein Argument, für
die Unterlassung des Aufräumens ist.
So geht aufgeklärte Presseberichterstattung.
Der allerbeste Demokrat ist eben der, der sich noch in der freie-
sten Zwecksetzung des Fertig-machens der Hafenstraße als ihr
Depp, Nachsteiger etc. aufzuführen beliebt. Der Gewalt als Zu-
schlagen genauso genießt - wie die angebliche U n t e r l a s-
s u n g derselben.
Die Güte der Staatsgewalt steht so oder so schlagend fest.
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