Quelle: Archiv MG - BRD MEDIEN FAZ - Das Blatt mit den klugen Köpfen


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       Eine Woche Frankfurter Allgemeine
       

DAS BLATT, HINTER DEM IMMER EIN KLUGER KOPF STECKT

"Deutschland hat keinen Außenminister. Seine Stimme dringt nur schwach nach draußen. Hier möchte dieses Blatt einsetzen; es will eine Stimme Deutschlands in der Welt sein..." schrieb die FAZ zur ersten Ausgabe am 1.11.49 und nennt sich seitdem "Zeitung für Deutschland". Ein Blatt, das sich gleich als Quasi-Außenminister der BRD aufs Podest stellt, hat keine antifa- schistisch-demokratischen Säuberungsskrupel abbekommen. Wer so- fort wieder als "Deutschland" für die "Welt" eine "Stimme" sein will, mag sich zwar in der Bedeutung seines Gewerbes einigermaßen verschätzen, in einer Hinsicht ist er aber schon ehrlich. Dem Nachrichtenwesen wird sich da nur wegen eines einzigen Zwecks ge- widmet: der bedingungslosen Propaganda für die Nation. Diese Sorte Liebhaber Deutschlands kennen die BRD nicht als demo- kratisches Problem, als schwierige oder blamable Verwirklichung gewisser Ideale, sie kennen nur Freunde und Feinde Deutschlands. Die ersteren werden gelobt und gepriesen und sorgenvoll auf ihren Erfolg verpflichtet. Die zweiten werden bis in jeden Erden- und Geisteswinkel hinein verfolgt, dingfest gemacht und in ihrer gan- zen Verworfenheit vorgeführt. Feinde Deutschlands sind der Kommu- nismus, also auch alles, was sich damit verwechseln läßt, weil es irgendwie der Opposition verdächtigt werden kann, also die SPD, die Grünen, die Gewerkschaften (hier, im Ostblock natürlich nicht), manche Jungfilmer, Bildungsreformer usw. usf. Eine ebenso säuberliche Einteilung, wie sie die FAZ an der französischen KP- Zeitung entdeckt: "Mehr als Information findet der kommunistische Leser bei seiner täglichen Pflichtlektüre Bestätigung und Bekräftigung seiner An- sichten: ein manichäisches Weltbild, das in gut und böse, in So- zialismus und Imperialismus, in Arbeiterschaft und Unternehmer oder Bourgeois geschieden ist..." Im Osten nichts Neues --------------------- Der Hauptfeind in der Liste von Feinden ist selbstredend der Ost- block, dessen Gesundheitszustand sich der genauesten Beobachtung erfreut. So war diese Woche zu erfahren, daß ein mehrmals ver- schobenes Comecon-Treffen zweifelsfrei beweist, "daß die Sowjetunion nur noch auf rein militärischem Gebiet ihren Anspruch als Supermacht anmelden kann, während sie auf dem poli- tischen, wirtschaftlichen und kulturellen Sektor ihren Verbünde- ten kaum noch Konstruktives anzubieten hat..." (wie z.B. eine Hochzinspolitik, einen Agrarkrieg oder so Kul- turelles wie Weltraumstationen...). Was wiederum beweist, daß das Bündnis a u f p u r e r G e w a l t beruht. Ein Prawda-Arti- kel über den Prager Frühling: "Ein Wink mit einer mittelschweren Eisenbahnschwelle". Gromyko in Budapest: "ein Disziplinierungs- versuch". Aber es gibt auch Hoffnung: "Wenn die neue Kreml-Führung hier brutal intervenieren sollte", was ja nach FAZ-Wissen die einzige Absicht und einzige Umgangs- form ist, die der Kreml beherrscht, "könnte sie sich heute damit mehr und größere Schwierigkeiten aufladen, als dies früher bei ähnlichen Anlässen der Fall war." Brutal ist und bleibt sie natürlich auch ohne Intervention. Was man in dieser Woche wieder einmal daran sehen konnte, daß "Baptisten" in der SU, die sich nicht als normale Staatsbürger registrieren lassen, "mit Geldbußen bis zur Höhe eines Monatsein- kommens belegt werden"; daß Tatjana Welikowa "Gemeinschafts- aborte, die sich in einem unerträglichen Zustand befinden", benützen muß; und daß "Tierliebhaber in der Sowjetrepublik Litauen... künftig nur noch einen Hund und eine Katze je Familie halten dürfen". Über den Zustand sowjetischer Klos, die Unterdrückung von Haustieren, Sekten und Künstlern wird man ge- nauso erbarmungslos auf dem Laufenden gehalten wie über jedes russische Frachtschiff, das in einem Meer herumschwimmt, oder je- den russischen Funktionär, der sich außerhalb seiner Landesgren- zen bewegt. Bis in jede Kultur- und Sportidiotie hinein wird der Feind entlarvt. Von einer offensichtlich unerträglichen Pro- kofjev-Oper ("wilde Ostinati, Blech-Eruptionen") sind die Russen verschont geblieben: "paßt schwerlich in das amtliche Korsett ei- nes sozialistischen Realismus". Unterdrückung! "Sidurs Werke, diese Botschaften der Einsamkeit und Selbsterstickung" (der Künstler wirkt nur in Grau!), "aber auch der menschlichen Würde und Unerschrockenheit, sind heute in der UdSSR nur auf Moskauer Friedhöfen zu sehen." Unterdrückung! Die Sowjets beschweren sich über "antisowjetische Kampagnen in Amerika", wollen also unsere Freiheit mundtot machen. Und wollen "25 bis 30 Goldmedaillen mehr gewinnen als die Amerikaner". Unterdrückung! Aber wo das Böse wirkt, ist das Gute nie weit. Es k a n n z.B. einfach nicht so weitergehen. "Auch das gehört zu den Zeichen über jene Periode des Übergangs, die mit dem (letzten?)" - das Fragezeichen der Hoffnung! - "Regime der alten Männer im Kreml angebrochen ist... Wo heute der Druck der Veränderung am unmittelbarsten auf den Druck des Behar- rens trifft... in der von Moskau beaufsichtigten und koordinier- ten Wirtschaftspolitik... Auch da treten die Interessen von Na- tionen auf, und hier sogar im Gewand ihrer kommunistischen Regi- mes." Und: "Herzlichkeit begegnete immer wieder einer deutschen Sprach- gruppe, dem kleinen Häuflein von zwölf Jugendlichen aus der DDR" beim Papstfest der Jugend in Rom. Und: "Papst Johannes Paul II. hat mit zwölft katholischen Jugendlichen aus der DDR in einer Privatkapelle einen Gottesdienst gefeiert." So etwas ist unbedingt einen eigenen Artikel wert. Denn seit sich herausgestellt hat, daß sich das Religionsunwesen und die Natio- nalismen mit der kommunistischen Obrigkeit gelegentlich reiben, gelten sie der FAZ als frohe Botschaft für den Untergang des Ost- blocks. Und noch jede litauische Maibaumentführung, jeder kroati- sche Sprachenstreit, jedes Priesterwort wird aufgezeichnet, als wäre die FAZ eine Ersatz-Heimatbund- und Kirchenzeitung für den Gesamtostblock. Speziell natürlich in Fragen "für Deutschland". Die Tischtennis- WM in Moskau: "Deutsche aus Ost und Deutsche aus West jubeln und leiden gemein- sam." DDR-Aussiedler? Klar geht es denen dreckig: "Wirklich, hier ist kein Rosengarten." Aber hier als lebendes Propagandamittel sein zu dürfen ist doch wohl Lebensglück genug! "Ein fünfstelliger Zuwachs von Zeugen, die hierzulande von der DDR aus jüngsten eigenen Erfahrungen erzählen können, ist ein kostbarer Gewinn." Und sonst sollen sie gefälligst drüben bleiben. Sagt natürlich nicht die FAZ, sondern die FAZ aus dem Munde der DDR-Kirche: "Nur werden die Verbleibenden durch einen Massenauszug um die Kräftigsten, Widerstandsfähigsten, Erfinderischsten gebracht" -, die sie doch brauchen, damit wir sie dann drüben allesamt be- freien können, auf daß es wieder schön wird wie einstmals in Ost- preußen. Lesetip: "Hans Graf von Lehndorf, der mit seinem 'Ostpreußischen Tagebuch' der Chronist der vertriebenen Deutschen geworden ist, hat ein weiteres Erinnerungsbuch geschrieben. 'Menschen, Pferde, weites Land', die Geschichte seiner Kindheit auf den Schlössern der Staatsgüter Graditz und Trakehnen. Die sechs Lehndorf-Geschwister wuchsen auf in einer von Tradition geprägten Welt. Disziplin, Verantwortung und Selbständigkeit wurden allen früh abverlangt. Es sind sehnsüchtig verklärte Lebensbilder einer versunkenen Welt, in der die Großfamilie Geborgenheit gab." Rote Ratten wühlen überall -------------------------- Selbstverständlich sind SPD und DGB kommunistisch unterwandert, was Woche für Woche akribisch nachgewiesen wird, gerade weil es an der offiziellen Politik dieser Vereine nicht zu entdecken ist. Glotz z.B., "der weiß, wie wichtig es ist, Macht über die Be- griffe zu gewinnen", hat die C-Parteien einfach als "Rechte" be- zeichnet und sich damit eine mörderische Begriffs-Waffe geschmie- det: "Das könnte sich rasch als eine Schlinge herausstellen, die der politische Gegner ziehen kann, sobald es ihm gefällt... Die wirk- liche deutsche Rechte hat eine Vergangenheit, die niemand verges- sen machen kann und will. Und die Union hat keinen Grund, sich in diese Nähe zu begeben... Daß es im Spektrum der Bonner Parteien rechts von der Mitte keine ernst zu nehmende politische Gruppie- rung gibt, ist das Verdienst der Union." Eine so erfolgreiche Partei, die einer nationalistischen Alterna- tive keine Chance gibt, darf man nicht als rechts beschimpfen. Wer das tut, ist selber Kommunist: "Bemerkenswerterweise hat Glotz fast zur gleichen Zeit den Alt- kommunisten Leonhard Mahlein und dessen Gesinnungsgenossen, die die Druckergewerkschaft auf einen kompromißlosen, gegen die frei- heitliche Grundordnung gerichteten Arbeitskampf getrimmt haben, als 'gemäßigte Gewerkschafter' gelobt. Da erübrigt sich ein Kom- mentar." Die Tarifrunde: "Am Grabe der Vernunft". "Die Vernunft wird zu Grabe getragen. Urabstimmung und Warn- streiks... sind die zeremoniellen Zeichen der Bestattungsfeier- lichkeiten. Als Leidtragende stehen an der makabren Grabesstätte alle jene, die Hoffnung auf den wirtschaftlichen Aufschwung setz- ten... Anlaß zu Grabesstimmung im Angesicht der Ostertage." Und nachdem die Metapher erbarmungslos zu Tode geritten worden ist, stellt dasselbe Blatt 12 Seiten später ungerührt fest: "Ein größerer und längerer Arbeitskampf würde natürlich die deut- sche Wirtschaft nicht gleich wieder in eine tiefe Rezession zu- rückwerfen." So gut kennt schließlich auch die FAZ die DGB-Taktiker, die als allerletztes eine wirkliche Störung des Geschäftswesens riskieren würden, daß auch das mit dem "größeren" und "längeren Arbeits- kampf" schon eine Lüge ist. Aber noch der albernste und symbo- lischste Streik wäre einfach eine Sünde wider den G e i s t des gemeinsamen harmonischen Opfergangs für die Wirtschaft: "...damit würde fast zwangsläufig das mühsam zurückgewonnene Ver- trauen in die Zukunft erschüttert." Schließlich gab es noch von einem neuen gefährlichen Bündnis zu berichten: Gewerkschaften und Friedensbewegung. Äußerst gefähr- lich - "offiziell gibt es keine Beziehungen oder gar Gemeinsam- keiten. Doch in der Praxis... ist die Verbindung in diesem Jahr enger als zuvor" -, weil es so geheim ist. Die FAZ weiß sofort, "daß es vielen dabei nicht um Frieden oder Arbeit, sondern um et- was ganz anderes geht...", zumal der Protest "in Gesellschaft von Gruppen und Parteien" stattfindet, "für die die DDR und die So- wjetunion das Maß aller Dinge sind." Alles klar? An der Startbahn West schließlich "wurden Beamte mit Stahlkugeln, Steinen und Ästen beworfen". Dem Leser werden die unglaublichen Waffen auf Seiten der Demonstranten noch einmal kleinlichst auf- gelistet, so daß die Mitteilung "zahlreiche Demonstranten ver- letzt" natürlich in Ordnung geht. Verletzt haben sie sich sicher durch die eigenen Wurfgeschosse. Im Kommentar dazu entnimmt die FAZ alledem eine frohe Botschaft, die selbstverständlich nichts mit einem gewissen Waffenungleichgewicht zu tun hat, sondern aus der höheren Sphäre "unserer Werte" stammt: "Die Startbahn West ist zu einem opferreichen (!) Lehrstück dafür geworden, daß es außerhalb der Legalität des demokratisch verfaß- ten Rechtsstaats eine eigene, angemaßte Legalität nicht gibt." Als ob die Demonstranten wegen dieses Beweiszwecks angetreten wä- ren! Für die FAZ steht damit aber erst eine zusätzliche Schuld- frage an: "Solche Deformation des Rechtsbewußtseins ist die Folge nicht nur einer hemmungslosen Demagogie" - Argumente gegen die Politik sind Volksverhetzung, nichts weniger -, "sondern auch eines unsiche- ren, zurückweichenden, von der Legitimität seines Handelns nicht mehr so recht überzeugten Staates. Wenn sich Bewußtsein ändern soll, muß der Staat auch mehr Selbstgewißheit zeigen." Vornehmer Ausdruck für: sofort zuschlagen. Allerdings muß aus parteipolitischen Gründen dem gerade gefeierten Erfolg schon das nächste Problem abgewonnen werden: "Denn die grüne Minderheit kann heute der von ihr gestützten Lan- desregierung den Willen aufzwingen." Nix Legalität ? Gewählte Volksvertreter und urdemokratische Ko- alitionsverhandlungen? Fazit: "Der rational handlungsfähige Staat zeigt (in Hessen) noch einmal Flagge. Danach verschwimmen seine Konturen im Ungewissen." Aloha Oe. Ein Freund, ein guter Freund... ------------------------------- Einsam in einem Meer der Unvernunft, Staatsverdrossenheit, kommu- nistischer Unterwanderung - die FAZ-Redaktion würde schier in den Selbstmord getrieben, gäbe es nicht auch F r e u n d e. Allen voran "Amerika". Die USA rüsten chemisch auf. Sie demonstrieren ihre Berechtigung nach bewährter "Nach"rüstungsmethode mit einer Abrüstungsauffor- derung an die Russen zu Konditionen, zu denen diese ablehnen. Die FAZ kolportiert die Inszenierung ganz Stimme ihres Herrn: "Bush hatte das amerikanische Papier 'beispiellos' genannt. Die Vorschläge zur Verifikation gingen über alles hinaus, was Washington bisher angeboten hatte. Unterdessen ist der amerikani- sche Vertragsentwurf auch in Bonn begrüßt worden. Die Bundesre- gierung sieht in dieser Initiative, wie Bundesaußenminister Gen- scher am Mittwoch sagte, einen bedeutsamen politischen Schritt, der zugleich Ausdruck der Ernsthaftigkeit amerikanischer Rü- stungskontrollpolitik sei." Und damit der gebildete Leser das diplomatische Gewicht des Manö- vers auch wirklich zu würdigen weiß: "Die Entsendung eines so hohen amerikanischen Politikers wie Bush zur Abrüstungskonferenz kennzeichnet die Bedeutung, die Präsident Reagan dem amerikanischen Entwurf zu einem weltweiten C-Waffen- Verbot gibt. Das Dokument umfaßt 66 Seiten mit 18 Artikeln und drei Zusätzen." Da kann es ja kein vernünftiges Argument mehr g e g e n diesen Vorschlag geben. Ein ähnliches Erpressungs"angebot" für die MBFR- Verhandlungen läßt sofort wieder den verhandlungswilligen Westen auf den störrischen Osten treffen: "Der Versuch allerdings, dadurch die Blockade aufzulösen, sei auf die sowjetische Kooperationsbereitschaft angewiesen, hieß es." Und auch dieses Angebot ist schon allein wegen seiner Urheber über jeden Zweifel erhaben: "Der westliche Vorschlag fußt, so war in Bonn zu hören, in erster Linie auf Anregungen der amerikanischen und der deutschen Regie- rung - Regierungssprecher Boenisch und auch Bonner Diplomaten ho- ben übereinstimmend das 'starke persönliche Engagement' Bundes- kanzler Kohls und Außenminister Genschers in dieser Angelegenheit hervor." Was Wunder, daß dieselben mit ihrem Vorschlag aufs höchste zu- frieden sind: "Die Bonner Parteien begrüßten die westliche Initiative. Außenmi- nister Genscher (FDP) nannte den Vorschlag konstruktiv und sub- stantiell." Das sind Mitteilungen, die unbedingt auf die Titelseite gehören. Pflichtschuldigst werden von der FAZ die offiziellen Abrüstungs-, Gleichgewichts- und Friedenslügen protokolliert, für die aufge- klärten Realpolitiker in der Redaktion gilt eben das Prinzip: Rü- stung, aber immer! "Kriegsgefahr", "Überrüstung", "Computer- fehler" kennt man da nicht, außer im Osten, und dagegen "hilft" bekanntlich bloß mehr Rüstung auf der richtigen Seite. Wobei "Amerika" in dieser Hinsicht rundum vorbildlich agiert, "Europa" wieder mal zeigt, was eine Harke ist, während die kleinlichen Zauderer trotz Wernher von Braun keine Weltraumstation bauen wollen. "Der Weltraum bedrückt Bonn... Die unbefangen zupackende Art, in der Präsident Reagan seine Weltraum-Pläne beschleunigte, kam in der Bundesrepublik wie eine überraschende Grundwelle an... die Sache übersteigt das hiesige Vorstellungsvermögen... Aber Amerika hat dergleichen schon einmal bestanden - die Spaziergänge auf dem Mond. Fast vergessen ist, daß deutsche Phantasie und deutscher Erfindermut das nur mit ame- rikanischen Mitteln zu Verwirklichende angeregt haben... Die amerikanischen Pläne sind ein Abenteuer, aber Europa kann ih- nen nicht nur mit ungläubigem Staunen zusehen." Und am besten läßt man gleich einen General a.D., Gerd Schmückle, noch einmal erläutern, warum wir "Strahlenwaffen im Weltraum" un- bedingt brauchen. Zur Abrüstung selbstverständlich und überhaupt. Neben dem Vertrauen in "Amerika" gebietet sich ebenso unbedingtes Vertrauen in unsere Freunde, "die Wirtschaft". "Die Wirtschaft" ist unendlich wertvoll und zugleich äußerst sensibel, so daß keine andere Devise gilt, als dieses Gottesgeschenk auf Händen zu tragen. "Frühlingserwachen Der monatliche Konjunkturbericht der Frankfurter Allgemeinen Zei- tung Endlich ist der Frühling da, draußen in der Natur und in der Kon- junktur." "Die Wirtschaft" verdient eine so abgrundtiefe Verehrung, daß die FAZ sich um die Schließung der Lücke zwischen Volkswirtschafts- lehre und Moralphilosophie verdient gemacht hat und in regelmäßi- gen Traktaten das Publikum in die Gesetze des heiligen Profits einweiht. Karsamstags mit verklärtem Blick auf das Tier als Anla- gevermögen: "Die moderne Arche Noah. Der Zoo als Wirtschaftsunternehmen im Widerstreit zwischen Besucherattraktion und Tierschutz." Während der Zoo im allgemeinen die gesellschaftlich wertvolle Form der Aktiengesellschaft angenommen hat, versündigen sich Stadtväter im besonderen mit niedrigen Eintrittspreisen am Renta- bilitätsprinzip und mit Tierschutz am Unterhaltungsbedürfnis, also ebenfalls am Gewinn. "Niemand will ernsthaft in Zweifel ziehen, daß der Zoo neben sei- ner Aufgabe als Bildungs- und Freizeitbetrieb für den Menschen auch gegenüber dem Tier verpflichtet ist. Allerdings wird er auf die Dauer diese Verpflichtung nur so lange erfüllen können, so- lange er über eine vernünftige wirtschaftliche Grundlage verfügt, der Bürger also sein Interesse an seinem Zoo nicht noch mehr ver- liert." Das "also" braucht man nicht zu verstehen. Daß hohe Eintritts- preise das "Interesse" des "Bürgers an seinem Zoo" automatisch steigern, ist Ausfluß des moralökonomischen Lehrsatzes, daß ein anständiges Geschäft für alles gut ist inkl. der edlen morali- schen Verpflichtungen gegen Mensch und Tier. Der Mensch in der Wirtschaft ist vor allem in den erlesenen Wirt- schaftsführern vertreten, deren Geschäftsberichte und -prognosen alltäglich seitenweise mit Freude und Verständnis aufgezeichnet werden. Der Mensch, der für die Wirtschaft arbeitet, kommt in der FAZ nicht vor, denn das ist ja seine selbstverständliche und ziemlich subalterne Pflicht. Allenfalls werden so erfreuliche Meldungen verzeichnet wie die, daß man in Berlin gute Erfahrungen mit modernen Formen der Zwangsarbeit macht: "9000 Sozialhilfeempfänger leisten gemeinnützige Arbeit." Erstens spart man dort Sozialhilfegelder, und zweitens entstehen so auf wundersame Weise Arbeitsplätze - eine kleine Konzession der FAZ an den Zeitgeist: "Mehr und mehr, hieß es, gingen gemeinnützige Tätigkeiten in 'feste' Arbeitsverhältnisse über." Das Blatt vor dem Mund ---------------------- Die FAZ ist ein überaus kritisches Blatt. Sie schont nicht einmal die Mächtigen, Genscher z.B.: "Bundesaußenminister Genscher hat sich in Buenos Aires mit seinen Äußerungen zur Verschuldung Argentiniens auf glattes Parkett be- geben... Angesichts der aggressiven Äußerungen, die aus Argenti- nien zur Lösung der Schuldenfrage zu hören sind, ist jedoch größte Vorsicht geboten. Genscher hätte daher zum Thema Schulden besser geschwiegen." Oder Blüm: "Deshalb will der Bundesarbeitsminister Selbstverwaltungsorgane einschalten. Verbände der Krankenkassen, kassenärztliche Vereini- gungen... sollen für 'Kostendämpfung' sorgen... widerspricht in krasser Weise und ohne Not dem, was der Bundeskanzler an maßgeb- lichen Orientierungspunkten seiner Politik genannt hat... Mehr Markt und persönliche Verantwortung wären eine weitaus größeren Erfolg versprechende billigere und den Regierungszielen allein angemessene Lösung." Oder Mitterrand: Zwar "ist vor allem die innere Disziplin der KPF für die Regie- rung viel wert, in der der Wechsel von allzu populären Maßnahmen zu dadurch notwendig werdenden unpopulären Maßnahmen seit einiger Zeit zum täglichen Programm gehört." Zwar benützt Mitterrand also die KPF sehr zweckmäßig zur Diszi- plinierung ihrer Anhängerschaft, regiert also bestens mit ihr, aber: "die wundersame Entwicklung der KPF nähert sich dem Punkt, an dem das Doppelspiel, wie sie es jetzt innerhalb und außerhalb des Staates betreibt, selbst die große Elastizität der politischen Zivilisation Frankreichs überfordern wird." Aber er regiert immer noch m i t i h r! Oder Reagan: "Reagans Mittelamerika-Politik verläuft in Zickzackkurven, die nicht notwendig wären... Die Demokraten mögen das Thema im Wahl- kampf ausnutzen... Doch den Zeitpunkt, zu dem Washington zum mi- litärischen Eingreifen gezwungen wäre, kann nur der Präsident be- stimmen. Es wäre besser, wenn dies dann mit voller Unterstützung des Kongresses geschähe, und es wäre besser, wenn man dem Penta- gon statt dem Nachrichtendienst die operativen Dinge überließe und so den Eindruck beseitigte, hier würde im Geheimen statt un- ter voller Beteiligung der Öffentlichkeit einer schweren Gefahr für die Sicherheit des gesamten Westens begegnet." Hat Genscher Zweifel über die Kompromißlosigkeit der Erpressung Argentiniens durch die westlichen Finanziers gesät? Will Blüm die Kassenbenutzer nicht konsequent genug ausnehmen? Macht Mitterrand die Kommunisten auch klein genug? Hindert Reagan sich mit über- flüssiger Heimlichtuerei an einem schnellen und effektiven Feld- zug gegen Nicaragua? Das sind Sorgen, die man sich unbedingt ma- chen muß. Entwicklungshilfeideale - albern! Solchen Bankrotteuren wie Argentinien muß man Finanzdisziplin beibringen und anschlie- ßend die Hungerkatastrophen als nationale Besonderheiten würdi- gen. Sozialstaatsideale? Krankenkassen sind Bürokratie, also per definitionem ein Übel, kein Markt und keine freie Wirtschaft. Kommunisten in der Regierung sind alles andere als demokratisch legitimierte Volksvertreter, sondern eine Gefahr, auch wenn sie noch so konstruktiv sind. Menschenrechtsbedenken wegen der Vermi- nung nicaraguensischer Häfen - von wegen. Gegen Feinde "unserer Sicherheit" gibt es nur eines. Moralisches Problematisieren ist in der FAZ nicht gefragt, weil ohnehin klar ist, wer die Moral auf seiner Seite hat. Da wird die Politik nur mehr an ihren eige- nen Erfolgsidealen gemessen und damit in Grund und Boden kriti- siert. Schließlich schreit die Welt nach Ordnung, siehe Libanon. "Jetzt erst zeigt sich das Ausmaß des Elends, das General Scha- rons Invasion über den Libanon gebracht hat. Israel hat seine Ar- mee wieder in das libanesische Südgebiet zurückgezogen, nachdem es die militärische Organisation Arafats zerschlagen hatte... als die Palästinenser den libanesischen Staat zerstört hatten, waren sie wenigstens kräftig genug gewesen, die anderen Milizen im Zaum zu halten... Die Israelis versuchen in ihrem Brückenkopf die Par- tisanen abzuwehren, und die Europäer und Amerikaner haben sich auf ihre Schiffe zurückgezogen. Selbst die sonst nach Einfluß hungernden Russen lassen sich nicht blicken... Es ist kein Weg zu sehen, auf dem das im Krieg aller gegen alle verkommende Land zum Frieden fände." Ein gräßliches Machtvakuum, wenn es nicht einmal die Russen, die Saubären, ausfüllen wollen. So etwas darf nicht einreißen, denn eine starke Regierung ist das A und O des Menschenlebens. So daß die FAZ das Was und Wie der Regierung, Intrigen, Wahlen und Um- stürze allüberall auf der Welt genauestens verfolgt. Die Folgen für die dort ansässigen Menschen sind weniger von Interesse, al- lenfalls ihr Glück, auf die abendländische Zivilisation treffen zu dürfen. Weihrauch und Myrrhe -------------------- Die "Zeitung für Deutschland" liebt die Politik dermaßen, daß sie sie erst gar nicht mit volksverhetzenden Idealen ihrer Nützlich- keit für die Massen beurteilt, sondern gleich mit den Idealen ih- rer erfolgreichen Durchsetzung. Die Zeitung ist und will kein Massenblatt sein. Sie beweihräuchert die Würde der Politik mit dem eigenen weihevoll-gespreizten Stil und verachtet "die Me- dien", die einfach immer den fälligen Respekt vermissen lassen. Unglaubliches ist geschehen bei Daimler-Benz. "Dissonanzen in ei- nem feinen Haus". Welche, erfährt man nicht, denn der eigentliche Skandal ist folgender: "In beiden Fällen wurden bewußt Informationen gestreut, und das in einer Umwelt, in der die verschiedenen Medien von den Zeitun- gen und Zeitschriften bis hin zum Fernsehen in solchen Fällen un- tereinander wetteifern... Man wird damit rechnen müssen, daß die 'Privatsphäre' der Unternehmen mehr und mehr öffentlicher Aus- leuchtung unterzogen wird... Offenbar findet die in der Politik bereits seit langem eingetretene Verwilderung der Sitten nun auch immer mehr Eingang in die Welt der Unternehmen." So polemisiert eine Säule der Öffentlichkeit gegen die Öffent- lichkeit. Da wird noch im devotesten Wiederkäuen allgemein aner- kannter Probleme die Gefahr einer unbefugten Einmischung ent- deckt. Allgemeine Zensur und die FAZ als Regierungsorgan ist der Wunschtraum. dieser Moralwachteln. Vorerst pflegen sie das rechte Verhältnis von Demut und Würde und fungieren gleich nur noch als Sprachrohr der Politik: Seitenweise geben "Bonner Kreise", "Diplomaten", "der Regierungssprecher" oder andere illustre Per- sönlichkeiten die gefälligen Interpretationen ihrer neuesten Ge- meinheiten zu Protokoll. So wird die Kunst der indirekten Rede lebendig gehalten und die Frakturschrift. Und als alltägliche Andachtsübung wird jeweils eine große Persön- lichkeit vorgestellt, zum Beispiel: "Ian McGregor. Der 'Schlächter' In seinen drei Jahren bei der British Steel Corporation verrin- gerte er die Belegschaft auf etwa die Hälfte... Frau Thatcher war so angetan von seiner rigorosen Stillegungsaktion, daß sie ihn anschließend zum Vorsitzenden eines weiteren staatlichen Defizit- unternehmens machte, das National Coal Board... Für die radikalen Gewerkschaftsführer ist McGregor der 'Schlächter'... Als er kürzlich beim Passieren einer Ansammlung wütender Streikposten zu Boden gestoßen worden war, nützte er das nicht dazu aus, diese Leute herabzusetzen. Vielmehr spricht er von den Bergarbeitern als 'Menschen mit einem hochentwickelten Solidaritätsgefühl, das von ihren Führern ausgebeutet wird.' Diese noble Einstellung..." Fürwahr, eine hinreißend noble Persönlichkeit. Und genau für sol- che und bloß für solche Charaktermasken, Mitläufer und Nutznießer der Herrschaft will die FAZ das Magenblatt sein. Ein Service für die Trottel, die dank der Posten, auf die sie geraten sind, ihr Selbstgefühl als "Elite" genießen. Nicht vor die Säue geworfen --------------------------- Vierzehntäglich bringt ein Mensch mit einem großen Kopf und Son- derschulformat in Körpergröße und Intelligenz diesen einen Gedan- ken zu Papier: Es gibt die blöde Masse und die wenigen Klugen, und dies ist vor allem auch eine Geschmacksfrage. Johannes Gross: "In Amerika und in Frankreich ist die Demokratie von vornehmen und geistreichen, mindestens faszinierenden Leuten begründet wor- den... Deutschland hatte das Unglück, daß die Erste Republik mit Pfahlbürgern auftrat, redliche ohne Zweifel, aber keine Figur darunter, auf die man hätte stolz sein mögen, die sich der Erin- nerung einprägen konnte. Auch hier hat die Bundesrepublik Glück gehabt, indem Adenauer und Heuss eben redliche Pfahlbürger nicht gewesen sind." Und der dazwischen? Das war doch eine Figur, die sich eingeprägt hat und auf die man stolz sein konnte - eben bis zum verlorenen Krieg? Die schiefgegangene Lücke muß man übersehen gerade wegen des Lehrsatzes: Es braucht imposante F ü h r e r! Und nachdem sich hierzulande das Gerücht hält, Elite hätte etwas mit Geist zu tun, pflegt die FAZ die Bildung mit drei i. "Vom Sinn der Zwischenprüfung" belehrt sie einen, daß Bildung Auslese ist, weil es "gewisse Grenzen des nationalen Reichtums an Phanta- sie und Leistungskraft" gibt, also Grenzen der "Fülle, in der je- ner Rohstoff vorhanden ist, mit dem sich die Bundesrepublik im internationalen Wettbewerb behaupten soll." Geist, Kultur, Kunst und der ganze Schmarren sind wertvoll, w e i l die "Massen" a u s g e s c h l o s s e n sind, dieses geistvolle Credo füllt die Feuilleton-Seiten bis zum Erbrechen. Statt der Massen bietet das Individuum, das einmalige, zum Beispiel umwerfende Kulturer- lebnisse: "...eines seiner schönsten Tierbilder..., auf dem das Fell der Hunde von einer Aureole aus Sonnenlicht umzeichnet ist und man zum erstenmal vor Fotos ein Gefühl bekommt für die kostbare Ein- maligkeit auch des Tierindividuums." Die Gleichung Herrschaft = Elite = Kultur wird rückwärts und vor- wärts hergebetet. Sei es mit dem anläßlich eines britischen Aka- demikerspions aufgeworfenen Rätsel: "Wie kann ein intelligenter Mensch für den Kommunismus sein?", sei es in dem unsäglich geistreichen; mit Gottfried Kellers "Grünem Heinrich" geführten "Beweis" für die Unsinnigkeit grüner Politik: "Dabei ergeben sich frappierende Allianzen." Z.B. bauen Liebhaber des Grünen einfach ihre Häuser in die Natur und dann ist sie putt. Oder Gegner der Startbahn West "rammten den Schutzzaun der Startbahn mit frisch ausgerissenen Bäumen - im Namen des Waldschutzes." Man darf sich also in der "Zeitung für Deutschland" nach Herzens- lust in sämtlichen Sorten von Schwachsinn ergehen und sich furchtbar besonders und feinfühlig vorkommen. Sich z.B. voröster- lich die Frage vorlegen, wieso es einerseits heißt "das blöde Schaf" und andererseits "eine Lammsgeduld". Man darf sich "wider die Ausbürgerung des Todes" wenden und sich am "Faszinosum der 'Ars moriendi', der Kunst zu sterben" gütlich tun. Man darf sowohl miterleben, "daß Musik kein bloßes Ausschmückendes, Gefühlserhebendes, Exi- stenzverniedlichendes ist, sondern in ihr sich konkrete, wenn auch mitunter peinigende Wirklichkeit abbildet.", sich Johannes Gross' Frage auf der Zunge zergehen lassen: "Ob wir wohl, wie die gehörten, gesehene Oktaven als verwandt empfänden, wenn unser visuelles Spektrum größer wäre?" - als auch die Botschaft erfahren: "Turmfalken sind dem Menschen nahe." Ganz unbeschreibliche Genüsse, deren Qualität die inserie- renden Firmen am besten auf den Begriff bringen: "Es gibt Leute, deren Geschmack ist sehr einfach. Sie geben sich im Urlaub nur mit dem Besten zufrieden..." "'Für den erfolgreichsten Mann', sagte sie und streckte mir einen Diamanten an." "Wer klare Ziele hat, erwartet viel von seiner Bank. Sie haben sich für ihren beruflichen Weg hohe Maßstäbe gesetzt. So messen Sie auch der Wahl Ihrer Bank eine besondere Bedeutung zu. Mit Recht. Vermögensaufbau, Vermögenssicherung und Lebensstil hängen eng zusammen..." zurück