Quelle: Archiv MG - BRD MEDIEN BILD - Nationale Herzensbildung


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       Das kann  "Bild" gerade  leiden. "Wir" schenken denen drüben eine
       Marktwirtschaft mit allem Drum und Dran - und dann gibt es in der
       Ex-Zone tatsächlich noch Leute, die nicht einfach dankbar, wie es
       sich für  Beschenkte gehört,  den ganzen  kapitalistischen  Segen
       über sich  ergehen lassen.  Mit Hinweisen  wie, es  drohten  ver-
       schleißträchtige Arbeitsplätze,  Arbeitslosigkeit  und  steigende
       Mieten, wollen  da einige  Miesmacher die  deutsche  Hochstimmung
       versauen.
       Das fordert  "Bild" zu  einem "Offenen Brief an die lieben Lands-
       leute" heraus.  Die frohe Botschaft: Recht eigentlich spricht je-
       der Einwand nicht gegen, sondern für die Marktwirtschaft!
       

WAS "UNSERE" SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT SO UNWIDERSTEHLICH ANZIEHEND MACHT

1. "In der Bundesrepublik wird kein Mieter auf die Straße gesetzt. Auch Sie haben nichts zu befürchten. Deutsche Haushalte, deren Mieten im Vergleich zu ihrem Einkommen zu hoch sind, erhalten vom Staat Wohngeld." Man darf wohnen und bekommt vielleicht sogar einen Mietzuschuß. Zweifelsohne ein Vorteil, der für die BRD spricht - wenn man es partout für keinen Einwand halten will, daß man anerkanntermaßen schon mit einem normalen Lohn Schwierigkeiten hat, eine Behausung zu bekommen und zu bezahlen! Ja, wenn für Ossi und Wessi als selbstverständlich abgehakt ist, daß Löhne niedrig sein müssen, damit sie sich als Mittel des Gewinns auszahlen, und Mieten hoch sein müssen, weil Wohnungen nur dann zum Wohnen da sind, wenn die Mieten dem Eigentümer sein Eigentum versilbern - dann, aber auch nur dann ist es ein Trost, wenn ein deutscher Haushalt in der Re- gel tatsächlich nicht auf der Straße sitzt, obwohl er vom Lohn noch nicht einmal dem Eigentümer den Gewinn finanzieren kann! 2. Auch die marktwirtschaftliche Arbeitswelt ist ein wahres Eldorado der Menschlichkeit, wenn man sie nur richtig betrachtet: "Die Arbeitsschutzgesetze der Bundesrepublik werden für Sie alle ein Segen sein." Man darf bloß nicht fragen, was sie überhaupt notwendig macht und was man davon hat! Denn selbstverständlich hat zu sein, daß das staatlich geschützte Prinzip der Gewinnmacherei aus sich heraus rücksichtslos ist ge- gen die Gesundheit der eingekauften Arbeitskraft, weil jede Rück- sichtnahme als überflüssige Kosten zählt. Deshalb muß der Staat seine unternehmenden Lieblingsbürger überhaupt erst per Gesetz, z.B. Mutter- und Jugendschutz, dazu anhalten, zumindest bei wer- denden Müttern und Heranwachsenden gewisse Ausnahmen zu der sonst üblichen Beanspruchung zu machen. Damit der Arbeiternachwuchs nicht ausgeht und die Jugendlichen nicht bereits nach 5 oder 10 Jahren Lohnarbeit fertig sind, wo sie doch für 30-40 Jahre Dienst am Geschäft vorgesehen sind. Letzteres muß man schon für einen großen Segen halten, wenn man den Schutz der Arbeitsfähigkeit mit dem seiner Gesundheit ver- wechselt und dem System zugutehält, daß es die Leute ausgiebig benutzen will. 3. Doch selbst der Tatbestand, daß etliche Millionen aus dieser ge- schützten Arbeitswelt entlassen und einkommenslos gemacht werden, erlaubt laut "Bild" keinen Einwand gegen unsere Marktwirtschaft, denn: "Seien Sie überzeugt, liebe Landsleute, daß kein Arbeitsloser von der 'Keule des Sozialabbaus' getroffen wird. Es gibt Arbeitslo- sengeld und Arbeitslosenhilfe." Doch auch ein gelungener Vorzug der Marktwirtschaft! Klar, wenn in Ordnung geht, daß recht eigentlich keiner das Nötige zum Essen verdient, der sich nicht für den Gewinn nützlich machen darf, dann ist es in der Tat ein Vorzug, daß trotzdem keiner verhungern muß. Sinnigerweise zahlen dafür die Lohnarbeiter, solange sie sich noch nützlich machen können. Mit den Zwangsversiche- rungsgeldern wird dafür gesorgt, daß entlassene Arbeiter erstmal noch als Reserve bereitstehen. Wer nicht mehr gebraucht wird, der wird trotzdem bis zuletzt mit Sozialhilfe betreut. So sozial ist die Marktwirtschaft. 4. Aber da gibt es ja auch noch die Chancen, die locken! "Es gibt in einer sozialen Marktwirtschaft trotz beklagenswerter Fälle von Dauer-Arbeitslosigkeit für jeden, der arbeiten will, eine Chance." Das ist gut! Wenn man schon keine A r b e i t bekommt, dann kann einem die M ö g l i c h k e i t, eine zu finden, wenig- stens keiner nehmen. Und wenn aus der M ö g l i c h k e i t keine R e a l i t ä t wird, so muß das an dem Betreffenden sel- ber liegen. Schuld sind immer die, die's trifft. Und die anderen beklagen wir. 5. Welchen Ex-DDRler all die schönen Werbeargumente für die Vor- trefflichkeit des Kapitalismus womöglich trotzdem nicht davon überzeugen, daß er keinen Grund zur Sorge und Unzufriedenheit hat, für den hat "Bild" zum Schluß das unwidersprechlichste aller Argumente ausgepackt: "Liebe Landsleute, wie auch immer gegen die Einheit agitiert wird, lassen Sie sich keine Angst machen. Die Einheit ist von niemandem aufzuhalten." Das ist doch mal ein schlagendes Argument: Ihr könnt der Markt- wirtschaft mit all ihren Schönheiten sowieso nicht entgehen, also laßt sie gefälligst dankbar über euch ergehen. Sich ängstigen lohnt nicht, weil die maßgeblichen Leute aus Politik und Wirt- schaft von euren Sorgen und Nöten ohnehin nichts abhängig machen! Das ist schon fast ehrlich. Mehr spricht in der Tat nicht für die 'soziale Marktwirtschaft', als daß man ihr mit Gedeih und Verderb ausgeliefert ist oder drüben jetzt wird - wenn man sie kommen und herrschen läßt. zurück