Quelle: Archiv MG - BRD MEDIEN BILD - Nationale Herzensbildung


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       "Bild" und "Spiegel" grüßen Krenz
       

EIN TYP SO MIES WIE SEIN STAAT!

Die da drüben können unserer Presse auch gar nichts recht machen. Da wurde jahrelang Honecker als Bremser verschrieen, gegen das "vergreiste" Politbüro vom Leder gezogen und endlich mal eine Verjüngung der Staatsspitze gefordert. Kaum macht die SED das, heißt es, das sei bloß "eine kosmetische" und außerdem noch eine ganz besonders hinterhältige Maßnahme. Mit dem Jüngeren wolle die SED "dem Volk suggerieren, daß sie zu Änderungen bereit sei" - ohne diese zu wollen. Da kennen sich demokratische Journalisten aus: Schließlich hat doch erst unlängst Kanzler Kohl sein Kabi- nett umbesetzt mit dem in der Öffentlichkeit unumstrittenen An- liegen, es ginge schließlich darum, die Politik besser zu verkau- fen. Warum die SED ihren Kurs eigentlich ändern soll, das soll sich von selbst verstehen: "Wir" verlangen es einfach. Und für diesen Anspruch ist jede Kritik an drüben recht. Deshalb steht Egon Krenz, noch kaum einen Tag in seinem neuen Amt, auch schon unter vollstem Beschuß aus westdeutschen Zeitun- gen. Klar, daß alles, was er sagt, den West-Journalisten nicht paßt. Widerspricht er westlichen Ansprüchen an seine Regierung, dann ist er auf "Worte aus Beton" abonniert. Keine zwei Spalten weiter, gibt er "ein Konglomerat aus Unverbindlichkeiten von sich" - wenn er grade mal wieder Nachgiebigkeit signalisiert. Sein Hauptfehler ist eben ein anderer, und der "Spiegel" nennt ihn auch: Er ist ein "Berufskommunist". Während die "Bild"-Zeitung sich bei Staatschefs befreundeter Na- tionen - im Entsprechungsverhältnis zu deren Macht - gar nicht einkriegen kann mit der Forderung nach Respekt, der Achtung des Menschen auch im Politiker und der Schonfrist von hundert Tagen, war Krenz noch keine hundert Stunden im Amt, als er die unverhoh- lensten Spott- und Schmähartikel in der verbreitetsten westdeut- schen Zeitung nachlesen konnte. In schülerzeitungshaften End- und Stabreimen fiel "Bild" über den "flotten Egon" her: "Spätabends, wenn Karl Marx geht und Johnny Walker kommt, beginnt der Lenz für Egon Krenz. Dann heißt's beim frischgebackenen SED- Generalsekretär statt Partei, Programm und Proletarier endlich Pils, PS und pralle Busen. In der Karriere-Steilkurve des mittel- deutschen Polit-Rekordlers rast die Schlagzeile mit: 'Laster, Lu- xus und kein bißchen Lenin.'..." ("Bild" vom 20.10.) Wäre es "Bild" etwa lieber, wenn er sich auch noch bis spät in die Nacht hinein in kommunistischem Gedankengut fit machen würde, um schon früh am morgen streng leninistisch auf harte Par- teidisziplin zu drängen? Wäre er dann nicht ein mindestens so verabscheuungswürdiger, verknöcherter und unbelehrbarer Dogmati- ker? Entweder Marx oder Whisky - wer heuchelt denn da eigentlich? Aus lauter Abscheu vor prallen Busen wartet "Bild" gleich zwei Zentimeter unterhalb der Krenz-Denunziation mit Musterexemplaren derselben unverhüllt auf. Was hat "Bild" eigentlich gegen einen lebenslustigen Politiker? Bei einem Franz Josef Strauß und ähnli- chen Kalibern waren Sauf- und Weibergeschichten immer Beweis ih- rer Vitalität. Und hörte man nicht neulich erst, daß der ganze Bundestag voller Alkoholiker sitzt, ohne daß der Ruf nach einer radikalen Reform laut wurde. Bundesdeutsche Politiker müssen sich nämlich nicht, wie laut "Bild" Egon Krenz, "von der täglichen Volksunterdrückung ablenken." Und ein Politiker ohne Wein, Weib und Gesang: Ginge dann seine Politik in Ordnung? Ganz nebenbei: Was treibt der "Bild"-Reporter eigentlich nach Redaktionsschluß? Daß "Don Promillo" Krenz eine "zweistöckige Zwölf-Zimmer-Villa" mit reichhaltigem Inventar hat, daß er in der "DDR-Elite-Siedlung am Wandlitzsee" wohnt, einen Dienstwagen und zusätzlich einen Ja- guar besitzt - das alles soll gegen Krenz sprechen. Schon mal eine ähnliche Niedermache gegen Ronald Reagan wegen seines nicht zu knappen Herrschaftssitzes bei Santa Barbara gehört? Oder gegen westdeutsche Politiker, die nicht nur innerhalb ihrer nicht ge- rade ärmlichen "vier Wände" auch einiges verkonsumieren? Wünscht "Bild" sich etwa einen hundertprozentig soliden DDR-Füh- rer, den sein Volk liebt, weil er dessen Bescheidenheit teilt? Nein, das am allerwenigsten. Schon eher umgekehrt. Die auflagenstärkste westdeutsche Zeitung beherrscht eben die gar nicht große Kunst, anläßlich der gleichen Sache Abscheu oder Be- wunderung auf die Großen dieser Welt zu lenken - je nach Opportu- nität. Und in diesem Fall mobilisiert das westdeutsche Revolver- Blatt den ganzen Moralismus der kleinen Leute gegen Egon Krenz. Sie baut auf die Idiotie von Untertanen, die mit ihrem beschei- denen bis beschissenen Leben so sehr Frieden gemacht haben, daß sie an dem Maßstab ihre Führer messen. Und sie darüber entweder attraktiv oder verabscheuungswürdig finden. Natürlich mit der ge- bührenden Berücksichtigung des Unterschieds zwischen unten und oben. Die Herren in Bonn müssen schließlich glaubwürdig Macht und Größe der BRD repräsentieren. Im Falle von Egon Krenz fällt dage- gen das Urteil von "Bild" genau umgekehrt aus. Und das mit gutem Grund, nämlich in praktischer Absicht: Der Mann wird nicht bloß hier schlecht gemacht, sondern auch die drüben sollen das mit- kriegen, damit sie ihrer neuen Regierung erst gar kein Vertrauen entgegenbringen. Dies ist nicht nur die Linie der "Bild"-Zeitung. In das gleiche Horn wie das Paradeblatt des deutschen Proleten stößt auch das des deutschen Intellektuellen: der "Spiegel": "Krenz galt ... lange als Berufsjugendlicher, weil er, noch im Alter mit offenem Blauhemd, gerne mit hübschen FDJlerinnen schä- kerte." (Hätte er etwa Yuppie-Schicksen nehmen sollen?) "Der Politbürokrat ... genoß Leben und Alkohol in vollen Zügen: 'Hemd blau, Haare grau', spotteten die alten Herren. ... Funktio- närssiedlung am Wandlitzsee, ausgestattet mit allen Privilegien - Villa mit Personal, Volvo 760 GLE, freier Einkauf in Spezialläden mit westlichen Delikatessen." Offenkundig setzt der "Spiegel" drauf, daß auch seine intellektu- elle Leserschaft genau weiß, was sich für einen aufrechten Sozia- listen gehört und was nicht. Ein paar PS zuviel und das falsche Styling diskreditieren da für den flotten "Spiegel"-Leser glatt den ganz realen Sozialisten. Das westdeutsche Durchblicker-Blatt gibt sich mit dieser deftigen Kost noch längst nicht zufrieden. Krenz wird auch politisch zum "miesesten aller möglichen Kandidaten" gestempelt. In einem Satz wird - ausgerechnet noch unter Berufung auf SED-Kreise - die hun- dertprozentige Aburteilung von Krenz vorweggeliefert, noch ehe er zur ersten Amtshandlung schreiten konnte. So versinkt der "Spiegel" in Mitleid mit den "... zahlreichen Genossen im ganzen Land, die seit Monaten den politischen Wechsel herbeigesehnt hatten ... Mit Krenz versank erst einmal ihre heimliche Hoffnung, der Abtritt des kranken Honecker bringe den Anfang eines anderen, eines menschlicheren, eines ehrlicheren Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Re- publik." Wen hätte die SED denn nehmen sollen - nach Auffassung des "Spiegel"? Keine Frage: "Wenn der 'Spiegel' künftig nicht nur auf dem Tisch des SED-Gene- ralsekretärs liegt, sondern auch an den DDR-Kiosken, dann, Ge- nosse Krenz, nehmen auch wir Ihre Bemühungen um Glasnost ernst. Nur Mut, Herr Generalsekretär." (Spiegel 43/1989) Sehr einleuchtend! Ohne die freie "Spiegel"-Hetze über den Nie- dergang des Sozialismus und die Korruptheit der Betonköpfe in Pankow bekommt der Sozialismus nie ein menschliches Antlitz. Wie "Bild" hat auch der "Spiegel" an den politischen Konjunkturen äußersten Gefallen gefunden. Und die werden mit politischen Re- flexionen vorangetrieben. Kaum redet der DDR-Obere über seinen Staat so, wie es westliche Hetzer seit Jahren verlangen - er ver- spricht, Reformen -, schon unken die, ob das überhaupt geht. Die persönliche Hetze dient dazu, die Reformen gleich von vorneherein drüben unglaubwürdig zu machen, ihre beabsichtigte befriedende Wirkung auf das eigene Volk zu vermiesen. "Reformen - aber welche?", fragt Herausgeber Augstein, nachdem er samt seiner Redaktionsmannschaft den halben "Spiegel" lang die DDR als reformunfähig hingestellt hat. Westdeutsche Kommentatoren wollen keine Reformen in der DDR - sie wollen einen anderen, am besten gar keinen Staat DDR. Und das halten sie für ein Argument. "Wir verlangen von ihm (Krenz) 'Reformen', die ihn und seine Cli- que hinwegfegen würden." (Augstein). Daran soll sich die neue Führung gefälligst abarbeiten. D a f ü r gewährt die westdeutsche Öffentlichkeit Krenz noch einmal gnädig Aufschub, damit er sich vor ihr dann endgültig bla- miert. zurück