Quelle: Archiv MG - BRD MEDIEN ALLGEMEIN - In Freiheit gleichgeschaltet
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Zum gleichnamigen Hauptseminar von Professor Pürer (Kommunika-
tionswissenschaften):
Daß sie von Zeitungen wie "BILD" manipuliert werden, behaupten
alle deutschen Bürger - über die anderen. Unseriös, reißerisch
aufgemacht, manipulativ diese Vorwürfe beherrschen auch Intellek-
tuelle. Den Inhalt zu kritisieren, ohne ihn naßzumachen, diese
Kunst verlangt der small-talk. Man weiß eben ungeheuer über
"DIE WIRKUNGEN DER MASSENMEDIEN"
Bescheid. Deswegen glaubt man, den Unsinn, der dortsteht genauso,
aber man weiß es einfach besser.
Bei Professor PÜRER lernt man die wissenschaftliche Ausführung
dieser Haltung. Bei ihm im Seminar geht es um die "in der Regel
nie befriedigend zu beantwortenden Fragen nach den Wirkungen der
Massenmedien" (ders.: "Medienereignisse - Medienwirkungen?",
Seite 3). Wenn man schon die Wirkung der Medien unabhängig von
ihrem Inhalt diskutiert, dann lernt man nichts über ihre politi-
sche Propaganda, aber viel über die eigene schlechte Meinung vom
Zeitungsleser Otto Manipulato.
Die Schwierigkeiten, die Professor Pürer bei der Beantwortung
seiner Fragestellung hat - ein Geständnis, das übrigens kein
Zeugnis wissenschaftlicher Redlichkeit, sondern ein Armutszeugnis
ist -, verdanken sich nicht seinem Gegenstand. Zu untersuchen
wäre bei seiner Themenstellung erstens, wie die Politiker ihre
Beschlüsse - die für ihre Adressaten den Charakter von Vorschrif-
ten haben und mit allerlei schädlichen Wirkungen für sie verbun-
den sind - in Deutung ihres Geschäfts per Funk, Fernsehen und
Presse mitteilen (= "Information") Zweitens mit welchen Verdol-
metschungen die Journalisten diese Deutungen ihrem Publikum nahe-
bringen und einsichtig machen (= "Kommentar"). Und weil es sich
hierbei um das Feld der politischen Ideologiebildung handelt,
wäre vielleicht drittens noch zu klären, warum all die beschöni-
genden Urteile über die Politik, die auf diese Weise in Umlauf
gesetzt werden, eine Wirkung auf den Geist des Publikums haben.
Eine Beleidigung für den Verstand ist das alles nämlich schon.
Dabei käme heraus, daß der Einfluß der Massenmedien auf den
Volksgeist beim Adressaten den moralischen Standpunkt eines
Staatsbürgers schon voraussetzt, so daß als Wirkung der Massenme-
dien festzuhalten bliebe, daß sie diesen vorhandenen nationalen
Moralismus mit dem geeigneten Material ausstatten und ihn zu ei-
nem politischen Weltbild ausgestalten, das immer auf dem aktuel-
len Stand der politischen Konjunkturen ist. Ohne eine Kritik der
durch die Massenmedien kolportierten Gedanken ginge das Ganze
also nicht ab.
Die Macht zur Manipulation
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Merkwürdigerweise beginnt und endet die kommunikationswissen-
schaftliche "Wirkungsforschung" mit der W e i g e r u n g, die
Wirkungen der Medien zu erforschen. Immerhin auf Seite 189 eines
Repetitoriums kann man lesen:
"Daß Massenmedien irgendwelche (!) Wirkungen zeitigen, ist wohl
unbestreitbar; wie der Wirkungsprozeß im Detail verläuft, (ist)
weder im einzelnen noch generell bekannt..." (Schreiber: Repeti-
torium Kommunikationswissenschaft)
Und noch jedes Schaubild, in dem ein "Kommunikator" mit einem
"Rezipienten" durch einen Pfeil verbunden ist, dokumentiert, daß
sich der "Medienwirkungsforscher" bei der inhaltlichen Bestimmung
der "interessanten" Wirkungen für unzuständig erklärt. Den Gegen-
stand seiner Wissenschaft, besagte Wirkungen auf den Rezipienten,
erledigt er mit der zufriedenen Feststellung, d a ß es solche
Wirkungen g i b t; und indem er dieses "daß" per Pfeil in ein
begriffsloses Bild übersetzt, erklärt er seinen Gegenstand zur
nicht weiter bedenkenswerten Selbstverständlichkeit. Dies verrät
ein weiteres über seine Sicht der Dinge: Immerhin ist mit einem
solchen Pfeil die Wirkung mit der Ursache unmittelbar zusammenge-
schlossen, also mit ihm das Grundsatzurteil dieser Wissenschaft
in die Welt gesetzt, daß der Geist des Publikums durch das Trei-
ben der Medien bestimmt ist, dieser Geist also gar nicht das Sub-
jekt seiner Urteile ist. Ganz nebenbei, und ohne daß diese Vor-
stellung im Seminar jemals Gegenstand der Überprüfung werden
könnte, wird so den Massenmedien d i e M a c h t z u r
M a n i p u l a t i o n ihres Publikums zugesprochen und dem Pu-
blikum die Leistung, sich ein (verkehrtes) Urteil z u e i g e n
zu machen (oder auch nicht), abgesprochen. Kritisch und aufkläre-
risch ist solch eine Besprechung der "Wirkungen der Massenmedien"
nicht. Sie stammt nämlich von Leuten, die sich sehr wohl der
"Gefahr" der Manipulation enthoben wissen - damit, daß sie diese
"Gefahr" entdeckt haben, widerlegen sie ohnehin die Vorstellung
der Manipulation an ihrer eigenen Person -; und die sich die
"Masse" gleich so zurechtkonstruiert haben, daß Aufklärung in ih-
ren Augen verlorene Liebesmüh ist.
An dieser Vorstellung eines unmittelbaren Zugriffs der Medien auf
den Verstand ihrer Adressaten ändert sich auch nichts mehr da-
durch, daß die "Wirkungsforschung" den Vorgang "komplexer" sehen
will:
"Dieser oft vermutete einfache Wirkungsvorgang trifft jedoch nur
selten zu... Medienwirkungen, sofern sie überhaupt feststellbar
sind, vollziehen sich im Rahmen komplexer, empirisch nur schwer
überprüfbarer und nachvollziehbarer Vorgänge innerhalb der Ge-
samtgesellschaft, in deren vielfältiges Beziehungs- und Abhängig-
keitsgeflecht Medien wie Publikum eingebunden sind und in gegen-
seitigem Wechsel aufeinander wirken." (Pürer, a.a.O.)
Gerne hätte man erfahren, was da wovon abhängen soll. Aber Pro-
fessor Pürer redet selbst lieber über ein "vielfältiges Bezie-
hungs- und Abhängigkeitsgeflecht, das ihn so überfordert, daß er
sich außerstande sieht auch nur eine einzige "Beziehung" zu nen-
nen, geschweige denn zu bestimmen. Jedenfalls kann man sich gut
vorstellen, wie er im folgenden seiner Schrift die Vorstellung
von der Macht der Medien zu einer ganzen Wissenschaft ausbauen
wird: Mit der Frage, w a s b e w i r k t, daß d i e
U r s a c h e "Massenmedium" beim Publikum w i r k s a m
wird, wird er seinen Fehler konsequent fortführen. Und darüber
wird dann eine stattliche Liste von "Wirkfaktoren" herauskommen,
bei denen man wieder fragen kann, wann die wirksam werden.
(Soviel zu den eingangs zitierten theoretischen "Schwierig-
keiten". Sie verdanken sich einem Mißbrauch der Logik: Die
Subsumtion des Gegenstandes unter die logische Kategorie
'Wirkung' soll seine Erklärung ersetzen.) Die Vorstellung von der
Manipulation wird dadurch in der Tat nur "komplexer".
Die Konstruktion der journalistischen Verantwortung
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Mit dieser Vorstellung hat sich die Kommunikationswissenschaft
ein "Problem" erfunden, das den die Medien betreuenden Sachver-
ständigen und denen, die solches nach dem Studium dieser Wissen-
schaft werden wollen, eine Aufgabe und eine hohe Verantwortung
gegenüber dem Menschen zuweist. Sieht man nämlich erst einmal das
werte Publikum als "Masse", bei der sich Aufklärung und Kritik
verkehrter Vorstellung ohnehin nicht lohnt, so braucht es unbe-
dingt einen Berufsstand, der darauf aufpaßt, was sich die "Masse"
denkt. Diese K o n s t r u k t i o n d e r j o u r n a l i-
s t i s c h e n V e r a n t w o r t u n g v e r l a n g t e r-
s t e n s einen kleinen immanenten Widerspruch im Gedanken der
Manipulation:
"Medien sind in dem Maße wirksam, in dem ihnen der Rezipient
Wirksamkeit zugesteht." (Seminarpapier)
Die zum Journalismus Berufenen müssen schließlich wenigstens sich
selbst das "Zugeständnis" machen, Subjekt der eigenen Gedanken zu
sein. Das widerspricht zwar dem Gedanken der Manipulation, aber
die moralische Absicht des Gedankens verlangt eine solche Unter-
scheidung der Menschen danach, ob sie Gedanken gedankenlos nach-
plappern oder fähig sind, sie als eigenes Urteil zu reproduzie-
ren. Obwohl sie ihr Lebtag lang keinen Gedanken, der in einer
Zeitung zu lesen steht oder im Fernsehen zu hören ist, ihrem Ur-
teil und ihrer Kritik aussetzen - unter dem Titel "Information"
lassen sie vielmehr jeden Unsinn und jede politische Gemeinheit
gelten -, sprechen sie sich Urteils- und Kritikfähigkeit zu; die
Ausgestaltung ihrer erlesenen Subjektivität verhindert, daß die-
selbe manipuliert wird, meinen sie.
Z w e i t e n s ist diese Vorstellung, für das Gedankengut frem-
der Menschen verantwortlich zu zeichnen, sehr totalitär gedacht.
Einem Menschen nicht zu erklären, worin er verkehrt liegt, son-
dern statt seiner urteilen zu wollen und sich dies als Dienst an
der fehlenden Urteilsfähigkeit der "Masse" vorzustellen, das ge-
hört offenbar zum Selbstbewußtsein demokratischer Journalisten:
Die wollen nicht manipulieren, sondern verantwortlich manipulie-
ren.
P.S.: Und landet dann später ein so studierter Kopf in den Redak-
tionsstuben der größten deutschen Tageszeitung, dann denkt er
sich erstens, daß dies, im Vergleich zur "Süddeutschen", eine
Scheißzeitung ist, und zweitens, daß das, was er in die "Bild"-
Zeitung schreibt, genau das Richtige für "d i e M a s s e"
ist.
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