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       Korrespondenz
       
       "Ein fortschrittlicher Palästinenserstaat"
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       Wg. "Reagan  richtet Gadafi"  in MSZ  2/1986. Hierin insbesondere
       das Kapitel  "Die Palästinenser:  - Vom 'Problem' zum Rechtstitel
       für 'Terrorbekämpfung'
       
       Der Vergleich  der palästinensischen Revolution mit der zionisti-
       schen Heimstätten-Bewegung  hinkt  auf  eine  ziemlich  bösartige
       Weise und  das wird auch dadurch nicht besser, daß ihr auf manche
       Gleichheiten in  den Formen  der Aktion hinweisen könnt (Sammlung
       als Volk,  Terror, Ziel:  Staatsgründung). Der Zionismus ist eine
       rassistische Ideologie,  der Staat  Israel ein  imperialistischer
       Brückenkopf, ausgehalten von BRD und USA. Alle Fraktionen der PLO
       von Arafat bis zum legendären Abu Nidal sind sich jedoch einig in
       ihrer Ablehnung jeden Rassismus: Während der Staat Israel auf der
       Vertreibung der  Araber gründet, fordert die PLO-Charta ausdrück-
       lich einen  "demokratischen Staat Palästina, in dem Araber, Juden
       und Christen  gleichberechtigt zusammenleben  können." Ferner hat
       Israel als  dieses reaktionäre imperialistische Gebilde die Funk-
       tion, alle  revolutionären Bewegungen  nicht nur  im Nahen Osten,
       sondern auch  anderswo (RSA,  Taiwan, Contra in Nicaragua) zu be-
       kämpfen, während  die PLO  (auch hierin in allen ihren Fraktionen
       einig) ausdrücklich  den "Kampf  gegen die arabische Reaktion" im
       Programm hat  und auch  betreibt.   D e s w e g e n   gab es  den
       Schwarzen September Husseins, gerade weil die Palästinenser nicht
       zum Instrument der arabischen Staaten werden wollten.
       Daß sich  auch die linken Palästinenser jede Menge Illusionen ma-
       chen über  die Segnungen  einer echten  arabischen  Staatsgewalt,
       läßt sich  nicht bestreiten. Daß aber ein fortschrittlicher Palä-
       stinenserstaat auf  jeden Fall erst mal ein Schritt aus der gröb-
       sten Scheiße  ist, das  kann man gerade dem Libyen-Artikel in der
       MSZ entnehmen,  wo ihr  selber schreibt,  daß es den Leuten unter
       ihrem Gaddafi  nicht schlecht  geht. Die haben doch wirklich mehr
       als die Massen in den anderen arabischen Staaten.
       
       S. A., Westberlin
       
       Nationalismus - die falsche Defensive gegen den Imperialismus
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       Gerade Dir wird sicher aufgefallen sein, daß in der BRD der Staat
       Israel eine unverwüstlich gute Presse hat, die PLO dagegen im Na-
       men eines moralisch verurteilten Terrorismus verteufelt wird. Der
       Zurückweisung dieser  Betrachtungsweise sollte  der von  Dir  als
       "bösartig" gerügte "Vergleich" der zionistischen Staatsgründungs-
       bewegung mit  derjenigen der palästinensischen Araber dienen. Die
       gewohnheitsmäßige  Heuchelei  der  demokratischen  Öffentlichkeit
       fordert schon  immer wieder den Hinweis heraus, daß die Verurtei-
       lung mörderischer  Gewaltanwendung  für  politische  Zwecke,  und
       schon gleich  für die  Einrichtung eines  neuen Staates  oder die
       Durchsetzung einer  neuen Regierung, einzig einem gar nicht mora-
       lischen Kriterium folgt, nämlich dem jeweiligen nationalen Inter-
       esse am Ergebnis.
       Jeder Nationalismus  enthält eine  rassistische  Ideologie.  Denn
       keine Nation  will als  das verstanden sein, was sie ist: ein ge-
       sellschaftlicher Zwangszusammenhang,  gestiftet durch die Staats-
       gewalt, zweckmäßig für deren Macht und die von ihr behüteten Aus-
       beutungsverhältnisse, welcher  den betroffenen Leuten als Gesamt-
       heit vorgegebener Lebensbedingungen entgegentritt und sie dadurch
       zum  V o l k  macht. Nationalismus besteht im wesentlichen in der
       Lüge, der Staat wäre Dienst an dem Volk, das ihm vorgegeben wäre,
       und damit an den Leuten, deren Identität in ihrer Volkszugehörig-
       keit läge.  Die Lüge von einer jüdischen Menschengattung, die für
       ihren wohlverdienten  historischen Erfolg eine starke Staatsmacht
       brauche, ist nicht mehr und nicht weniger rassistisch als die In-
       terpretation eines  bundesdeutschen Proleten-  oder Studentendas-
       eins als  naturwüchsige Mitgliedschaft  in einem Volkskörper, der
       ein Recht auf ein "wiedervereinigtes" Großdeutschland, wenn nicht
       gleich auf  ein "Europa ohne trennende Grenzen" sein eigen nennt.
       Irgendeine angeborene Elitestellung bescheinigt jede Nation ihrem
       Volk; ob dafür auch noch Hautpigmente gezählt, Schädelformen ver-
       messen oder  Vorväter ausgeforscht werden, ist eine nachgeordnete
       Frage.
       Zum Volks-  und Heimatgedanken  gehört allemal  das  zweifelhafte
       Selbstlob, über  die  gesellschaftlichen  Gegensätze  erhaben  zu
       sein. Darum  geht es  dem politischen  Rassismus ja gerade: Linke
       ebenso wie  Rechte, Arme  ebenso wie die Reichen, Frauen wie Män-
       ner, Christen wie Gottlose, Bayern wie Ostfriesen usw. sollen die
       Identität der Herrschaft, der sie unterstehen, als ihre quasi na-
       türliche Gemeinsamkeit  und als  ihre übergeordnete Pflicht ober-
       halb aller  besonderen Interessen  und Loyalitäten  annehmen. Das
       ist die  Kehrseite davon,  daß der  Nationalismus seine entschei-
       dende Abgrenzung  gegen diejenigen  vornimmt, denen  der Paß  des
       Landes mit  seinen Rechten und Pflichten nicht von Geburt aus zu-
       steht. Sachsen  ja, Tamilen  nein, "Wolgadeutsche" aber durchaus,
       weil es als nationaler Anspruch gerade in den Kram paßt, Südtiro-
       ler hingegen nein, weil Italien Bündnispartner ist usw. Der Staat
       Israel kombiniert  Großzügigkeit und  Kleinlichkeit auf  dieselbe
       Weise: äthiopische  Sekten ja,  arabische Mohammedaner  nein oder
       nur als  Bürger zweiten  Ranges, Juden aus der Sowjetunion immer.
       Die Staatsgewalt,  auch eine  demokratische, betreut  und  zügelt
       nicht etwa  nationalistische und rassistische Einbildungen priva-
       ten Ursprungs, sondern schafft die Abgrenzungen, die ihr nützlich
       sind und dann allgemeine Wertschätzung genießen.
       Und das ersehnte neue Palästina? Das Ziel "Heimat zwischen Jordan
       und Mittelmeer", samt seinem Versprechen, "gleichberechtigtes Zu-
       sammenleben" zwischen  drei religiös  abgegrenzten Menschensorten
       zu gewährleisten,  finden wir nicht übermäßig. Wie ist denn diese
       Auswahl wohl  zustandegekommen? Wenn  die auf  Vertriebene der 2.
       bis 4.  Generation auch  noch Anwendung finden soll, müssen dafür
       schon ein  paar, wenn auch wohlgemeinte, rassistische Interpreta-
       tionen mit  einfließen. In  diesem Sinne  gibt es  durchaus  eine
       "palästinensische Identität",  nämlich gerade  als Werk  der  is-
       raelischen Uertreibungspolitik.  Und insofern ist der palästinen-
       sische Nationalismus  unschuldig, weil er machtlos ist, und mora-
       lisch ehrenwert, weil er der Standpunkt von Opfern ist. Eben des-
       wegen hat  er allerdings  nichts Richtiges  an sich. Wenn der Ge-
       sichtspunkt, unter  dem die Zionisten ihr "gelobtes Land" leerge-
       räumt haben,  umgedreht wird;  wenn die  säuberlich  geschiedenen
       Völker mit  ihren anerkannten Lebensformen und Eigenarten der Be-
       aufsichtigung durch  eine neue Nation überantwortet werden, deren
        S t a a t s g e w a l t   dann die  friedliche Koexistenz zu ga-
       rantieren hat;  dann wird bloß die Staatenwelt um einen neuen an-
       erkannten Rassismus  und die  dazugehörigen "Dauerprobleme"  rei-
       cher, aber  noch lange kein Vorteil für die betroffenen Leute be-
       schlossen und  in Gang  gesetzt. Sogar  das läßt sich übrigens an
       den Massen  von Juden  studieren, die  in dem zionistischen Staat
       genau die Abstraktion vorgefunden haben, die ihnen verheißen wor-
       den ist nämlich eine politische Heimat.
       Der palästinensische "Kampf gegen die arabische Reaktion" ist ge-
       scheitert. Vielleicht nicht einmal notwendigerweise: Wenn die PLO
       ihn wirklich  geführt,  z.B.  Husseins  Untertanen  aufgewiegelt,
       seine Armee  zielstrebig zersetzt  hätte  -  wer  weiß,  wie  der
       "Schwarze September"  ausgegangen wäre. Jenseits solcher Spekula-
       tionen  bleibt   allerdings  festzuhalten,   daß  die   PLO   den
       "reaktionären" Charakter  arabischer Regimes immer nach deren Un-
       terstützung für  ihr Staatsgründungsprojekt  bemessen hat   u n d
       n i c h t  u m g e k e h r t.  An Husseins Herrschaft hat sie die
       Hindernisse für  ein Dasein  als "Staat  im Staate"  bekämpft und
       nicht die  Behandlung der - "eigenen" wie vertriebenen - Unterta-
       nen dieses Königs von amerikanischen Gnaden.
       Daß   d i e s e r  Kampf gescheitert ist, hat durchaus seine Not-
       wendigkeit. Es  ist ein  Widerspruch, als  eine Art palästinensi-
       scher Staat  in Vorbereitung bei den etablierten arabischen Staa-
       ten Aufnahme  und Unterstützung zu fordern und zu finden und sich
       n i c h t   als Instrument  für  d e r e n  politische Interessen
       hergeben zu  wollen. Da  wären ja  ausgerechnet die  reaktionären
       Gastländer der PLO die ersten  s e l b s t l o s e n  Mächte, die
       die "Staatenfamilie" je zu ihren Mitgliedern gezählt hat!
       Mit ihrem Kampf für einen eigenen Staat  s i n d  die organisier-
       ten Palästinenser allerdings auch gar keine revolutionären Gegner
       der arabischen  Regierungen, sondern  auf deren    W o h l w o l-
       l e n   angewiesen, damit  aber auch  deren "nützliche Idioten" -
       sie mögen  sich ansonsten  vornehmen, was sie wollen. Da hilft es
       auch gar  nichts, daß  sie unter  einem Präsidenten  Arafat  mehr
       politische Möglichkeiten  und eine  souveräne Macht  h ä t t e n:
       E b e n  d e s w e g e n  bekommen sie keine Autonomie.
       Es sei  denn, die  imperialistischen Mächte  USA  und  Westeuropa
       könnten Geschmack daran finden, die Westbank und Gaza als autono-
       men Kleinstaat zu etablieren. Wären die "revolutionären" Palästi-
       nenser damit  inzwischen schon  zufrieden? Arafat wäre es sicher.
       "Ein Schritt aus der gröbsten Scheiße" wäre das allerdings nicht;
       dafür würden  die Geburtshelfer  schon garantieren.  Was übrigens
       den libyschen Wohlstand betrifft, so stammt der nicht aus Gadafis
       "fortschrittlicher" Gesinnung,  die wir  nicht weiter  beurteilen
       wollen, sondern  aus den  Öleinnahmen des  Landes, die  Gadafi so
       verwendet, daß  auch einige  menschenfreundliche Effekte  heraus-
       schauen.
       Was soll  schließlich Dein  Hinweis, daß  Israel "alle revolutio-
       nären Bewegungen ... auch anderswo" bekämpft? Nicht zur Entschul-
       digung Israels, sondern zur Beachtung der Proportionen: Sogar die
       "Sozialistische  Internationale"  des  höchst  ehrenwerten  Willy
       Brandt, ganz  zu schweigen von jedem einzelnen Mitgliedsstaat der
       NATO, leistet  mehr Konterrevolutionäres,  wo immer Aufständische
       sich rühren,  als Israel, das auf Grundlage amerikanisch-europäi-
       scher Kontrolle über die westliche Welt seine Spezialdienste ver-
       sieht. Die  Beachtung dieser Rangfolge ist wichtig, weil es sonst
       so herauskommen  könnte, als  würde die  weltweite Herrschaft des
       Imperialismus ausgerechnet  mit Israel  stehen  und  fallen,  als
       müßte z.B.  den Nicaraguanern  ausgerechnet  durch  Antizionismus
       "geholfen" werden. Oder sollte das etwa Deine Meinung sein?
       
       MSZ-Redaktion
       

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