Quelle: Archiv MG - BRD KIRCHE - Vom Mißbrauch des Verstandes durch den Glauben
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Der höhere Wahn
LA PALOMA, OHE!
"Fünfte Enzyklika Papst Johannes Pauls II: Über den Heiligen
Geist - Wider Materialismus und Tod."
"Damit berührt Johannes Paul II. ein Geheimnis, das des Heiligen
Geistes als des Geistes des Vaters und des Sohnes, das zu den
zentralen Aussagen des christlichen Glaubens an einen dreifalti-
gen Gott zählt, doch zugleich wenig bekannt ist und noch weniger
verstanden wird." (Alle Zitate nach "Frankfurter Allgemeine",
31.5.)
Am P f i n g s t m o n t a g hat er seine Enzyklika unter-
schrieben. Tags darauf wurde sie veröffentlicht. Die FAZ meinte,
"Die päpstlichen Sätze entziehen sich weitgehend dem journalisti-
schen Zugriff; sie der Hast eines sich täglich überholenden Nach-
richtenbetriebs anzuvertrauen, hieße, biblisch gesprochen,
'Perlen vor die Säue werfen'."
Wir meinen jedoch, daß das Umgekehrte zutrifft; profan geschrie-
ben und dennoch beim Bild geblieben: Wojtyla hat wieder einmal
die Sau voll rausgelassen.
"Der Widerstand gegen den Heiligen Geist findet leider - in den
verschiedenen Geschichtsepochen und besonders in unserer modernen
Zeit auch ihre äußere Dimension, indem er sich als Inhalt der
Kultur und der Zivilisation, als philosophisches System, als
Ideologie, als Aktions- und Bildungsprogramm für das menschliche
Verhalten konkretisiert. Dieser Widerstand findet seinen höchsten
Ausdruck im Materialismus, sei es in seiner theoretischen Form,
als Gedankensystem, sei es in seiner praktischen Form, als Me-
thode der Interpretation und Bewertung der Tatsachen sowie als
Programm eines entsprechenden Verhaltens. Das System, das diese
Denkweise, Ideologie und Praxis am meisten entwickelt und zu den
äußersten praktischen Konsequenzen geführt hat, ist der dialekti-
sche und historische Materialismus, der noch immer als die Le-
benssubstanz des Marxismus gilt. Grundsätzlich und de facto
schließt der Materialismus die Gegenwart und das Wirken Gottes,
der Geist ist, in der Welt und vor allem im Menschen aus; und
zwar aus dem Hauptgrund, weil er dessen Existenz leugnet, da er
von seinem Wesen und Programm her ein atheistisches System ist."
Den Heiligen Geist stellt sich die katholische Metaphorik be-
kanntlich als T a u b e vor. Damals hat so ein Vogel laut Neuem
Testament die Jungfrau Maria künstlich befruchtet, und heute noch
verehrt die Bourgeoisie, hierin traulich vereint mit dem Revisio-
nismus in der nationalen und internationalen Arbeiterbewegung,
dieses Federvieh als Symbol für den F r i e d e n, ungeachtet
des Sachverhalts, daß die real existierenden Tauben vorwiegend
D r e c k hinterlassen, wo sie im richtigen Leben erscheinen.
Eine solche Betrachtungsweise wäre jedoch bereits der
M a t e r i a l i s m u s, gegen den man sich im Vatikan ex
cathedra wieder einmal zu Wort gemeldet hat. In der jüngsten Aus-
legung trifft der Banntuch querbeet durch die gesamte Geschichte
von Wissenschaft und Kultur jede Denkfigur, die nicht vor dem rö-
mischen G l a u b e n vor und jenseits aller Erkenntnis den
Kotau gemacht hat. Der Materialismus kann sich geschmeichelt füh-
len: Der Heilige Stuhl identifiziert ihn mit dem D e n k e n.
Und der dialektische samt dem historischen Materialismus kriegt
vom obersten und populärsten Guru des Irrationalismus bestätigt,
daß es sich bei ihm um radikale W i s s e n s c h a f t han-
delt, weil im Marxismus alles e r k l ä r t und "das Wirken"
höherer Geister systematisch "geleugnet" wird.
In den unnachahmlichen Worten der Apostel in der FAZ-Redaktion:
"Der Papst zögert nicht, Marxismus, Materialismus und Atheismus
als Ablehnung des Heiligen Geistes zu kennzeichnen."
Der traut sich was, der Gottesmann! Bis hierher könnte man die
Enzyklika also durchaus als treffenden Beitrag zur ideologischen
Abgrenzung zwischen Glauben und Materialismus begrüßen. Wojtyla
bestätigt Lenins starkes, weil vereinfachendes Urteil, demzufolge
aller I d e a l i s m u s in letzter Instanz nichts weiter ist
als P f a f f e n t u m. Wie immer geht's dem Oberhirten jedoch
nicht um einen herrschaftsfreien Diskurs. Er will natürlich het-
zen, aufwiegeln und Unfrieden stiften mit seiner Anrufung des
göttlichen Täuberichs:
"Das Oberhaupt der katholischen Kirche ruft den Beistand des Gei-
stes als 'Parakleten des Trösters' an gegen die 'Zeichen des To-
des'. Wörtlich: 'Es hat sich die Sitte verbreitet - die an eini-
gen Orten fast eine Institution zu werden droht -, den menschli-
chen Wesen, noch bevor sie geboren werden oder bevor sie zur na-
türlichen Grenze des Todes gelangt sind, das Leben zu nehmen.
Ferner sind trotz vieler ehrlicher Anstrengungen für den Frieden
neue Kriege ausgebrochen und im Gange, die Hunderttausenden von
Menschen das Leben oder die Gesundheit rauben. Und wie könnte man
die Attentate auf das menschliche Leben von seiten des Terroris-
mus vergessen, der auch auf internationaler Ebene organisiert
ist?'"
An allem soll der Materialismus schuld sein. Nur gut, daß der Pa-
raklet schon unterwegs ist, um gegen die Zeichen des Todes seine
Feldzeichen in die Welt zu setzen: SDI - mit Sicherheit ein Wink
von oben. Und die Aeroplane des Pentagon haben den ersten Schlag
gegen Armageddon über Libyen geführt. Dabei ist der Heilige Geist
gleichsam als Fernaufklärer über die nächsten Ziele im Heiligen
Krieg von großen Diensten. Er ist nämlich
"ein Geist des Lebens, der befähigt, das Gute und das Böse beim
Namen zu nennen."
So hat wohl auch Ronald Reagan erfahren, wo das R e i c h d e s
B ö s e n liegt: direkt vom Guten.
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