Quelle: Archiv MG - BRD KIRCHE - Vom Mißbrauch des Verstandes durch den Glauben


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UNSERE MEINUNG

Der Papst ist wieder weg und die Deutschen, denen er "soviel Freude gebracht hat" ("Bild"), müssen ohne seine Präsenz "unter uns" und tagesprogrammfüllend auf dem Bildschirm auskommen. Das macht aber nichts, weil seine Botschaft nicht nur bleibt, sondern schon vor ihm "in den Herzen der Menschen" einen festen Platz hatte. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn sie nicht auch den Verstand von Leuten okkupieren würde, die weiß Gott andere Sorgen haben mußten. Die Herabkunft des polnischen Heilsdealers aus Rom hat nichts verändert (dies gegen eine Überschätzung der Visite), andererseits muß an einem Manne schon was dran sein, dem die Herrschaften aller Länder samt ihrer Öffentlichkeit die Reverenz erweisen, obwohl er keinen Staat mit ökonomischer und militäri- scher Macht vertritt. Der Chef der Katholischen Kirche hat ein- drucksvoll demonstriert, wie man auf mehreren Teach-ins pro Tag die Werte und Ideale der Macht und die dazu komplementären des Dienens und Parierens vertreten kann, ohne selbst ein Machthaber zu sein. Das verleiht seinem, wenn er will 'unfehlbaren' Wort die Wucht einer reinen moralischen Institution: Die Friedfertigkeit des Gehorsams wird zur Gewissensfrage oder: Ein guter Untertan ist ein guter Mensch. Die Botschaft des JP II galt nicht nur für seine Gemeinde, sondern für "alle Deutschen", und für jeden hatte er das Passende. Den Arbeitern in Osnabrück verscherte der Mann in Weiß, dessen Hände garantiert nie mehr durch Arbeit verunrei- nigt werden dürften, daß der wahre Lohn der Schufterei ein i d e e l l e r sei und Ausschluß vom irdischen Reichtum den Zugang zum himmlischen garantiere. Den I n t e l l e k- t u e l l e n in Köln und München wurde bestätigt, daß sie richtig lägen, die Erkenntnis der Welt und die Berichterstattung über sie der P a r t e i l i c h k e i t des gerechten Standpunkts zu unterwerfen. Für die Alten im Liebfrauendom der bayrischen Hauptstadt hatte er den T r o s t im Gepäck, sie seien zwar vom L e b e n kaputtgerichtet worden, aber sie könnten deswegen vom Glück reden, weil dadurch der T o d für sie wirklich E r l ö s u n g sei. Und selbst als der Stellvertreter Gottes auf Erden die K r ü p p e l in Mainz mit dem Spruch verhöhnte, ihre L e i d e n seien ein Geschenk Gottes und besonders innerer Aus- druck seiner Liebe, kam niemand auf die Idee, sich einen Himmels- herrn abzugewöhnen, der so abwegigen Liebespraktiken frönt, deren schönster Ausdruck die Zufügung von Q u a l e n ist. Das alles salbungsvoll gesagt, aber nicht originell. Profaner, wenn auch unter gelegentlicher Berufung auf Höheres, erfahren die Betroffe- nen Zuspruch und Bescheid auch von den irdischen Instanzen, die von der Opfer- und Durchhaltebereitschaft ihren Reichtum und ihre Macht beziehen und sich dabei auf die willfährige und für beide Seiten lohnende Speichelleckerei der Intellektuellen verlassen können. Das Verhältnis Staat und Kirche ist somit nicht nur hier- zulande ein ideale G e m e i n s c h a f t des Glaubens mit der Macht, wobei der Glaube die Macht ideell unterstützt und diese jenen mit materielle Mitteln ausstattet. Deshalb hat die Kirche, deren Reich nicht von dieser Welt ist, mit ihren Staaten in der Regel kein Problem, weil sich Herrschaft und Gehorsam mit dem Glauben nicht nur vertragen, sondern eins das andere wechselsei- tig fördert. Selbst im F a s c h i s m u s gedeiht diese Sym- biose: In Italien und Spanien war der Katholizismus Staatsreli- gion, und im Dritten Reich zeigten sich die Kirchenoberen von den neuen Herren erst dann "enttäuscht" als der Führer neben seiner P e r s o n keinen Glauben mehr dulden wollte. Heutzutage läßt sich an P o l e n studieren, wie Mutter Kirche den realen So- zialismus als Bündnispartner einspannt und ihm zugleich und mit seinem zähneknirschenden Segen ideologische Konkurrenz macht. Wojtylas Polenbesuch war zwar bisheriger Höhepunkt, jedoch nur eine Station der weltweiten Offensive des Glaubens unter dem Motto: Nie war er so notwendig wie heute! In Südamerika lieferte der Papst flammende Bekenntnisse zur Unantastbarkeit imperiali- stischer Gewalt, indem er ausgerechnet die elendsten ihrer Opfer zur Gewaltlosigkeit beschwor. Und nächstes Jahr im Februar will er den Philippinen seine Heiligkeit live bescheren. Noch verhan- deln die Emissäre des Vatikan mit Ferdinand Marcos über die Moda- litäten einer solchen Reise, damit sie den optimalen Ertrag er- bringt für den Oberhirten aller katholischen Philippinen und den getauften Faschisten an der Macht, der diese vor allem dazu nützt, den Reichtum seiner Familie zu mehren und die aufmüpfige moslemische Minderheit zu dezimieren. Wie schön, daß Johannes Paul II. die weite Reise und die Kosten (eine so blöde Kritik kommt da unten sicher nicht auf!) nicht scheut, um auch hier die Botschaft der Liebe und des Friedens seines Herrn und Meisters zu verkünden. Aus u n s e r e m Munde wäre es Blasphemie, ihm für sein Unterfangen "Gottes Segen!" zu wünschen. So rufen wir i h m dennoch ehrlichen Herzens nur den bei s o l c h e n Anlässen üblichen W u n s c h zu: Hals- und Beinbruch, Heiliger Vater! zurück