Quelle: Archiv MG - BRD KIRCHE - Vom Mißbrauch des Verstandes durch den Glauben


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       Der Papst in Polen
       

EIN KREUZZUG IN SACHEN FREEDOM AND DEMOCRACY

Zum dritten Mal hat nun der Stellvertreter Gottes Polen heimge- sucht. Dieser Staat ist das bevorzugte Reiseziel von Karol Woj- tyla nicht nur deshalb, weil dort sein unaufhaltsamer Aufstieg zum Katholikenchef begann. In seiner Heimat trifft seine antikom- munistische Hetze auf ein Publikum, bei dem religiöser und natio- nalistischer Fanatismus für die passende Massenhysterie sorgen. Die Unverschämtheit, mit der Wojtyla während seines letzten be- suchs wie das eigentliche Staatsoberhaupt auftrat und die eh nicht reichlich gesäten Mittel des polnischen Staates in Anspruch nahm, um gegen den selben predigend zu hetzen, hat den Revanchis- mus unserer Berufsvertriebenen in den Schatten gestellt. Um so ungestört die Bevölkerung gegen ihre Regierung aufwiegeln zu kön- nen, muß man schon Kuttenträger und vom Schlage eines Karol Woj- tyla sein. Der weiß nämlich ganz genau, wann und wo er von seinen Schäfchen Gehorsam gegenüber ihrer Herrschaft verlangen muß und wann und wo Unduldsamkeit gefordert ist. Wo sich Staaten den Prinzipien des Freien Westens verschrieben haben, ist jedes Elend, das sie ihren Untertanen bereiten, ein Grund, es gottgefällig hinzunehmen. Wi- derstand gegen die Staatsgewalt, mit deren Vertretern der Papst Privatmessen feiert und vertraulich diniert, ist dagegen "Gewalt", und die steht in Argentinien, der BRD und Chile aus- schließlich den Alfonsins, Kohls und Pinochets zu. Keine Ausbeu- tung, kein Hunger und keine Schlächterei kann in diesen Weltge- genden die "Würde des Menschen" so sehr verletzen, als daß es nicht mit einer höchst diplomatisch vorgetragenen päpstlichen Mahnung an die Diktatoren bzw. mit Glückwünschen an die Macher einer demokratischen Herrschaft einerseits und mit ganz dringli- chen Aufforderungen an die christlich-friedfertige Schafsnatur zum Aushalten andererseits erledigt wäre. Nicht so in Polen. Daß dieser Staat prinzipiell kein Existenz- recht hat und daß dort Katholizismus gleichbedeutend zu sein hat mit Ungehorsam und Aufruhr gegen das sozialistische System, hat der Papst auf seiner letzten Reise den Polen wieder einmal über- deutlich ins Glaubensbekenntnis geschrieben. Was der polnischen Bevölkerung vor allem fehlt, soll die "Freiheit der Kirche" sein, behauptet ausgerechnet ein Wojtyla, dessen Predigten per Fernse- her bis in den letzten Winkel der Volksrepublik übertragen wur- den, dem die sozialistische Regierung die größten Plätze der Re- publik zu Verfügung stellte, dem offiziell erlaubt wurde, sich in aller Freiheit mit dem Führer einer "verbotenen" Gewerkschaft ab- zusprechen und zu dessen Schutz die gesamte polnische Polizei be- reitstand. Mehr Freiheit für seinen christlichen Hokuspokus hat der Oberhirte nicht einmal im Vatikan. Bloß: Unter Freiheit der Kirche i n P o l e n versteht der Ho- hepriester aus Rom mehr als nur das ungestörte Abziehen der Je- sus-Christus-Dein-Erlöser-Show. von Anfang an machte Wojtyla klar, daß seine Anliegen in Polen diesseitiger und handfesterer Natur sind - wofür also 'Freiheit der Kirche' dort zu steht hat: - Ausgerechnet in Polen fällt dem Pfaffen die "Würde des Arbei- ters" ein, die er durch polnische Schichtarbeit verletzt sieht. Hat er denn so schnell vergessen, daß er bei seiner kürzlichen BRD-Visite die Kumpels im Schalke-Stadion ebenso zutiefst wie be- wußt folgenlos dafür bedauert hatte, daß weder auf ihre Tag- noch auf ihre Nachtarbeit mehr Wert gelegt wird? Oder ist Schichtar- beit einfach immer dann gottgefällig, wenn sie unter kapitalisti- schen Bedingungen abgeleistet wird? - Ausgerechnet in Polen predigte der Papst gegen Frauenarbeit. Sollte denn dieser ausgewiesene Frauenfreund noch nie etwas von Frauenarbeitsplätzen in der freien und sozialen Marktwirtschaft gehört haben? Oder sind die deshalb so schlimm, weil Frauen hier- zulande sowie bloß als Leichtlohnarbeiter bezahlt werden und an- sonsten als Reservearmee mit all den erlesenen Feinheiten des ar- beitsministeriellen Einfallsreichtums behandelt werden? - Und ausgerechnet in Polen fällt dem Pfaffen ein, daß "die Men- schen nicht danach streben, Objekt von oben kommender Aktivitä- ten, sondern Subjekte im gesellschaftlichen Leben zu sein." Soll das eine Kritik an den einsamen Ex-Cathedra-Entscheidungen des vatikanischen Politbüros altersstarrer Kurienkardinale sein, die von allen Kadern der katholischen Kirche linientreu zu befolgen sind? (Wir sagen nur U. Ranke-Heinemann!!) Oder will er nur seine Polen daran erinnern, daß ihr heil im Westen liegt, wo nach gül- tiger NATO-Doktrin alle Grundwerte von unten nach oben marschie- ren? Je dreister die Hetze, desto mehr kommt seine Botschaft an. Und je genauer Wojtyla mit seinem christlichen Brimborium zur Sa- che kommt, desto sicherer kann er sich des beifalls seiner ver- blödeten Landsmannschaft sein. Für die sitzt nämlich der kommuni- stische Antichrist - genauso wie für den Vatikan - in Moskau. Den rechten Fingerzeig, vor wem man sich zu fürchten hat, gab Woj- tyla, als er das Opfer eines zwar zaristischen, aber r u s s i s c h e n Soldaten selig sprach. Das zu verkündende Feindbild kam todsicher an. Wie weit es die vereinten Anstrengungen der westlichen Demokra- tien und der internationalen Pfaffenschaft bei der Aufweichung Polens schon gebracht haben, das zeigt die Arroganz, mit der der Papst die Volksrepublik unsicher machen durfte. Er bewegt sich da in einem kaum noch sozialistisch regierten Staat, wo die Kirche längst eine totale Nebenherrschaft errichtet hat. Von christli- chen Bauerngemeinden bis zu einem erzkatholischen Presse- und Bildungswesen, von einem eigenen westlich gesponsorten Finanzap- parat bis zu einer militanten Pfadfindertruppe verfügt die Kirche über alle Mittel eines Staates im Staate. Und den hat Wojtyla mo- ralisch aufgerüstet. zurück