Quelle: Archiv MG - BRD KIRCHE - Vom Mißbrauch des Verstandes durch den Glauben
zurück Oh Gott, der Papst kommt!DIE MACHT DES GLAUBENS IST DER GLAUBE AN DIE MACHT
Das hat gerade noch gefehlt: auf seiner 217. Tournee versammelt der himmlische Chefhirte wieder seine österreichischen Schafe um sich. Die Brüder und Schwestern in Christo denken gar nicht daran, ihren süßen Glaubensgeheimnissen unter sich zu fröhnen. Eine Woche lang okkupiert der Papst das Fernsehen, schwebt mit Düsentrieb und Helikoptern durch die Lüfte und rollt samt Body- guard in Papamobilen von einem Teach-in zum nächsten. Wunder ist das keines. Zum einen glauben nicht wenige allen Ernstes, der Pole Karol Wojtyla wäre mehr als das; nämlich der Platzhirsch des personifizierten Jenseits auf Erden. Zum anderen und vor allem erfreut sich dieser Geschäftsführer einer weltweit mit Erfolg agitierenden Sekte der herzlichsten Anerkennung durch die amtie- renden Staatsmänner. Die Herrschaften wissen eben, was sie an der heiligen Dreifaltigkeit haben. Kirche und Staat: Ein funktionelles Verhältnis ---------------------------------------------- "So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist" (Matthäus-Evangelium) Der Papst hat keine Legionen mehr und die Scheiterhaufen der hei- ligen römischen Inquisition sind längst erloschen. Dennoch braucht der Pontifex maximus bei seinen Shows kein müdes Wunder zu wirken, um seinem Chef Anhänger zu agitieren. Da stünde er samt seiner Kirche schön blöd da. Kein Hahn würde nach ihm krä- hen, müßte er, von Präsidenten und Kanzlern ignoriert, wie wei- land Jesus auf einem Grautier durch die Lande ziehen und, in Kon- kurrenz mit Yogis und Sterndeutern, um Gefolgschaft buhlen. Für die wunderbare Ausstrahlung des Papstes sorgen ganz und gar irdi- sche Instanzen. Seine Auftritte sind Staatsinszenierungen, und der pompöse Einsatz von Technik und Staatsgewalt bürgt für die Autorität des geistlichen Großmeisters. In diesen Genuß kommt nicht bloß der heilige Papa, sondern der gesamte katholische Funktionärsstab. Den politischen Herrschaften sind die Kirchen, die die Schafsnatur des Christenmenschen, den Sünder, der überhaupt und vor Gott schon gar nichts ist, predi- gen, gerade recht. Gläubigen Christen, denen der liebe Gott die Notwendigkeit des Opfers und die Willfährigkeit gegenüber der Ob- rigkeit aus der Menschennatur der Gotteskindschaft weismacht, sind keine schlechten Untertanen. So stützt und hofiert die Poli- tik die Kirchen, die mit ihrem Glauben organisiert einen funktio- nalen Beitrag zur rechten Moral der Staatsbürger leisten. Dafür schließt der Staat sogar Verträge (Konkordate) mit ihnen, spen- diert reichlich öffentlich-rechtliche Sendezeit, hängt Kruzifixe in Schul- und Gerichtsstuben, subventioniert Konfessionsschulen sowie tausende Kultstätten samt Personal und lädt zu jedem Staatsakt ein bis zwei Bischöfe ein. Die Kirchen hinwiederum sind sehr froh über die gewichtige Rolle, die ihnen der Staat einräumt. Sie wissen sehr wohl, daß ihre Macht mit all den Mitteln, die dazu gehören, ihre Autorität in der Öffentlichkeit nicht vom Organisationsgrad der (aktiven) Gläubigen abhängt, sondern von der Anerkennung durch die weltli- chen Herrschaften. Ihre gesellschaftliche Bedeutung, ja ihre Exi- stenz verdanken die Kirchen ihrer Funktionalität für das demokra- tische Staatswesen, die von oben gewürdigt und belohnt wird. Ohne diese Anerkennung als Institution im Staate wäre die Nützlichkeit der christlichen Moral für die Kirchen wenig wert. Man stelle sich Gestalten wie Groer oder Krenn vor, wie sie als einfache Gottesmänner, ohne Fernsehen und politische Unterstützung mit ei- ner Agitationstruppe das Evangelium zu den Menschen draußen im Lande tragen! So aber, da die Kirchen etwas gelten im Lande (die K-Christen ha- ben hierzulande die Nase vorne), beweisen sie nicht nur mit ihrer Glaubensideologie, daß sie auf diesen Staat stehen, sondern sie erweisen auch, wo sie nur können, ihre Hochachtung vor der poli- tischen Macht, der sie als moralische Sittenwächter hilfreich zur Seite stehen. Den Staat im Rücken und eine gesunde Institution unter den Füßen läßt sich gut predigen oder Pressekonferenz ma- chen. Nichts fürchten die geweihten Manager der Kirchen mehr - nicht einmal den Teufel, dem sie mit Weihwasser oder umweltfreundliche- ren moralischen Giftspritzen zu Leibe rücken - als die Degradie- rung der Kirchen zu reinen Glaubensgemeinden. Dahin möchten sie ungern zurück, unsere Diener des Herrn in Demut: Wie der Jesus selig mühsam mit Bergpredigten und ab und zu einem kleinen Wunder Leute vom Glauben begeistern zu müssen; und dann noch Kreuzestod, um den - unsicheren - schlagenden Durchbruch zu schaffen...! Da schon lieber bei einem Empfang den Herrgott bzw. ähnlich hochge- lagerte Größen r e p r ä s e n t i e r e n oder in einer Fern- sehdiskussion den Kopf schieflegen und aus Matthäus am Letzten ableiten, daß die Kirchen auf keinen Fall "ins Privatrechtliche" zurückgedrängt werden dürften. Sektenführer mögen unsere Oberhir- ten gar nicht leiden, nicht einmal in sich selbst. Dann wäre näm- lich Schluß mit der Kirchenpolitik. Das für beide Seiten so ersprießliche "gute Verhältnis" von Staat und Kirche hat trotz aller Gottgewolltheit doch einen Haken. We- niger für die Herren der Politik: Die stellen schnell fest, daß sie sich ihre politische Verantwortung und Entscheidung von kei- nem abnehmen lassen, nicht einmal vom Herrgott, wenn ihnen eine kirchliche Stellungnahme oder Kritik von Gläubigen einmal nicht paßt. Aber die so fein mit der Politik verknüpften Kirchen haben gerade damit das Problem, daß mancher moralisch einwandfreie Bür- ger in Friedenszeiten keine Lust hat, außer zum Wählen auch noch zum wöchentlichen Gottesdienst zu gehen. Es ist nämlich eigent- lich nicht einzusehen, warum für das Lob des Staates, für den Aufruf zur Bravheit der Untertanen und für die Verkündigung der Moral des guten Staatsbürgers extra Gottesmänner mit einem Kreuz auf der Brust Propaganda machen sollen, die doch die Politiker und ihr demokratisches Propagandaministerium, die öffentliche Meinungsbildung, auch ohne Bibel bestens beherrschen. Das Tolle am Papst: Ihn gibt's nur einmal! ------------------------------------------ Da kommt der römische Kuttenprinz gerade recht. Er predigt zwar auch nichts anderes - geschweige denn klügeres - als der letzte Dorfpfarrer im Hochamt. Das aber - und darauf kommt es an - ver- sehen mit dem Schein der Einzigartigkeit. An der Wertschätzung, die ihrem Anführer durch die Staatsmacht widerfährt, laben sich die katholischen Gemüter. Im Alltag des Christenlebens kommt eben die Besonderheit dieser bekennenden Sünder - der amtierenden wie der amateurhaften - nie so recht auf ihre Kosten. In unserem schönen Land gehört es zwar dazu, daß Kurti Sterz, 33 und Schlosser, nebenbei auch noch eingeschriebener Christ ist. Aber was hat er schon davon? Der Arbeitsplatz wird nicht siche- rer, der Lohn nicht höher, die Familie nicht weniger nervend da- durch, daß er auch noch Kirchensteuer berappt und sich gar ab und zu in die hlg. Messe verirrt. Nicht einmal bei den Nachbarn kann man so recht damit angeben! Und Pfarrer August Sermon: Der hat zwar seinen gottgefälligen Ar- beitsplatz; aber eine schwangere Braut getraut, zwei letzte Ölun- gen spendiert, sieben verkaterte Morgenandachten hingelegt und dem Bürgermeister mit dem fälligen neuen Kirchendach in den Ohren gelegen - das ist für einen Agenten immerhin G o t t e s auch nicht gerade eine erhebende Wochenbilanz. Insofern ist natürlich ein Papst-Besuch mit all seiner Pracht und Herrlichkeit ein Höhepunkt im Leben praktizierender Katholiken. Sie sind halt, was Wunder, als Spezialisten in Sachen berechnen- der Knechtsnatur dem Zauber aufgeschlossen, daß sich zumindest ihr oberster Repräsentant in der weltlichen Würdigung suhlt, die ihnen, das ist wohl Gottes Wille, ihr Lebtag lang schnöde vorent- halten wird. Solche Höhepunkte im Christenleben - den Papst per- sönlich gesehen, nach ein wenig Gerempel mit älteren Damen viel- leicht sogar am Ärmel gezupft - haben freilich ihre glaubensimma- nente Kehrseite. Der schlichte Christ, der sich ja, bescheiden wie er ist, vor den Augen des Herrn nicht geringer denkt als sei- nen Kirchenfürsten, fühlt sich ein wenig versetzt und verletzt. Während er der hlg. Sache unter Opfern im stillen dient, hat der Papst eine Publicity, die jeden US-Popstar in den Schatten stellt. Gelernte Heuchler, die Christen nun einmal sind, stellen sie sich daher öffentlich die Frage, inwiefern der "Papstrummel" dem "echten" Glauben nützt oder ihm nicht vielmehr Schaden zu- fügt. Die Antwort fällt notwendig zweischneidig aus. Einerseits wollen sie sich dem Faszinosum nicht entziehen, daß der Papst halt ihr Papst ist und einen Tango hermacht, den sie in ihrem christlichen Werkeltagsleben nie und nimmer hinkriegen (+); ande- rerseits geben sie zu bedenken, daß ihr Star nach fünf Tagen ja wieder weg ist und das nicht alles gewesen sein kann (-). Neben Erbauung und Genugtuung mit drei selbstzufriedenen u stiftet so ein Papstbesuch also auch ein wenig böses Blut in der unteren Kirchenhierarchie. Diese kleinen Wallungen, in Schwung gebracht von bescheidener Selbstgerechtigkeit und blankem Neid, sollen die Christenseelen untereinander ausmachen; geübt darin sind sie ja. Bedenklicher und erklärungsbedürftig ist jedoch, daß sich die Faszination des Papstes ganz und gar nicht auf notorische Kir- chengeber beschränkt Der Sumpf des Christentums: Staatsbürgermoralismus -------------------------------------------------- Auch auf ganz normale Menschen macht der Aufwand Eindruck, mit dem hier ein geistlicher Führer von den weltlichen Mächten ho- fiert wird. An ihm merken sie, demokratisch geschult, daß hier zweifellos einer ist, der e t w a s z u s a g e n h a t. Was seine Heiligkeit dann predigt, das kommt auch Staatsbürgern, die sich nicht zum Herrgott-Glauben entschlossen haben, altvertraut vor. Der Papst hütet sich schwer, die Menschheit mit neuen Be- oder gar Erkenntnissen vor den moralischen Kopf zu stoßen. Sein Erfolgsrezept geht anders herum: Er, die erlauchte Prominenz, t e i l t alle Sorgen, die die Leute nur zu gut kennen. Genauer gesagt teilt er die Methoden ihrer kindischen Deutungen, mit denen es sich in den demokratischen Kapitalismus geistig einhau- sen läßt. Wer verstünde sich nicht auf die billige Übung, die schlechte Wirklichkeit mit dem frommen W u n s c h zu begleiten, sie sollte aber eigentlich besser sein? Welche über die Diskrepanz von Wunsch und Wirklichkeit lamentie- rende Seele wüßte für diesen Mißstand nicht S c h u l d i g e zu benennen: im Normalfall "die" oder "den" Menschen, der mit seinem niederen Treiben das schöne Ideal eines bleiben läßt? Wer von diesen Richtern über die Menschensau nimmt nicht s i c h von diesem verächtlichen Generalurteil ein wenig aus? Und schließlich, wenn man seinen Verstand schon so weit ruiniert hat, daß jedes Urteilen durch ein moralisches Rechten ersetzt ist: wer kommt schon umhin, sich an der für die werte eigene Per- son geltend gemachten Ausnahmeerscheinung ein wenig zu b l a m i e r e n und letztendlich e i n z u b e k e n n e n, daß man auch selbst nicht ohne Fehler ist? Dieser kleine Kunst- griff der Selbstbezichtigung sorgt dann erst für ein so richtig gutes Gewissen beim moralischen Abkanzeln des Rests der Welt. Diese T e c h n i k e n d e r M o r a l, mit denen sich ein moderner Staatsbürger seine Erfolglosigkeit zurechtlegt und brav dabei bleibt, beherrscht der Papst aus dem Effeff. Nichts als sie verströmt er in seinen Predigten und verziert sie mit der außer- irdischen Weihe, daß ihre redliche Beobachtung G o t t ein Wohlgefallen ist. Das macht den Papst so m e n s c h l i c h. Für die Gnade, daß sich der Papst höchstpersönlich so rührend um die Sorgen der "kleinen Leute" kümmert, verlangt er gar nicht viel. Die Menschheit soll nur umgekehrt auch ein wenig für seine Sorgen Verständnis entfalten: das gottgewollte Leben nicht mit Empfängnisverhütung durchkreuzen; die Armut g l ä u b i g er- tragen; Gott und die Kirche ehren. Auf dieser Geschäftsgrundlage kommen der unfehlbare Pole und auf- geklärte Staatsbürger gut miteinander zurecht. Der eine liefert den anderen den heiligen Geist zu ihrer stinknormalen Staatsbür- germoral, was ihm die mit Respekt vor ihm und seinem Glaubensver- ein danken. Eine richtig harmonische Dreifaltigkeit freilich wird daraus erst durch die S t a a t s g e w a l t, die beides zu schätzen weiß. Lektüretips zum Thema: Gegenstandpunkt: Vom christlichen Glauben, in: MSZ 7,8/1984 Vom schädlichen Unsinn der Sinnfrage, in: WHZ 9/9. Jg. (9.12.1987) Die Lust am Spinnen: Astrologie, Mythen, Magie und andere Hits aus dem Jenseits, in: WHZ 20/9. Jg. (7.6.1988) Die Psychologie des bürgerlichen Individuums (Broschüre) *** Gotteslästerung - ein Tatbestand, --------------------------------- Christen lassen auf Gott, das Geschöpf ihres Glaubens, nichts kommen. In zivilisierten Demokratien wird die Ehre des Herrn so- gar unter Schutz gestellt: wer unflätig vom Herrn daherredet, kriegt es mit der Obrigkeit zu tun, die auf G e w a l t und nicht auf G l a u b e n beruht. Es soll ja Zeiten gegeben haben, wo der Allmächtige den Ungläubi- gen mit Erscheinungen und Wundern gekommen ist. Heutzutage er- scheint einem "herabwürdigenden" Heiden kein brennender Busch, geschweige denn die Jungfrau Maria persönlich, um ihn zu bekeh- ren. Da sind wir aufgeklärt; Polizei und Justiz pressen dem Ket- zer kein gläubiges Bekenntnis ab, sondern ahnden strikt rechts- staatlich einen Gesetzesbruch. Wenn der irdische Souverän es so will, kann man dann ein halbes Jahr in der Zelle darüber nachden- ken, daß man die Liebe Gottes nicht ungestraft verschmäht. Der Staat schützt eben die Funktionalität des Glaubens für die Macht und sorgt mittels Strafrecht für Respekt vor dem höheren Wesen, das ihm so hilfreich zur Seite steht. *** "Jeder leistet den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Got- tes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen. Vor den Trägern der Macht hat sich nicht die gute, sondern die böse Tat zu fürchten; willst du also ohne Furcht vor der staatli- chen Gewalt leben, dann tue das Gute, so daß du ihr Anerkennung findest. Sie steht im Dienst Gottes und verlangt, daß du Gutes tust. Wenn Du aber Böses tust, fürchte dich! Denn nicht ohne Grund trägt sie das Schwert. Sie steht im Dienste Gottes und vollstreckt das Urteil an dem, der Böses tut. Deshalb ist es not- wendig, Gehorsam zu leisten, nicht allein aus Furcht vor der Strafe, sondern vor allem um des Gewissens willen. Das ist auch der Grund, weshalb ihr Steuern zahlt; denn in Gotts Auftrag han- deln jene, die Steuern einzuziehen haben. Gebt allen, was ihr ih- nen schuldig seid, sei es die Steuer oder der Zoll, sei es die Furcht oder die Ehre." (Paulus im Römerbrief) zurück