Quelle: Archiv MG - BRD KIRCHE - Vom Mißbrauch des Verstandes durch den Glauben
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Münchner Hochschulzeitung Nr. 1, 12.11.1980
OFFENER BRIEF AN DIE DEKANE
DER NATURWISSENSCHAFTLICHEN FAKULTÄTEN
Betrifft: Staatsbesuch des Papstes zu München
Spectabiles!
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Gestatten Sie mir, gerade Sie als Naturwissenschaftler anläßlich
des Besuchs eines Pontifex Maximus - allein dies ein ehrenrühri-
ger Affront gegen die solide Ingenieurkunst des Brückenbaus - an
den in jüngerer Zeit arg in Vergessenheit geratenen Gegensatz
zwischen Glaube und Wissenschaft zu erinnern. Schon die Wahl des
Kölner Flughafens W a h n als Ausgangspunkt seiner Deutsch-
landreise intoniert ja dieses Thema. Wie nämlich könnte der Papst
schöner zeigen, daß seine Seligsprechungen den "Armen im Geiste"
(Mt 5,3) geleiten, wie besser seine "missionarische Absicht" be-
kunden, "als Zeuge dieses Glaubens" einen deutschen Kontrapunkt
zum Denken zu setzen?
Lassen Sie sich also durch die Wiederaufnahme des Prozesses gegen
Galilei nicht täuschen. Geändert haben sich nur die F o r m e n
der Inquisition, nicht ihr Anspruch. Mußte damals Galilei frei-
lich g e z w u n g e n werden, "knieend vor zehn Kardinälen"
seine Erkenntnisse zu widerrufen applaudieren heutige Wissen-
schaftler freiwillig und im Sitzen, weil seine Heiligkeit ihre
Zuständigkeit für die Wissenschaft als höflicher
F e s t r e d n e r anmeldet: "Die Wissenschaft ist nicht das
höchste Gut", sondern "ethische Normen haben Vorrang".
Als Naturwissenschaftler wissen Sie, daß der Vorrang einer ethi-
schen Norm in einem physikalischen Gesetz eine contradictio in
adjecto ist. Sie sollten sich also wirklich zu schade sein, die-
sem Wissenschaftsfeind die Tür offen zu halten. Wenn der Papst
wiederholt - "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich bin die Tür
zu den Schafen" (Joh 10,27) -, dann hat er schon recht, und ge-
rade deswegen ist es Ihre wissenschafttiche Pflicht, dagegen ein-
zuschreiten. Oder wollen Sie tatenlos zusehen, wenn der Papst
z.B. in Altötting der Maria seine Refererenz erweist. Daß dies
durch die Anbetung eines hölzernen Bildes geschieht, ist nur kon-
sequent, steht der Holzkopf doch für Wahrheiten, die einem men-
schlichen bloß einfallen, wenn er Logik mit Logos verwechselt. Es
sei deshalb an die wissenschaftlichen Kongresse erinnert, denen
wir diese Geistes-Taten verdanken: Überschattet von einem Vogel
namens Hl. Geist bringt nämlich Maria einen recht monströsen Lo-
gos mit zwei Naturen in einer Person (Chalkedon 451) zur Welt
(Ephesus 431), der als Gott (Konstantinopel 381) zugleich ihr Va-
ter ist und bleibt bei alledem unbefleckte Jungfrau (Theorem von
der Ohrzeugung 1854), wofür sie 1950 leiblich in den Himmel auf-
genommen wird. Meine Herren, auch und gerade das Treiben dieses
Gegners eines logischen Schlusses in München muß Ihnen - so hoffe
ich - erst recht zuwider sein. Mit magischen Formeln veranlaßt
der Papst hier bei der Messe den Herrn der Welt alles stehen und
liegen zu lassen und sich mit Fleisch und Blut in Oblaten und
Wein einzunisten, damit er anschließend als sakrale Rohkost an
das verehrte Publikum verteilt werden kann. Das Ganze hat aber
einen Haken: Beruht dieser Glaube an die Transsubstantiation auf
Wahrheit, dann liegt es nahe, diese Praktiken für recht dégou-
tant, wenn nicht gemeinschaftlich vollzogenen Kannibalismus zu
halten, mit der blasphemischen Konsequenz, "daß wir ihn ausschei-
ßen und auspinkeln", wie schon Voltaire bemerkte. Falls nicht,
handelt es sich zumindest um Betrug.
Ziehen wir das Fazit aus den Darbietungen des Hl. Vaters, dann
steht fest, daß Sie sich nicht mit Frack und Verdienstorden als
Staffage für seinen Triumphzug hergeben sollten. Denn Wunder sind
von dem gesalbten Polen keine zu erwarten, ganz im Gegensatz zu
seinem Chef. Wo der hinlangte, standen Tote auf oder es gab we-
nigstens was Reelles zu futtern. Zu guter Letzt, bei der Himmel-
fahrt, benutzte er einen monumentalen Paternoster, eine reife
technische Leistung zu der Zeit. Und womit reist sein Nachfolger?
Mit einem "umgebauten Jeep, in dem der Papst von innen ange-
strahlt wird". Wenn er sich schon als "Funke des Geistes" feiern
läßt, könnte er wenigstens selber strahlen - und nicht bloß
über's ganze Gesicht, wie man das von ihm bis zum Überdruß
gewöhnt ist. Aber selbst zur Demonstration seiner Erleuchtung ist
er offenbar auf OSRAM angewiesen!
Meine Herren Dekane, sollten Sie jetzt noch einwenden, allzu
ernst und wörtlich dürfe man die Lehre und die Praktiken der Kir-
che nicht nehmen, denn immerhin sei sie als Institution ganz
nützlich, dann enttäuschen Sie mich wirklich. Worin anders als in
seiner Lehre besteht denn dieser Glaube? Und wie können Sie Dinge
für nützlich erachten, die Sie in der Wissenschaft nie gelten
lassen würden?
In diesem Sinne stimmen Sie mir sicher zu, der vorlesungsfreien
Tag so zu nutzen, Ihre Studenten zu einer Demonstration gegen den
Papstbesuch unter Ihrer Leitung anzuhalten. Oder sollte es
wirklich schon so weit gekommen sein, daß sich Naturwissenschaft-
ler jeden Zauber gefallen lassen?
In der Hoffnung auf gute Zusammenarbeit
Anselm Kreuzhage
Präsident des Konvents der LMU
(Liste Marxistische Gruppe)
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