Quelle: Archiv MG - BRD KIRCHE - Vom Mißbrauch des Verstandes durch den Glauben
zurückDER 93-JÄHRIGE NELL-BREUNING,
Professor und "Nestor der katholischen Soziallehre" hat seine hohe Reputation unlängst dazu genutzt, in die Stimmungsmache ge- gen die "aufschwungsfeindliche" Forderung der Gewerkschaft nach der 35-Stunden-Woche einzusteigen. Aber natürlich nicht einfach mit Staats- oder Unternehmerargumenten, sondern in cleverer An- spielung auf den moralischen Idealismus der Gewerkschaft selbst. Dieser kämpferische Alt-Paffe und Immer-noch-Agitator, auf den sich übrigens in seiner 1. Mai-Rede DGB-Chef Breit als Anwalt der Gewerkschaft meinte berufen zu können, verlangt von den Noch- "Arbeitsplatzbesitzenden" folgendes "Angebot" an ihre "arbeitslosen Kollegen": 'Wir, die wir das Glück haben, in Arbeit und Verdienst zu stehen, treten von unseren 40 Wochenstunden fünf an euch ab und geben euch damit die Gelegenheit, euren Familien Unterhalt durch eigene Arbeit zu verdienen. Bisher sind wir dafür aufgekommen; über un- sere Lohn-, Mehrwert- und anderen Steuern, unsere Sozialbeiträge und anderes mehr haben wir auf vielerlei Wegen und Umwegen die Mittel aufgebracht, um euch über die arbeitslose Zeit hinwegzu- helfen. Das läßt sich viel einfacher, durchsichtiger, ganz unbü- rokratisch, echt solidarisch machen: Hinfort übernehmt ihr die fünf Wochenstunden mit deren Lohn. Wie wir diese uns entfallenden Löhne wieder hereinbringen, das laßt unsere Sache sein; nehmt ihr uns nur erst einmal die fünf Stunden Arbeitslast ab.' Um dann folgende Philippika gegen die Gewerkschaft vom Stapel zu lassen: "Leider hart man in der geräuschvollen politischen Diskussion kein solches Angebot, sondern die knallharte Forderung der 35- Stunden-Woche 'mit vollem Lohnausgleich'. In die Sprache des An- gebots übersetzt lautet das so: Wir sind so gnädig, euch Ar- beitsstunden zu überlassen, aber - wohlverstanden! - der Lohn für diese Stunden bleibt uns; ihr tut die Arbeit, das Geld, den Lohn dafür behalten wir!' Ein solches Angebot kann man doch nur als Hohn empfinden; eine solche Haltung ist klassenkämpferisch ausge- sprochenermaßen Klassenkampf von oben, nicht mehr 'Produktionsmittelbesitzer' gegen die von Produktionsmittelbesitz entblößten Nur-Lohnarbeiter, sondern der Klasse der Arbeitsplatz- besitzer gegen die Klasse der von Arbeitsplatzbesitz entblößten Nur-Arbeitslosen. Die Gewerkschaften müssen sich manchmal vorwer- fen lassen, Solidarität bedeutet bei ihnen nur Kampfgemeinschaft der Starken liegen gemeinsame Gegner. Hier hätten sie eine ein- zigartige Gelegenheit gehabt, diesen Vorwurf schlagend zu wider- legen; schade um den Gewinn an moralischem Prestige, den sie sich hier haben entgehen lassen." An manch einer Stelle seiner Darlegungen könnte man meinen, jetzt sei er endgültig verkalkt, der alte Hetzer in Christa! So wenn er in Teil 1 des Zitats faselt, die solidarisch "verschenkten" 5 Stunden "Arbeitslast" plus Lohn (den offenbar jetzt die Herren "Arbeitsplatzbesitzer" auszahlen) seien als "unbürokratischer" Ersatz für Steuer- und Sozialabgaben zu verstehen; und daß das Wieder-"Hereinbringen" der geopferten Lohnteile über zusätzliche Mehr-Arbeit läuft, sich also mit einer abgenommenen "Arbeitslast" nichts schiebt, scheint Oswald auch übersehen zu haben. Mehr noch, wenn er in Teil 2 des Zitats die absurde Vorstellung durch- spielt, die auf Basis der Arbeitszeitverkürzung neu eingestellten Leute würden keinen Lohn kriegen, weil den die "Klasse der Ar- beitsplatzbesitzer" behalten habe. Dieser Eindruck ist jedoch, wie jeder weiß, ganz und gar falsch. Der alte Herr ist eben schlicht noch immer Fanatiker der pfäffi- schen Idee einer Arbeitnehmerschaft, die in christlich-brüderli- cher Demutshaltung alle "von oben" kommenden Mühen und Plagen un- ter sich aufteilt wie weiland St. Martin seinen Mantel. Und für die Gewerkschaft sieht er die Funktion des treuen Hirten vor, der darüber wacht, daß kein Schäflein des anderen Grashalm verspeist, was ja "Klassenkampf von oben" wäre. Davon, welche "Angebote" die einzige wirklich Klassenkampf führende Klasse der vom Arbeiten- müssen "entblößten" Nur-Produktionsmittelbesitzer den Arbeitern macht, will der alte Schaumschläger nichts wissen. Er kennt eben zu gut die christliche Devise: 'Gebt den Herren, was ihrer ist!' So wie es mit bundesdeutschen Solidaritätsopfer-Gewerkschaften bestellt ist, wäre ihnen dieser Oswald wahrscheinlich als Schlichter recht - nach 2 Wochen Streiks um ihr "moralisches Pre- stige". Aber dazu ist er wohl doch wieder zu alt, denn sowas ver- langt die Kondition zu 36- bis 54-stündigem Mineralwassertrinken im Hotel... zurück