Quelle: Archiv MG - BRD KIRCHE - Vom Mißbrauch des Verstandes durch den Glauben
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Münchner Hochschulzeitung Nr. 14, 18.05.1983
KULTURNOTIZ
Herr Wojtyla erwägt, "das Verhältnis der Kirche zu Galilei nach-
träglich ins reine zu bringen." (AP vom 10. Mai) Nachdem der Va-
tikan schon seit langem zumindest de facto anerkannt hat, daß die
Erde rund ist und sich entgegen der Bibel, dem Aristoteles und
dem Augenschein um die Sonne dreht, will der Papst jetzt auch de
jure "einräumen", daß die Kirche vor 350 Jahren dem Galilei mit-
tels der damals zur Wahrheitsfindung üblichen "peinlichen Befra-
gung" eventuell "Leiden zugefügt" haben könnte. "Johannes Paul
vermied es allerdings, das Vorgehen der Kirche gegen den Verfech-
ter des Kopernikanischen Weltbilds ausdrücklich zu verwerfen."
Klar: Galileis S ü n d e, das W i s s e n ohne Rücksicht auf
Glauben und geltende Moral vorwärtszubringen, bleibt auch heute
eine - und das nicht nur in Kirchenkreisen. In einer Welt, die
n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e E r k e n n t n i s-
s e lohnend benutzt für A u s b e u t u n g und N a t u r-
z e r s t ö r u n g, geht der Glaube an die Wissenschaft
harmonisch zusammen mit dem Glauben an die höchste Zuflucht des
Irrationalismus.
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