Quelle: Archiv MG - BRD KIRCHE - Vom Mißbrauch des Verstandes durch den Glauben


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       Münchner Hochschulzeitung Nr. 2, 27.11.1979
       
       Der Papst,  der den  Mächten dieser  Welt dient, insbesondere der
       Weltmacht Nr.  1, um  seiner Kirche einen Dienst zu erweisen, hat
       es sich  zwischen seinen  Propagandareisen einfallen lassen, eine
       seiner Botschaft  (wie wenig auch immer) abträgliche Sache zu be-
       reinigen, die  aus einer  Zeit stammt,  wo die Päpste selbst noch
       Macht hatten und es im Vatikan entsprechend viel lustiger zuging:
       

GALILEI REHABILITIERT

Seitens der protestantischen Konkurrenz gibt es neben verständ- nisvollen/schadenfrohem Beifall auch ein kleines Bedenken: "Dennoch mag man der Sache nicht recht froh werden. Denn es war ja auch der Eitelkeit Galileis selbst zuzuschreiben, daß das ganze Verfahren damals in Gang gekommen ist. Darüberhinaus stellt sich die Frage: Was ist das für ein Verständnis von Kirche, nach dem es möglich bleibt, über die Erkenntnis von Wahrheit zu Ge- richt zu sitzen? Wie kommt man zu der Meinung, über die Wahrheit authentisch urteilen zu können? Von katholischen Theologen wird heute das 'Recht auf Irrtum' gefordert, nicht nur für die Kirche, sondern auch für andere. Das geht weiter als die bloße Revision eines einzigen Urteils." (Sonntagsblatt vom 18.11.79) Diese Befreiung zum Irrtum, als hätte es je ein Denk g e bot gegeben, bildet in der Tat die moderne Weltanschauuung, die zwar auch im Gegensatz zur Naturwissenschaft steht, aber sich durchaus der Sympathie der heutigen Forscherpersönlichkeiten erfreut, was den fruchtbaren Dialog von Kirche und Wissenschaft ermöglicht: Galilei: Grüß Gott, Herr Inquisitor. Ich habe schon wieder etwas Neues gefunden. Inquisitor: Wohl über die Teilchen? Die sind mir zu hoch, aber Euch glaube ich sowieso alles. Galilei (wackelt mit dem Finger): Bloß nicht dogmatisch werden dabei! Unsere Theorien sind ins Meer hinaus gebaute Dämme, die immer von neuem hinweggeschwemmt werden. - Ist in Eurem Institut übrigens schon meine kleine Arbeit gelesen worden, nämlich, daß der Jesus bei der Himmelfahrt damals in die vierte Dimension ent- wichen ist? Alles streng relativistisch nachgerechnet. Inquisitor: Teufel, Teufel. Und wir sitzen gerade an dem Nach- weis, daß diese Story zwar in ihrer tieferen Bedeutung die reine Offenbarung, ansonsten aber bloß populäre Trivialliteratur des Späthellenismus ist, und daß den Evangelisten beim vielen Ab- schreiben dieser Text aus reinem Versehen mit hinein geraten ist. Galilei: Ja, ja, der Quantensprung hat im menschlichen Hirn schon manches unvorhersagbare Phänomen erzeugt. Trotzdem sollte man den Namen des Teufels nicht mehr so nachlässig im Munde führen, denn mein Kollege Lorenz von der Biologie hat ja schon vor einigen Jahren Existenz und Sinn des Bösen evolutionstheoretisch unter- mauern können. Inquisitor: Apropos Nobelpreisträger und so. Jetzt, wo der Ein- stein gerade hundert Jahre tot ist, öh, lebendig wäre, wenn er noch unter uns weilte, aber Seligsprechung ist ohnehin vorläufig für ihn noch nicht drin: sollten wir nicht ein Zeichen setzen, dadurch daß auch die Kirche zu diesem Anlaß irgendwetwas Würdiges ... Galilei: Genau! Hab' ich schon immer gesagt, gemeinsame Sache, verschiedene Methoden, gegenseitige Anerkennung, Offenheit nach jeder Richtung - das ist der Geist echter Wissenschaft. Ich stell' mir die Sache so vor: nun, da wir die Welt von Einsteins hoher Warte betrachten können, also eh egal ist, wer wo im All um wen herumkreist, können wir diesen blöden Galileistreit mal wie- der öffentlich begraben, denn der gehört so recht in die graue Vorzeit der Physik, gewissermaßen ihr finsteres Mittelalter, das so ungefähr bis 1900 oder als Max Planck Kühn über die Schranken ... Inquisitor (faltet die Hände in der Hosentasche und denkt) Und sie bewegt sich doch! zurück