Quelle: Archiv MG - BRD KIRCHE - Vom Mißbrauch des Verstandes durch den Glauben


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       Münchner Hochschulzeitung Nr. 9, 08.02.1984
       

"RÜSTUNGSPOLITIK UND CHRISTLICHES MENSCHENBILD"

war am vergangenen Mittwoch im HS E 06 das Thema einer Podiums- diskussion zwischen geladenen Profis der christlichen Gewissens- kunde: einem Militärpfarrer, zwei evangelischen Theologie-Profes- soren, Dieter Lattmann. Daß dabei im Namen e i n g e b i l- d e t e r Prinzipien der Gerechtigkeit die Welt je - subjektiv ganz souverän in Schafe, Böcke und Probleme eingeteilt werden würde - das war nicht anders zu erwarten. Jedoch w e r es w i e tat - das war ein wahres Bäumchen-verwechsle-dich. Fand nämlich der M i l i t ä r pfarrer, der im Auftakt die menschliche Wirklichkeit n a t u r g e m ä ß konflikthaft sah, letztlich doch zu einem Wort gegen hemmungslose Aufrüstung, indem er für "Abrüstung durch strukturelle Umrüstung" plädierte, schloß der Fundamental t h e o l o g e Pannenberg den Vogel dadurch ab, daß seine Rede von der eines Geißler nicht zu unterscheiden war. Nicht nur, daß er geschlagene zehn Minuten lang haarsträu- bende Zahlenvergleiche über soffjetische Waffenüberlegenheit abkündigte und nicht genug von den Pershings kriegen kann - auch das Motto seiner Predigt war gut gewählt: Jesaja 2. Dort steht nämlich, liebe Friedensfreunde, die Wahrheit über die Pflug- scharen: "Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jeru- salem. Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen." Und Pannenberg legte das sehr fundamental aus. Ausgehend von der Feststellung, daß heutzutage die Völker sich Gottes Gesetz nicht alle beugen, zweitens von der Augustinischen Wahrheit, daß Kriege dadurch entstehen, daß die Völker den Frieden in i h r e m Sinne durchsetzen wollen, stellte er dies beides dann doch wieder nur an der Sowjetunion fest, ließ den Alten Bund im NATO-Bündnis fortleben, das, Anwalt göttlicher Gerechtigkeit, den Afghanistan- fresser bannen müsse, und verfertigt so in aller Dreistigkeit das Quidproquo von einer Interessenpartei zum überparteilichen Rich- ter. Auch Dieter Lattmann fand die SU böse, die USA aber ebenso. Die ihm gegenüber präsente Kirche hielt er für Widerstand gegen Krieg ausgezeichnet geeignet, wenn sie "christianisiert" sei, denn ge- gen den Krieg wollte er an diesem Abend im Namen der "Schöpfung" sein. Der friedlichste Teilnehmer - ein Militärpfarrer, der größte Pro- test - im Namen des HERRN, die schärfste NATO-Propaganda vom aka- demischen Protestanten. zurück