Quelle: Archiv MG - BRD KIRCHE - Vom Mißbrauch des Verstandes durch den Glauben
zurück Hans-Eckhard Bahr im Feuilleton:DAS AUFDRINGLICHE BEKENNTNIS EINES SELBSTGEFÄLLIGEN ABWIEGLERS
Zum Christfest oblag dem Bochumer Friedenstheologen Hans-Eckehard Bahr die geistliche Bescherung liberaler Zeitungsleser: Feuille- ton der Süddeutschen Zeitung, "Ahnung vom gelungenen Leben. Zur Aktualität des Franz von Assisi". - Gewagt vielleicht dieser Ein- griff in den Kirchenkalender; kühn geradezu der Vorschlag, den "poverello" aus dem 13. Jahrhundert den Heutigen anzuempfehlen; - Aber steckt darin allein nicht schon viel von dem Witz und der Pfiffigkeit, die unser Schreiber meint, wenn er uns gelungenes Leben - im Sinne des Franziskus - ahnen lassen will? Ist das nicht schon ein kleines Stück von dem überraschenden, das nicht verletzt, sondern öffnet, Brücken schlagen will? - Nein, es war nicht die krampfhafte Suche nach einem orginellen Einfall, die immergleiche Botschaft "Menschlein liebet einander!" zu verpac- ken, es drängte sich auf jedwedem, der guten Willens: "Einmal aber, zur Weihnachtszeit, läßt sich wohl die Anfrage aus Richtung Assisi und Nazareth kaum länger überhören." Anfrage Nr. 1. Hast Du schon den Kohl, -------------------------------------- Deinen Bruder in Christo, ins Herz geschlossen? ----------------------------------------------- "Machtkritik, verschmitzt vorgebracht; Spott als Zeichen der Freundlichkeit auch zu denen auf der anderen Seite. Das legt tiefe Gemeinsamkeiten frei zwischen Konfliktpartnern, das läßt Grenzen für einen Moment verschwinden, spielerisch, sanft. Daß an der Lernfähigkeit des Gegners ebensoviel zutraut wie der eigenen - das war die Überzeugung aller großen Friedensstifter. Daß die Menschen durch Heiterkeit eher verlockt werden, von Gewaltneigung abzulassen, als wenn sie dazu durch Gegengewalt gezwungen werden, das wußte Franz von Assisi ebenso wie Ghandi. Daß die Menschen der Zärtlichkeit bedürfen, die im Augenzwinkern steckt, daran hielten Martin Luther King ebenso fest wie die Frauen von Green- ham Common und wer weiß wie viele Bürger bei uns, denen es ernst geworden ist mit der Gewaltfreiheit. Das Heitere als das Gewalt- freie, das Franziskanische als das wahrhaft Politische, den Geg- ner mit Einschließende - das ist ein Zummmenhang, der aufhorchen läßt." Na, Du verbiesterter Grimmling, bist Deinem Herrscher nicht grün? Dann bist Du also selbst Schuld, wenn er mit Deiner Versaftung kalkuliert, Du bietest ihm ja nicht die Mitmensch-Hand, was soll er von Dir lernen? Kein Wunder, daß er aus Frust über vorenthal- tene Zärtlichkeit, Dir, seinem Untertan eins auf den Kopf gibt. Horch mal! Das mit dem "Untertan", das wollen wir lieber zurück- nehmen, wir sind doch alle Gottes Kinder (holderidihi) und als solche Brüder, da darf keiner was gegen den anderen haben. Das einzige, was wir uns noch erlauben wollen zu denken: vielleicht ein mündig Schaf. - Aber Vorsicht: Anfrage Nr. 2. Hast Du Dich schon selbst als Sünder bekannt? ------------------------------------------------------------ Ich, der selige Eckehard, machs Dir mal vor: Ich habe mal einem Graubündner, der sich beim Eiskaufen vorgedrängelt hat - es war Sommer -, gesagt: "Ich habe eben etwas sehr Schönes über Grau- bündner gehört", (und dabei kühl (!) gelächelt) "aber ich sage Ihnen nicht was!" Schlimm, gell? "Weiter weg von Franziskus geht's kaum". Jetzt ist es zwar gebeichtet, aber sollte uns das nicht zu denken geben: Der liebe Gott verzeiht uns armen Sünder- lein, und da wollen wir den ersten Stein erheben? Sollten wir uns da nicht lieber als die communio peccatorum bekennen, die wir sind? Anfrage Nr. 3. Glaubst Du auch feste, daß allüberall ---------------------------------------------------- die Liebe das Böse besiegt, und nur das zählt? ---------------------------------------------- "Die schöne Regel zuallererst: das feindliche Gegenüber nicht substantiell schon, von Natur aus friedensunfähig zu wähnen, son- dern gerade auszugehen von den Überlebensängsten des anderen. Au- ßenpolitik, die freidlich sein will - müßte sie nicht versuchen, die andere Seite Schritt für Schritt von ihrem Trauma zu lösen, um den anderen wieder politikfähig zu machen, berechenbar für die eigene Seite, gerade zum Nutzen der eigenen Sicherheit?" Sicher, die Russen sind böse, nicht politikfähig, unberechenbar und bedrohen unsere Sicherheit. Das sagt zwar auch der Reagan, aber wir müssen unsere mündigen Feinde lieben, damit wir das Böse überwinden. Das ist unsere christliche Botschaft an die Außenpo- litik, die unsere christlichen Bruder machen müssen, dafür brau- chen sie ganz viele Streicheleinheiten. Weil das die christliche Botschaft ist, gibts für den Christen auch nur eines, sich dazu bekennen und auf die Kraft der Liebe zu setzen. Und alles was passiert, ist höchstens die noch sehr unvollkommene Befolgung des Gebots der Feindesliebe, aber der Sündenfall läßt sich nun mal nicht aus der Welt schaffen. Anfrage Nr. 4. Widerstehst Du Deinen Glaubenszweifeln ----------------------------------------------------- und denen, die sie in Dir schüren? ---------------------------------- "Allerdings, dieses Christentum, das postmilitaristische, nun endlich Franziskus etwas nähere, es ist noch ganz jung, hat kaum begonnen, sich zu entwickeln. Aber wenn ich sie vor mir sehe, die vielen kleinen Gruppen in den Kirchengemeinden, die 70jährige Frau bei der weihnachtlichen Mahnwache und die jungen Männer, dann sehe ich: Die Niederlagen franziskanischer Bewegungen, der Tod der Friedensstifter von Jesus bis Ghandi, vom Baptistenpfar- rer bis zum salvadorianischen Bischof Romero - sie sind noch nicht das Ende einer gewaltfreieren Lebenskultur, sondern Anstoß für viele, sich darauf nun erst recht einzulassen." "Ohne Begeisterung geschah nichts Großes und Gutes auf der Erde... Die man für Schwärmen hielt, haben dem menschlichen Ge- schlecht die nützlichsten Dienste geleistet. Trotz allen Spottes, trotz jeder Verfolgung und Verachtung drangen sie durch, und wenn die nicht zum Ziele kamen, so kamen sie doch weiter und brachten weiter." Weil der Herr das Schicksal der Menschen in der Hand hat, unser Hirte uns höchstens ein paar schwere Prüfungen schickt, brauchen wir unsere Schafsnatur doch nicht abzulegen. Unser Bekenntnis und die Gemeinde, in der es lebendig ist, ist allemal Grund genug, an ihm festzuhalten und stille zu sein. Und die Einwände der anderen - der "Spott" - zeugt nur von dem Mangel an aber auch die wollen wir in unser Gebet einschließen, wir die hominis bonae volunta- tis. zurück