Quelle: Archiv MG - BRD KIRCHE - Vom Mißbrauch des Verstandes durch den Glauben


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       Kardinal Ratzinger an der Uni München
       

DER UNWÜRDIGE BISCHOF

An Münchens Ludwig-Maximilians-Universität bieten im Sommerseme- ster RCDS, SLH und LHV "Wissenschaft im Dialog" als Konkurrenz- veranstaltung zu den nur wissenschaftlichen Teach-ins der MG. Als Höhepunkt und um den Saal vollzukriegen, hatten sie für den 9. Juni Josef Kardinal Ratzinger, Erzbischof von München und Frei- sing eingeladen. Die Veranstaltung mißglückte, wie auch der Ta- gespresse zu entnehmen war. Weil Pressemitteilungen des Erz- bischöflichen Ordinariats und des RCDS Quelle der Meldungen wa- ren, kommen wir um die Feststellung nicht umhin, daß man es christlicherseits mit dem 8. Gebot nicht allzu genau nimmt und gegen die MG falsche Zeugnisse noch und noch abgelegt wurden. Mit freundlicher Genehmigung unserer Nächsten von der "Münchner Hoch- schulzeitung" übernehmen wir ihre "kurze Würdigung der Ereignisse vom 9. Juni". Der Vorfall ----------- 17h s.t. Einzug von Josef Kardinal Ratzinger, begleitet von meh- reren geistlichen Herren in die Große Aula. Der Verein "Wissenschaft im Dialog e.V." bringt einen Flugzettel mit Text und Noten bekannter Kirchenlieder zur Verteilung. Die Anregung wird aufgegriffen und ca. 1200 Menschen singen das "Lobet den Herrn", musikalisch einwandfrei und wesentlich besser als in den Kirchen, wo die Überalterung des Publikums ein Unisono, das den Namen verdient, in der Regel verhindert. Der Kardinal, sichtlich ergriffen, singt die erste Strophe mit (dafür gibt es Zeugen!) und hält erst inne, als ihn die Veranstalter darauf aufmerksam machen, daß ihrerseits Gesang nicht vorgesehen war, Josef Kardi- nal Ratzinger tritt vor das Mikrophon und bezeichnet das Absingen eines mit dem kirchlichen Imprimatur versehenen Preisgesangs wörtlich als "Happening"! Um es zu keiner Vergiftung der Atmo- sphäre kommen zu lassen, wird im Saal "Großer Gott, wir loben Dich!" angestimmt. An der schönen Stelle, wo es heißt: "Der Apostol heilger Chor, / der Propheton hehre Menge / schickt zu Deinem Thron empor / neue Lob- und Dankgesänge" steigt eine Taube zur Decke der Großen Aula empor und Sternwerfer verleihen dem Augenblick eine wunderbare Note. Es hätte noch lange so weiter gehen können: der Saal voll, die Sänger stimmlich bestens disponiert, der Kardinal anwesend, der christliche Dialog zwischen Hirten und Volk in vollem Gange, wenn nicht gegen 17.30 Der Eklat --------- vorgefallen wäre. Daß die Amtskirche zur 'naiven Frömmigkeit' der gläubigen Herde ein gebrochenes Verhältnis hat, das wußten wir aus eigener Erfahrung; daß deutsche Bischöfe vor lauter Politi- sieren ihre Hirtenpflichten hintenanstellen, wir haben es in der Zeitung oft genug gelesen; daß aber die geweihten Herren, wenn man ihnen ihre eigene Melodie vorspielt, so reagieren, wie der Teufel auf das Weihwasser - das hat uns verblüfft. Josef Kardinal Ratzinger verließ schlag halb Sechse die Universität und zog in die nahegelegene Ludwigskirche um. Wie sich dann herausstellte, war dieser Akt als Affront gedacht, denn in den eigenen vier Wän- den war er durchaus bereit zu predigen. Zurückließ er jedoch eine restlos verunsicherte ad-hoc-Gemeinde, die auf das Versprechen zum Dialog mit der Amtskirche hereingefallen war. Die Folgen des Eklats sind noch gar nicht abzusehen: Man denke nur an den Seme- sterschlußgottesdienst, der seit Jahren schon von der Präsenz der immergleichen Gesichter zehrt: Mieter katholischer Studentenwohn- heime, denen der Schlafplatz zweimal im Jahr eine Messe wert sein muß. Die Stellungnahmen ------------------ Die Veranstalter, RCDS, SLH, LHV und Wissenschaft im Dialog e.V. waren tags darauf mit einem Flugblatt bei der Hand, das die Ver- antwortung für den Eklat der MG in die Schuhe schieben wollte. Der antikirchliche Unterton dieses leichtfertigen Pamphlets ist unüberhörbar bereits im Titel: "Die Chorknaben der MG". Seit wann sind denn das Chorsingen oder andere "geistliche Exkurse" des Teufels? Unter einem Motto des atheistischen Schriftstellers Max Frisch wird hier vom Kirchturm aus ausgerechnet "über den Kirch- turmhorizont dieser Chorknaben" hergezogen, denen man "fehlende sonntägliche Übung" vorwirft, statt anzuerkennen, daß der Chor der MG t r o t z geringen Trainings und seltener Auftritte j e d e n Vergleich mit den Sangeskünsten z. B. der KHG stand- hält, die nur im engsten Kreis zur Klampfe und mit schrecklichen neumodisch-kritischen Liedern praktiziert wird. Die Behauptung, das Flugblatt mit den Liedertexten sei eine Fälschung der MG, überprüft die MHZ-Redaktion zur Stunde noch. Fest steht jedoch auf jeden Fall, daß dieses Flugblatt mehr der Veranstaltung ange- messen war, als der merkwürdige Text der Veranstalter vom Folge- tag. Der "Politische Referent des Ordinariats", Curt Genewein, miß- brauchte den Verlauf des Ratzinger-Gastspiels an der LMU für das Austragen einer innerkatholischen Querele, in dem er gegen, "Priester" wetterte, "die bei linksradikal gesteuerten Kundge- bungen sprächen" (SZ vom 12. Juni). Die MG erklärt hier coram pu- blico und ex cathedra, daß auf ihren Veranstaltungen noch nie ein Priester gesprochen hat und dergleichen auch nicht beabsichtigt ist. Man sollte uns da also rauslassen. Ebenfalls für nicht be- troffen halten wir uns in der von Genewein erwähnten Kontroverse zwischen dem 1952 verstorbenen Kardinal Faulhaber und dem Nazi- staat. Warum dieser Amtsvorgänger Josef Kardinal Ratzingers, nachdem er noch bis kurz vor Stalingrad für den Sieg der deut- schen Waffen predigte, dann - angesichts der sich abzeichnenden Niederlage - sein Unbehagen mit bestimmten Erscheinungen an der Heimatfront äußerte; die Klärung dieser Frage wollen wir uns schenken, weil sie garantiert nichts mit "Versuchen zur System- veränderung" weder damals noch heute zu tun hat. Den Vergleich zwischen der Inhaftierung Faulhabers in Dachau und dem Singen von "Oh, Maria hilf!", den Herr Genewein anstellt, beantworten wir ausnahmsweise ernig mit der Frage, ob dieser "politische Refe- rent" noch richtig tickt und kommen gleich zu unserem abschlie- ßenden Kommentar --------- In der Ludwigskirche beklagte Ratzinger, daß der modernen Wissen- schaft das christliche Fundament fehle. D a ß er diese These vor Intellektuellen als Kritik formulieren konnte und nicht aus- gepfiffen wurde, beweist eindeutig, wie sehr er mit dieser Klage daneben liegt. Moderne Wissenschaftler brauchen ihre Studenten nicht zu Beginn jeder Vorlesung mit einem "Gelobt sei Jesus Chri- stus!" begrüßen: Im Irrationalismus ihres wissenschaftlichen Standpunkts sind sie je schon Brüder und Schwestern in Christo! Die umstandslose Verherrlichung des S t a a t e s als d e m G o t t des modernen Bürgers konfligiert mitnichten mit der Bot- schaft der Kirche, für die der Staat kein fremder Gott n e b e n dem Alten, sondern der irdische Garant seiner Ordnung ist. Was soll also die Aufregung darüber, daß d i e Botschaft solcher Wissenschaft ihr in Noten gesetzt entgegenschallt? Anders ausge- drückt: Die MARXISTISCHE GRUPPE ist auch beim Ratzinger-Gastspiel von ihrem Prinzip der immanenten Kritik kein Jota abgerückt. Der Erfolg gibt ihr recht. Zum Schluß noch ein offenes Wort an den Ratzinger Sepp, damit er das nächste Mal eine würdigere Figur macht: "Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret, / der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet, / der dich erhält, / wie es dir selber gefällt. / Hast du nicht dieses verspüret?". Das wird man doch einen Kardinal mal fragen dürfen? * Und dann kam auch noch Löwenthal -------------------------------- Den folgenden Mittwoch schob der RCDS den ZDF-Magaziner Gerhard Löwenthal nach. Obwohl die MARXISTISCHE GRUPPE in ihrer "Münchener Hochschulzeitung" diesem Mauerstürmer eine "Absage" erteilte, kam es erneut zu häßlichen Szenen. Was ist passiert? Ein rechter Hetzer ist an der Universität zu Besuch gewesen, um das zu sagen, was er jeden zweiten Mittwoch sagt, 20.15 im ZDF. Millionen vor und hinter dem Eisernen Vorhang hören ihm zu, darunter auch ein paar Leute, denen nicht gefällt, was er sagt. Pfeifen vor dem Fernsehgerät wäre albern. Da kommt der Mann an die Uni, in der festen Absicht, sich auspfeifen zu lassen. Für seine Argumente wünscht er sich d i e s e Bestäti- gung an d i e s e m Ort, so wie er sich andernorts des Beifalls sicher sein kann. Die Diskussion mit Kommunisten, so das Credo dieses Mannes, hat demokratisch ausschließlich mit den Argumenten Berufsverbot, Parteienverbot, Parteiausschluß, drastische Strafen stattzufinden. Das ist rechtsstaatlich. Wer überhaupt mit Kommu- nisten und denen, die dazu gezählt werden, diskutiert, ist ein Mann Moskaus. Diese Botschaft verbreitet er in allen Medien die- ses demokratischen Rechtsstaates. Ein Häufchen Studenten - er würde sie "Chaoten" nennen - wagt es, ihm nicht zuzuhören, wenn er erzählt, wie er mit ihnen verfahren lassen will. Sie fordern nicht einmal "Berufsverbot für Löwenthal!" Sie nehmen sich die bescheidene Freiheit zu pfeifen und am nächsten Tag ist der Rechtsstaat in Gefahr. P.S.: Die Protestierer haben den Löwenthal mit dem Sprechchor, "N a z i raus! " gemeint treffen zu können. Spätestens am näch- sten Tag bei der Zeitungslektüre hätten sie merken können, wie sehr sie mit diesem Spruch danebenlagen. Die Leviten las ihnen die christliche, freie und Sozialdemokratie. Die Freiheit ist nämlich genauso unteilbar wie Deutschland, um mit Gerhard Lö- wenthal zu sprechen. Deswegen gebrauchen Männer wie er sie so gerne, und jeder Pfiff dagegen mißbraucht sie und gehört deswegen verboten *** Aufruf zur Gewalt ----------------- 1. Hausfriedensbruch und widerrechtliche Aneignung? "In der polnischen Diözese Masuren häufen sich überfallartige Be- setzungen evangelischer Gotteshäuser durch Katholiken, auch unter Anführung von Geistlichen (!)... Besetzungsaktionen von gemeind- lich genutzten Kirchen... Besondere Aggressivität sei bei einer Kirchenbesetzung in Spychowo deutlich geworden. 'Diesmal brachen die Katholiken während des evangelischen Gottesdienstes ein. Die Menge der Katholiken blockierte den Ausgang, so daß die evangeli- schen Christen nicht mehr die Kirchentüre schließen konnten...' Nach Auffassung des polnischen Pfarrers stehen die katholischen Übergriffe in direktem Zusammenhang mit dem Polenbesuch des Pap- stes im letzten Jahr..." 2. Einbruch und Sachbeschädigung? "Die Brandanschläge auf Beratungsstellen von Pro Familia sind vermutlich von einem religiös motivierten Mann verübt worden. In Briefen an Hamburger Tageszeitungen bekannte sich ein anonymer Verfasser zu den Anschlägen. Die Schreiben enthielten unter an- derem Bibelzitate und die Beschuldigung, bei Pro Familia handele es sich um eine 'Brutstätte des Satans, allerhöchster Perver- sion'. Außerdem berufe sich der Verfasser auf die Nobelpreisträ- gerin Mutter Teresa und bezeichne Schwangerschaftsabbruch als Mord." 3. Anstiftung zum Mord? Letztgenannte Mutter Teresa auf dem Katholikentag: "Abtreibung ist reiner Mord. In Indien werfen die Frauen ihre Kinder lieber in die Mülltonne, als sie abzutreiben." Bloß weil mal wieder einer, der auf wahrhafte Kirche macht, Papst geworden ist und die Gewaltätigkeit für Höheres allgemein wieder Konjunktur hat, bloß deshalb, liebe Christen, muß man doch nicht gleich aus der eigenen Schafsnatur wieder einmal den Streiter Gottes hervorkramen! *** Spinnt der Papst? ----------------- Wie immer, so ist auch in diesen Tagen der Polen-Paul aus Rom wieder auf Achse, mit unser aller Kirchensteuergroschen. Die ganze Menschheit, besonders die Naturwissenschaftler, hat er in Paris gewarnt, damit sie endlich aufhören, sich an der Zerstörung der Welt zu schaffen zu machen. Wo aber sitzen die gemeinen Bur- schen, die den Erdball in die Luft jagen wollen? Sind's die Phy- sikstudenten? Oder eher ihre Wasserträger aus der mathematischen Abteilung? Der alte Kirchenfürst tut ziemlich gekonnt so, als hätte er hier, im Felde der Naturwissenschaft, die Leute gefun- den, die an dem Ast sägen, auf dem wir alle sitzen. Dabei kennt doch jeder den kleinen Unterschied zwischen Leuten, die von Be- rufs wegen Atombomben erfinden und solchen, die beschließen, wann sie auf wen geworfen werden, oder? Trotzdem, die Sache ist ganz diplomatisch gedacht: man kann schließlich kein Berufsverbot für die Bombenwerfer in höchsten politischen Ämtern fordern, wenn man sich von ihnen grandiose Empfänge und viel Sympathie bieten las- sen will. Viel leichter ist es da, die Wissenschaftler daran zu erinnern, daß ihre Arbeiten schon längst nicht mehr am "W o h l d e r M e n s c h e n" ausgerichtet sind. Aber wäre es nicht wenigstens konsequent gewesen, für diese Sorte Totengräber der Menschheit bei Giscard oder Helmut Berufsverbot zu fordern? Stattdessen kommt aus Rom die Aufforderung, so weiterzumachen wie bisher und davor die Ethik zu setzen. Aber auch dabei wird sich der Alte etwas gedacht haben: ohne die naturwissenschaftliche Elite der Nation steht es auch wieder schlecht um seine politi- schen Freunde. Seiner moralischen Verpflichtung als katholisches Gewissen der Weltgeschichte hat der Mann jedenfalls genüge getan. Mit den Machern der Weltgeschichte hat er es sich nicht verdor- ben, ihren wissenschaftlichen Zuarbeitern hat er ein Angebot un- terbreitet, mit dem sie ihren Auftrag weiter erledigen können. Man muß sich nur zu jeder bakteriologischen oder nuklearen Waffe, die man beim Verteidigungsminister einreicht, noch ein Gewissen zulegen, welch fürchterliche Wirkungen die eigenen Erfindungen zeitigen, wenn sie in die falschen Hände geraten (am besten vom Labor gleich in den Beichtstuhl). An ihren Gewissensqualen zu- grundegehen wird die naturwissenschaftliche Intelligenz dabei wohl nicht. Schließlich arbeitet man nur für die richtigen Hände und nicht die Verteidigungsminnisterien fremder Länder. *** Papst appelliert an Wissenschaftler ----------------------------------- Paris (dpa). Papst Johannes Paul II. hat gestern eindringlich die ganze Menschheit und vor allem die Wissenschaftler vor der Zer- störung der Welt gewarnt. In einer Rede vor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) in Paris rief der Papst am letzten Tag seines viertägi- gen Besuches in Frankreich "wegen der schrecklichen Bedrohung, die auf der Menschheit lastet" dazu auf, in allen Bereichen der Wissenschaft, und vor allem in den Naturwissenschaften, die Ethik voranzustellen. Angesichts der herrschenden Unsicherheit könne eine Störung des zerbrechlichen Gleichgewichts schnell zu einem Krieg führen, der unweigerlich den Einsatz von Kernwaffen bein- halte, sagte der Papst. Die ganze Zukunft der Menschheit sei da- mit radikal bedroht. Der Papst zählte als Beispiel für eine nicht mehr am Wohl der Menschheit ausgerichtete Wissenschaft genetische Manipulationen, biologische Experimente, chemische, bakteriologi- sche und nukleare Waffen auf. Zum Abschluß seines Besuchs in Frankreich forderte der Papst die Katholiken auf, in "ihrem mis- sionarischen Eifer nicht nachzulassen". (WESER-KURIER 3.6.80) zurück