Quelle: Archiv MG - BRD KIRCHE - Vom Mißbrauch des Verstandes durch den Glauben
zurück Katholischer Kirchentag in München"DEM LEBEN TRAUEN"
Der diesjährige Kirchentag der deutschen Katholiken (erste Juli- woche in München) gibt sich gar nicht erst den Anschein, etwas anderes zu sein als ein Schaulaufen für den großen Herrgott, der alles so herrlich bereitet hat: Die Welt ist in bester Ordnung, und diesen einen Trostgedanken hat die Menschheit zu schlucken. Das Tagungsmotto gibt sich ganz umstandslos: "Wähle das Leben", d.h. akzeptiere halt den Laden! "Alles, was Leben ist, kommt von Gott" - also ein entsprechendes Kreuzchen hinter den Namen dieses Herrn, und "das Leben" ist lebenswert. Pfäffischer läßt sich der Menschheit die Tüte mit dem Lebenssinn nicht andrehen. Die Regie des Kirchentags besteht darin, die Leute zum Frohlocken zu ani- mieren, weil sie es doch einfach gut getroffen haben in dieser Welt. Vor Jahr und Tag sah das bei den evangelischen Brüdern noch etwas anders aus: Da wurde schwer um den Nachweis christlicher Fried- fertigkeit gerungen. An der gab's zwar sowieso keinen Zweifel, sie dokumentierte aber auf das Schönste, wie zufrieden ein deut- scher Christ mit seiner weltlichen Herrschaft ist, die ihn tag- täglich für ihre politischen Zwecke einspannt. Dieser untertäni- gen Demonstration bedurfte es, damit 1984 die Katholen ihre Ju- belfeier ohne den Schein besonderer staatsbürgerlicher Verantwor- tung des Christenmenschen arrangieren können: Heute wird schlicht "das Leben" begrüßt und abgesegnet. Man spricht nicht über Poli- tik, man ist ihr geduldiges Lamm. Wie inszeniert die klerikale Führung ihre Ergebenheitsadresse an den Staat? Sie lädt zu zahllosen Diskussionsforen ein, auf denen nicht diskutiert, sondern bekundet wird, wie bestens aufgehoben man sich in dieser Ordnung fühlen darf. Expertisen aus allen Le- bensbereichen sind erwünscht. 1. A r b e i t s w e l t. Arbeitslosigkeit hin oder her - ein Professor aus Augsburg weiß, daß die Konzeption der sozialen Marktwirtschaft für die Arbeiter das beste ist, weil sie einer humanen Arbeitswelt verpflichtet ist. Ein Priester aus Kochel as- sistiert: Solche Botschaft gehört in den Betrieben verkündet, und das ist vor allem gut für den Betrieb - es weiht ihn. Und der Philosoph Hommes aus Regensburg merkt klug an, daß dann keiner mehr für schnöden Broterwerb schuften muß, sondern sich einbilden darf, er arbeite sinnvoll an einem großen Gemeinschaftswerk, wie beispielsweise an einer Kathedrale. 2. J u g e n d. Die soll sich etwas zutrauen, soll "anpacken statt aussteigen"! So hat es die Vorsehung vorgesehen. Na dann! 3. T e c h n i k u n d F o r t s c h r i t t. Beides muß sein. Aber nach Meinung des Theologen Auer aus Tübingen und des Kollegen Sontheimer im Dienst des Menschen: Denn der hat den di- rekten Draht zum Gott, und es wäre doch schade, wenn da die Com- puter und Roboter dazwischen funken würden. 4. U m w e l t. Ein Herr Honecker aus Bonn sieht im Waldsterben "unsere Lebensordnung" bedroht, aber auch schon gerettet, weil seine Mahnung ja hiermit im Raum steht. Auch in den sogenannten "Entwicklungsländern" soll vieles aus dem ökologischen Gleichge- wicht geraten sein, weiß Müller/München zu berichten: Die Neger brauchen keine Technologie, sondern vor allem den christlichen Gedanken, daß ein entsagungsvolles Leben gottgefällig ist. 5. F r a u e n. Frau Laurien vom Berliner Senat ist für die Zu- kunft unterwegs, in der sich Schlachtschiffe wie sie in die Män- nerkirche schießen und gleichrangig ideologische Breitseiten aufs Volk loslassen. 6. B e h i n d e r t e. Die dürfen leibhaftig nicht fehlen. Ei- ner erzählt, daß er sogar in Lourdes war und dort auf die Frage "warum gerade ich?" moralische Heilung erfahren hat: Auch ohne Hände/Füße etc. genießt er jetzt "ein Leben in Fülle". 7. A u s l ä n d e r. Ein spanischer Bischof klagt ihre Men- schenrechte ein; nicht hier und jetzt, sondern in einem geeinten Europa, das mindestens bis zum Ural reicht. 8. U n g e b o r e n e / S t e r b e n d e. Hier ist Hilfe an- gebracht - bei den einen ist der Bauch zu schützen, aus dem sie unbedingt kommen müssen, bei den anderen ist ein Mediziner namens Böger zur Stelle, der den Gang ins Jenseits nicht unnötig er- schweren will. 9. V e r g a n g e n h e i t. In ihr stand auch schon alles zum besten. Kirchenmänner, wie die Kardinäle von Preysing und Faulha- ber, werden eigens mit Gedenkstunden bedacht, weil sie "Seelsorge im Alltag des totalitären Regimes" betrieben haben. Widerständ- ler, so die offizielle Zurechtrückung ihres nach dem Faschismus hingeschusterten Bildes, sollen sie nun doch nicht gewesen sein, sondern aufrechte Prediger, die von der Kanzel christliche Durch- halteparolen schmetterten. Daß der Münchner Bischof loyal zu Hit- ler stand - sein Biograph Professor Ziegler aus Würzburg bekennt es freimütig. So geht Kirchenkampf. 10. Z u k u n f t. Ein aus Polen geladener Bischof kann nur be- stätigen, daß ein Leben mit der Staatsgewalt Christen gut an- steht: Soll die doch schauen, ob sie es mit solcher Loyalität aushält. 11. K i r c h e / G e m e i n d e. Im Schoß dieser Mutter leben wir, sagt der Fuldaer Bischof Dyba. "Autorität" und "Tradition" fordern eifriges Bibellesen. "Wie lebt Gemeinde?" stochert Hainz aus Frankfurt nach. Jedenfalls nicht als Versorgungsanstalt, son- dern so wie es ein Jonas aus den USA empfindet: als beschwörendes Stammeln vor dem großen Gott, der solches offenbar gern zu seinem eigenen Lobe hört. 12. N A T O. Sie stammelt nicht, sondern ist gerüstet - in christlicher Notwehr, versteht sich. Generalmajor Clauß aus Neu- münster sichert die Fundamente des Glaubens. zurück