Quelle: Archiv MG - BRD KERNENERGIE AKW-GEGNER - Haben die AKW-Gegner recht?


       zurück

       Tschernobyl an der Uni
       

EXPERTE HEITER

Holger Strohm, Verfasser des Buchs "Friedlich in die Katastro- phe", in der Szene als intimster Kenner der Atomszene bekannt, gastierte im Audimax mit einen "Vortrag mit Dias" vornehmlich über die (Un-)Sicherheit bundesdeutscher Atomkraftwerke. Die Stimmung im Saal war ausgezeichnet. Ein paar Kostproben: - "Unsere Atomkraftwerke sind ja die sichersten in der Welt! Ein- mal abgesehen davon, daß jede Realisierung die sichersten Atom- kraftwerke auf der Welt hat (Heiterkeit im Publikum), wie sieht es denn zum Beispiel mit dem Hochtemperaturreaktor in Hamm aus?! Der ist in Amerika verboten und wird nirgends sonst in der Welt mehr gebaut, weil er so unsicher ist. (Beifall)... Und wie steht es mit den Zulassungsverfahren für unsere AKWs? Ich habe mir ein- mal die Gutachten der Strahlenschutzkommission kommen lassen und sie mit den Propagandabroschüren des Atomforums verglichen. Die Gutachten waren mit samt den Kommafehlern aus den Werbebroschüren abgeschrieben." (Gelächter) - "Unsere AKWs sind ja so sicher vor Sabotage! Nichts leichter als Sabotage, ich will Ihnen da mal zwei Beispiele erzählen. Eine Pressekonferenz in einem Atomkraftwerk platzte, weil ein Journa- list ohne Probleme eine Panzerfaust reinschmuggeln konnte und den verblüfften AKW-Befürwortern auf den Tisch knallte. (Gelächter) Und der Chef der Hamburger Atombehörde, der zuständig fürs AKW Stade war und der jeden AKW-Gegner diffamierte - wer war dieser Herr? Er wurde später als DDR-Agent entlarvt (Lautes Lachen). Ja, der Mann war gar nicht dumm. Er hat sofort kapiert, wie man hier- zulande für AKWs Propaganda machen muß. Man muß nur Atomkraftgeg- ner als Feinde der Bundesrepublik und 5. Kolonne Moskaus diffa- mieren!" (Begeisterung und Gelächter) - "Atomtechnik ist ja so sauber und sicher! Auf diesem Dia sehen Sie ein Jubiläumsereignis, den 250. Unfall eines Atommülltrans- porters in den USA (Heiterkeit im Auditorium). Eine TÜV-Überprü- fung in den USA stellte bei jedem zweiten Laster schwere Mängel fest, teilweise fehlten die Planken auf der Ladefläche. Die Atom- müllfässer fielen durch und polterten auf die Straße. Die Straßen mußten dann für Jahre gesperrt werden." (Gelächter) - "Atomkraft ist ja so sauber und billig, heißt es! Wenn man die sozialen Kosten rechnet, die alleine die Einbetonierung eines stillgelegten Atomkraftwerkes kostet, dann kostet das mehr Ener- gie als der Reaktor je produziert hat. Dann muß man nach 10 Jah- ren wieder eine neue ein Meter dicke Betonschicht drübergießen, und nach 10 Jahren wieder, und dann wieder, und.." (Gelächter) - usw, usf. So geht die p s y c h o l o g i s c h e V e r a n s t a l- t u n g namens U n t e r h a l t u n g. Das Verfahren, die schönklingenden Ehrentitel und Sprachregelungen der Politik mit aus dem Leben gegriffenen Stories und anderen facts and figures zu blamieren, läßt gelöste Heiterkeit aufkommen, jedenfalls bei einem Publikum, das eh schon längst nicht mehr den Reden von der "Sicherheit und Sauberkeit unserer Atomkraftwerke" Glauben schenkt. Zwar erfährt man gar nichts Neues, außer eben ein paar Histörchen. Aber die passen so vortrefflich. zu dem Bild, das man von der Dummheit und Schlechtigkeit der Welt sowie von der eigenen Schlauheit und Verantwortlichkeit schon hat: Das Atomprogramm - eine ziemlich un- bis wahnsinnige Angelegenheit, und auch noch dilletantisch durchgeführt; die Politiker - ziemlich einfältige Trottel und unbelehrbare Ignoranten, die uns für dumm verkaufen wollen. Da haben sie sich aber bei Holger Strohm und seinen Zuhörern geschnitten, die sich nichts vormachen lassen! Die "denken für sich alleine" und "lehnen jegliche Obrig- keitshörigkeit ab" und haben ihre politischen Alternativen und Perspektiven ganz selbstbewußt so ausgedacht, daß sie sich genau an dem Rahmen des obrigkeitsstaatlich Erlaubten orientieren: Hol- ger Strohm wird seine neue kritische Atomstudie just der offi- ziellen Strahlenschutzkommission vorlegen, pardon "um die Ohren hauen" (die, man erinnert sich, ihre Gutachten fahrlässig bis böswillig vom Atomforum ab schreibt), und ansonsten empfiehlt auch er die einzige Konsequenz, die man aus der Schädigung durch die Politik ziehen darf - die Sehnsucht nach besseren Herren: "50% mehr Frauen müssen ins Parlament." Oder 1 Million Deutsche würden ihren Protest gegen Atomstrom durch abwechselndes Ein- und Abschalten ihrer sämtlichen Elektrogeräte ausdrücken, da würden die Leitungen schmelzen und die Kraftwerke rotieren... Mann, waren wir gestern wieder frech gewesen... zurück