Quelle: Archiv MG - BRD KERNENERGIE AKW-GEGNER - Haben die AKW-Gegner recht?


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       Münchner Hochschulzeitung Nr. 8, 01.02.1984
       

BÄUERIN ENTLÄSST 1200 ARBEITER

Wegen Verfahrensmängeln im Genehmigungsverfahren wurde per Ge- richtsbeschluß der Weiterbau des KKW Isar II in Ohu untersagt. Die Grünen in Landshut und Umgebung, allen voran die als Anlieger klagende Bäuerin, befanden "es gäbe noch Richter in Bayern" und reservierten die Stadthalle für ein Freudenfest. Allgemeinwohl darf über Leichen gehen ------------------------------------- Das Gericht stellte fest, die KKW-Bauer hätten die Sicherheits- auflagen in mindestens 25 Details nicht befolgt, was bei der Ge- nehmigung unberücksichtigt geblieben sei. Insofern sei die Klage der Bäuerin als betroffener Anliegerin berechtigt. Ob ihr auch Recht zu geben sei, hänge allerdings davon ab, ob nicht die In- teressen der KKW-Bauer, die ebenfalls berechtigt seien, nicht schwerer wögen. Das Gericht wog und rechnet also nach und befand, daß die Angabe der KKW-Bauer, ohne Isar II breche die Stromver- sorgung in Bayern zusammen, nicht stimme, insofern auch kein Schaden für die Allgemeinheit zu befürchten sei. Auch werde durch die planmäßige Fertigstellung des KKW kein einziges emissions- starkes Heizkraftwerk stillgelegt, weswegen auch kein Nutzen für die Allgemeinheit zu erwarten sei. Diese Urteilsbegründung macht in aller Brutalität zweierlei klar. Der Betrieb jedes KKWs ist rechtens, wenn nur die Sicherheitsauflagen erfüllt sind. Daß der ganz normale sicherheitsmäßige KKW-Betrieb auch ohne Rohrbruch und Schlimmerem, permanent radioaktive Stoffe in Form von Abluft und Abwasser einerseits, sowie über Zwischen-, Endlagerung und Aufarbeitung andererseits freisetzt hat niemanden zu stören. Ge- fahr für Leib und Leben der Klägerin waren nicht Verhandlungsge- genstand, sondern die Beanstandung von 25 "Detailmängeln" und der ordnungsgemäße Ablauf des Genehmigungsverfahrens. Deshalb rechnen die betroffenen Bayernwerke fest mit einem Erfolg in den nächsten Instanzen. Ärgerlich ist nur, daß bis dahin ihr gutes Kapital in Form von "85.000 Kubikmetern Beton" totliegt. Das Opfer als Täter ------------------- Bezeichnend auch die Kommentierung des Urteils durch die Öffent- lichkeit. Vor ein paar Jahren wären entsprechende Urteile von seiten der Journaille als glänzender Sieg unseres demokratischen Rechtsstaats gefeiert worden, nach dem Motto: "Bei uns kann sich auch der kleine Mann erfolgreich gegen übermächtig erscheinende Interessen wehren." "Der Rechtsstaat steht sich selbst im Wege" lautet heutzutage das öffentliche Urteil zu dem Richterspruch, und die Bäuerin ist zum Abschuß freigegeben, und das nicht nur von BILD. Der bayerische Rundfunk brachte z.B. die Meldung in den Nachrichten so, daß sie sich auf "Bäuerin entläßt 1.200 Bauarbei- ter und erhöht Strompreise" zusammenkürzte. Diese Aufhetzung hat schon gewirkt. Einige "Hitzköpfe" terrorisieren inzwischen die Bäuerin mit Brand- und Morddrohungen. Auch die betroffenen Bauarbeiter stimmten in den Chor ein. In ei- ner Protestversammlung faßten sie eine Resolution, in der sie nicht etwa ihre Herren Anwender, die sich jetzt keinen Gewinn mehr von ihnen erwarten, verantwortlich machen wollten für ihre anstehende Arbeitslosigkeit, sondern Schlamperei und Vergeudung von Steuermillionen beklagen. Deshalb sei ihr Verlangen, weiter- arbeiten zu dürfen auch voll berechtigt. Die Bayernwerkskapitali- sten entlassen, lassen sich ihren Gewinnausfall so oder so vergü- ten, sei's vom Staat oder vom Stromverbraucher, und diese "Realisten" brechen eine Lanze für ein Unternehmen, das mit ge- wohnter Rücksichtslosigkeit seine Interessen gegen sie durch- setzt. zurück