Quelle: Archiv MG - BRD KERNENERGIE ALLGEMEIN - Von der strahlenden Gegenwart
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Die Betriebsräte der Hanauer Nuklearbetriebe raten:
SCHLUSS MIT "NEIN DANKE"
Dadurch, daß in den Hanauer Nuklearfabriken 2500 Leute für einen
in lohnabhängigen Kreisen üblichen Lebensunterhalt strahlendes
und hochgiftiges Zeug zu den Geschäftsartikeln der Firmen verar-
beiten, gibt es in diesen Betrieben auch die gesetzlich vorgese-
henen Betriebsräte. Bei selbigen handelt es sich durchweg um ge-
standene Burschen von der IG Chemie, denen in ihrer Eigenschaft
als deutsche Gewerkschafter sowie demokratisch berufene Mitbe-
stimmer über die deutschen Wertarbeiter an der Plutonium-Mischma-
schine auch einmal das Messer in der Hosentasche aufgeht. Dann
nämlich, wenn sie mit Protest gegen die Hanauer Giftwirtschaft
konfrontiert werden. Dann verfassen sie eine Hetztirade gegen die
samstägliche Demonstration in Hanau und lassen sie von der FR vom
Mittwoch vorher als Anzeige verbreiten.
Das Fettgedruckte:
"Liebe Bürgerinnen und Bürger der Stadt Hanau und des Main-Kin-
zig-Kreises!...
Wir Betriebsräte achten gemeinsam mit unserer Gewerkschaft, der
IG Chemie, Papier, Keramik, auf die Einhaltung aller gesetzlich
vorgeschriebenen Schutzvorschriften...
Vertrauen Sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Hanauer
Nuklearfirmen, die auch weiterhin friedlich ihre Arbeit verrich-
ten wollen."
Die Zuständigkeiten sind also klar verteilt. Der Staat erläßt ge-
setzliche Schutzvorschriften, mit denen sichergestellt ist, daß
auch in den Atomfabriken die Beschäftigten nicht dauernd mit Plu-
toniumvergiftung umkippen, sondern arbeiten (wie sonst sollten
die befugten Interessenten an AKW-Brennstäben Plutonium etc. so-
wie die Hanauer Atomkapitalisten zu ihrem Geschäft kommen). Daß
die Produktion der brisanten Stöffchen klappt, wie das Gesetz es
befiehlt, dafür zeichnet der Betriebsrat doppelt verantwortlich,
einmal als Rat des Betriebs, so dann als Arbeiterverein IG Che-
mie. Die Arbeiter verrichten, angeleitet durch die juristische
und moralische Zustimmung der Gewerkschaft, "friedlich ihre Ar-
beit". So stehen in den Augen der Gewerkschaft die kapitalisti-
schen Atomfabriken als ein Gemeinschaftswerk aller Beteiligten
da, das höchstens schiere Rechtschaffenheit ausstrahlt.
"Unterstellungen, daß die Hanauer Nuklearbetriebe militärische
internationale Verflechtungen betreiben, können wir als primitive
Lüge nur zurückweisen. Auch entspricht es nicht den Tatsachen,
daß Mitarbeiter der Nuklearfirmen oder Bürger im Main-Kinzig-
Kreis an Leib und Leben durch die genannten Firmen gefährdet
sind."
Alles klar? Damit ist ja wohl hinreichend bewiesen, daß das Deu-
ten auf gesundheitsschädliche Wirkungen des normalen Fabrikbe-
triebs wie auf das Risiko von Störfällen eine Lüge darstellt,
während schon die banale Erinnerung an den militärischen Ge-
brauchswert der Hanauer Produkte als "primitive Lüge" zurückzu-
weisen ist. Kurz: Was in Hanau gemacht wird, geht außer Staat,
Kapital und Gewerkschaft keinen was an, und die haben bereits ihr
Placet gegeben, Also "vertrauen Sie" gefälligst!
Für die Betriebsräte sind die gewinnträchtige Produktion und Ver-
arbeitung von Plutonium und sonstigem kontrolliert oder explosiv
spaltbarem Material gleich eine R e c h t s f r a g e, und die
ist entschieden. Wer die Entscheidung nicht akzeptieren will, den
markieren die betrieblich bestallten Gewerkschafter als Verbre-
cher an nationalmoralischen Rechtstiteln.
- Rechtstitel "Arbeitsplatz": In den Nuklearfabriken "finden 2500
Menschen Arbeit für ihr tägliches Brot". Daß diese Firmen für
nicht mehr als das tägliche Brot Leute dazu bringen, sich zum
täglichen Umgang mit Gift und Strahlung benutzen zu lassen, macht
sie über jeden Zweifel erhaben. Der "Arbeitsplatz" ist ein Gut,
für das nicht nur Arbeiter alles gutzuheißen haben, was mit ihnen
angestellt wird,
- Rechtstitel "Saubere Heimat": "Die Beschäftigten der Hanauer
Nuklearbetriebe würden viel lieber, genau wie Sie, ihrem gewohn-
ten Einkaufsbummel in Ihrer Stadt nachkommen." Die ganze Woche
Uranstäbe drehen, und dann am Samstag eine Demo dagegen anschauen
zu müssen - das zweite braucht sich ein Hanauer Uranarbeiter
nicht gefallen zu lassen. Und er ist nicht allein: "Wir bedauern
die voraussichtlichen finanziellen Einbußen der Hanauer Ge-
schäftsleute", denen doch der finanzielle Ertrag der Arbeitswoche
samstags das Geschäft garantieren sollte!
Mit der kapitalistischen Benutzung von Land und Leuten samt der
ihr eigentümlichen Rücksichtslosigkeit wäre für die Gewerkschaft
die Welt in Ordnung - wenn es den Protest nicht gäbe. Wer die
Plutoniumfabriken nicht haben will, der kann in betriebsrätlicher
Morallogik keine Gründe haben, sondern höchstens böse Absichten:
"Glauben Sie nicht blind den Kernkraftgegnern, denn die Hinter-
männer haben mit unserem Staat und dessen Gesellschaftsordnung
nichts gemeinsam. Geben Sie diesen Gruppen von Aussteigern eine
klare Absage..."
Wo die rücksichtslose Durchführung des staatlichen Atomprogramms
völlig außer Frage steht, setzt sich die IG Chemie, Abt. Hanau,
als dessen Retter in Szene - gegen das letzte bißchen Protest da-
gegen. Sie hetzt Leute, die in diesem Atomprogramm höchstens als
Manövriermasse vorgesehen sind, zur "klaren Absage" gegen "AKW -
Nein danke" auf. Gerade in den Augen der Arbeiterführung kommt es
heute darauf an, sich nicht einfach unterzuordnen, sondern das
mit einem Hurra zu tun. An der Bereitschaft zum entschlossenen
Mitmachen hat die Gewerkschaft das Kriterium, an dem sie Freund
und Feind unterscheidet. Daher ist schon das Stattfinden einer
Demonstration, noch dazu in Hanau, der nicht zu duldende natio-
nal-moralische Skandal. Denn dafür stehen die Betriebsräte mit
Amt und Person: Arbeiter, die sich den Zumutungen einer Atomfa-
brik unterwerfen, haben ein Recht darauf, daß sich kein anderer
etwas herausnimmt und mit "Aussteigern" entsprechend verfahren
wird. Wozu gibt es denn die Kollegen von der Gewerkschaft der Po-
lizei?
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