Quelle: Archiv MG - BRD KERNENERGIE ALLGEMEIN - Von der strahlenden Gegenwart
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Der Veranstaltungskommentar
Mi., 9.11., 20 Uhr. Auf Einladung des AStA-Ökologiereferats
sprach ein Herr Hariolf GRUPP (Dipl.-Physiker und Berater der En-
quete-Kommission Energiepolitik im Bundestag) zum Thema:
"ATOMKRAFT - RISIKO ODER NUTZEN?"
Tenor: Die herkömmliche "Risikoforschung" in Sachen Atomenergie
habe sich bisher im wesentlichen darauf beschränkt, die Risiken
verschiedener Energieträger miteinander zu vergleichen, ohne dar-
auf zu achten, den Nutzen der verglichenen Systeme zu berücksich-
tigen. Ein solcherart "verkürzter Risikobegriff" lasse eine aus-
gewogene "politische Bewertung" der Kernkraftfrage jedoch keines-
falls zu:
"Für die Entscheidung für oder gegen diese Technologie und viel-
mehr der absehbare gesellschaftliche Nutzen der Anlagen und die
ermittelte Gefährlichkeit gegeneinander abzuwägen."
Das macht irgendwie stutzig. War es bisher nicht den B e f ü r-
w o r t e r n der Kernenergie vorbehalten, darüber zu jammern,
daß die Nützlichkeit dieser schönen Strahlemänner viel zu wenig
von der Öffentlichkeit gewürdigt würden und vorzurechnen, wie
hoch ihr Vorteil für Staat und Wirtschaft anzusetzen sei? Sicher,
und das völlig zu Recht. Denn Vorteils"rechnungen" dieser Art
können überhaupt nur der ideologischen Legitimation der Anwendung
von Kernkraft dienen, wie immer sie ausgestaltet werden, weil sie
strengegenommen nämlich überhaupt keine Rechnungen sind: Was da
auf der einen Seite als "Nutzen" aufsummiert wird (von der
Billigkeit der Atomenergie bis zur Minderung der "Abhängigkeiten"
des Staates von einzelnen Energieträgern wie Kohle, Gas und Öl),
hat mit den Schäden, die für Mensch und Umwelt aus der Anwendung
der Kernkraft resultieren, nur das eine zu tun, daß der Staat,
der über den Auf- und Ausbau der Kernkraftwerke beschließt, ein
gewisses Ausmaß an Strahlenopfern von vornherein miteinkalkuliert
hat. Dieses Vorgehen wird in den regierungsamtlichen "Risiko-
debatten" noch stets begleitet von der Lüge, diese vom Staat in
die Welt gesetzte Gefährdung sei im Prinzip auch nicht anders zu
bewerten als die Gefahr, bei einem Autounfall oder im Gefolge von
Zigarettenkonsum zu sterben - als würden die Schädigungen durch
Atomkraft dadurch harmlos, daß es im Leben eines Menschen auch
eine Reihe a n d e r e r Gefahren für Leib und Leben gibt.
Wer demgegenüber, wie Referent H. GRUPP, ausgerechnet geltend ma-
chen will, er könne zwischen "Blitzeinschlag" und "Atomunfall"
"keinen gleichen Nutzen" entdecken und dies für eine Kritik am
Atomprogramm hält, ist den zynischer Logik schon längst aufgeses-
sen: Daß der Nutzen, den Staat und Wirtschaft aus ihren Atompro-
grammen ziehen, mit der Beschädigung der betroffenen Bevölkerung
überhaupt kommensurabel sei, das erscheint ihm nämlich schon ganz
selbstverständlich, wenn er nachzuweisen versucht, daß die jewei-
ligen Vergleichgrößen "unseriös", weil "nicht genügend ausdiffe-
renziert" seien.
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