Quelle: Archiv MG - BRD KERNENERGIE ALLGEMEIN - Von der strahlenden Gegenwart
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Eine "deutsche Lösung"
DER NATIONALE KERN DES PU 239
Die maßgeblichen Männer der Republik halten es für ganz und gar
unverantwortlich, daß ein Staat mit der weltpolitischen Wucht der
BRD nicht über genügend Kapazitäten für die Produktion von Pu 239
verfügt. Energie aus dem Atomkern - ob moderiert oder explosiv -
ist für die Politik allemal eine Frage der nationalen Sicherheit.
Und diese bekanntlich keine Frage des Preises.
Glaubt man hingegen der kritischen Abteilung der Öffentlichkeit,
ist der Bau der deutschen Wiederaufarbeitungsanlage und des
Schnellen Brüters der reine Wahnsinn. Alle ehrenwerten Titel
deutscher Politik werden bei Grünen und anderen zitiert die Ar-
beitsplätze, das Biotop, der ökonomische Sachverstand, die
"Probleme des Zonenrands" und natürlich der Frieden -, und im-
merzu soll die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoff für die Be-
wältigung dieser "Probleme", die angeblich die Politik umtreiben,
nichts taugen. Letztlich soll es keinen einzigen Interessenten an
der Plutonium-Technologie geben - noch nicht mal unter denen, die
den Bau der WAA beschlossen haben.
Energie - ein strategisches Gut
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Für einen Staat wie die BRD sind Energieträger nicht einfach
Stoffe, mit denen sich ein Geschäft machen läßt. Was dieses an-
geht, läuft auf dem Energiesektor gerade mit Ex- und Import alles
prächtig. Die Tatsache, daß die deutsche Industrie sich die Roh-
stoffquellen auf dem gesamten Globus, namentlich "unser Öl" im
Nahen Osten, unter tatkräftiger Mitwirkung deutscher Politik zum
Profit bringenden Mittel erschlossen hat, stellt die maßgeblichen
Politiker keinesfalls zufrieden. In welcher Menge und insbeson-
dere zu welchem Preis wird dem einheimischen Kapital 'Energie'
zur Verfügung gestellt? Läßt sich damit ein gehobenen Ansprüchen
genügendes Geschäft machen? Diesen ökonomischen Standpunkt, der
mit billigem Strom aus der Steckdose übrigens noch nie etwas zu
tun hatte, hält der deutsche Kanzler für eine Verdrängung der
wahren Risiken der Energiegrundlage des deutschen Staatswesens.
Und nicht umsonst fällt ihm Krieg als die Risikoquelle ein:
"Gerade die gegenwärtig laufenden Kriegshandlungen am Persischen
Golf, die viele von uns auch im Blick auf die Energiegrundlagen
aus ihrem Bewußtsein wieder zunehmend verdrängen, zeigen, daß die
Risiken unverändert anhalten." (Kohl, Nov. 84)
Was vom Standpunkt des Geschäfts nun wirklich kein Problem ist,
daß Energieartikel aus dem Ausland kommen, ist das grundsätzliche
Kriterium des Kanzlers: der Standpunkt, daß es mit der
"Verwundbarkeit" der Souveränität der BRD an ihrer "Energie-
grundlage" ein Ende haben muß.
Wenn die "Energiefrage" mit den Augen des Strategen beurteilt
wird, dann findet auch in dieser Sphäre die Kalkulation mit dem
Ernstfall statt. D a f ü r gilt es jede erdenkliche Vorsorge zu
treffen. Die Schnellen Eingreiftruppen für den Vorderen Orient
und anderswo, die nicht nur theoretische Debatte über den viel zu
kleinen Operationsradius der NATO-Truppen, sind dabei keine Al-
ternative zur Praktizierung des I d e a l s der autarken Ener-
gie. Ganz viel Militär und Gewalt für die Sicherung der Nach-
schubwege des Frontstaats u n d die Verwirklichung des nationa-
len Brennstoffkreislaufs in der Kernenergie sind die beiden prak-
tischen Seiten des bei Politikern so beliebten Ideals der Ener-
gieautarkie der Republik.
Der nationale Brennstoffkreislauf
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Die deutsche Wissenschaft hat für das nationale Ideal der Autar-
kie in Sachen Energie schon früh den Stein der Weisen gefunden.
Ganz selbstverständlich haben die Forscher aus der Entdeckung des
physikalischen Sachverhalts, daß bei der Spaltung von Uranbrenn-
stoff in Reaktoren das Plutonium-Isotop 239 entsteht, das selbst
wieder spaltbar ist, den nicht gerade physikalischen Schluß gezo-
gen, daß sich auf diese Weise ungeahnte Mengen an Energie für die
Nation freisetzen lassen. Das amerikanische Manhattan-Projekt hat
die erste staatliche Anwendung realisiert; ein Weg allerdings,
der der BRD nach dem 2. Weltkrieg versperrt war. Deutschland
hatte den Krieg verloren und "die Bombe" war antifaschistisch.
Nicht nur Politiker lernen schnell, auch Physiker. Dann mußte
eben die deutsche Kernenergie ebenfalls antifaschistisch werden.
Als der Leiter der amerikanischen Atombombenproduktion General
Groves mit der Überlegenheit des Siegers die internierten deut-
schen Atomphysiker die offizielle Rundfunksendung über Hiroshima
hören ließ und sie dabei abhörte, führten ihm die Gelehrten einen
Übergang vor, der die Kernenergiepolitik in der BRD seither cha-
rakterisiert.
"Heisenberg beklagte, daß er dem deutschen Atomenergie-Projekt
nicht die gleiche Anstrengung habe widmen können, wie sie an die
Entwicklung der V1 und der V2 gewendet worden sei."
So ehrlich sein Bedauern, so wenig hatte Heisenberg die Zeichen
der Zeit erkannt. Weit voraus war ihm da Weizsäcker, der den Dreh
gleich raus hatte:
"Weizsäcker: Ich glaube, es ist uns nicht gelungen, weil alle
Physiker aus Prinzip gar nicht wollten, daß es gelang. Wenn wir
alle gewollt hätten, daß Deutschland den Krieg gewinnt, hätte es
uns gelingen können."
Mit dieser Erhebung der deutschen Physik zu einem insgeheimen Sa-
botageunternehmen war zumindest ideell die deutsche Nutzung der
Kernenergie mit dem permanenten Attribut "friedlich" geboren. Die
neue Republik brauchte nur noch die Zustimmung der Alliierten.
Seit sie diese 1955 erhielt, dient die deutsche Atomtechnologie
schon per Namensgebung rein wirtschaftlichen Zwecken. Für die
Verantwortlichen war das Ziel klar. Mit Reaktoren der ersten Ge-
neration schafft man den Brennstoff, der nach der Wiederaufarbei-
tung in den Brütern mindestens ebensoviel Plutonium "erbrütet",
wie verbraucht wird. So wird der nationale Brennstoffkreislauf
geboren.
"...die Aufstellung eines Programms unter dem Aspekt zu sehen,
daß die deutsche Wirtschaft in etwa 10 bis 15 Jahren autark sei,
indem sie dann genügend Kernbrennstoffe selbst herstelle."
(Bagge, 19.4.56)
Und von der andern Abteilung der segensreichen nationalen Verwen-
dung des Plutoniums, das der Brüter in ordentlichen Mengen lie-
fert, brauchte nicht geredet zu werden. War auch nicht opportun.
Geschäft mit politischen Vorgaben
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Die Zeitvoraussage des Physikers Bagge wurde nicht erreicht, doch
dem Ziel angemessen fiel die Abwicklung des Programms schon aus.
Der staatliche Wille, den nationalen Brennstoffkreislauf zu re-
alisieren, hob einen Geschäftszweig aus der Taufe, der - wie sich
das kapitalistisch ziemt - nach ökonomischen Maßstäben kalku-
liert, der aber wegen der Unbedingtheit des staatlichen Interes-
ses am Gebrauchswert seiner Produktion nicht mit dem wirtschaft-
lichen Kriterium steht und fällt. So wenig der Ausgangspunkt der
heute munter laufenden Leichtwasserreaktoren eine Marktanalyse
war, so ausgemacht war das Ziel Plutonium-Technologie. Gewisse
ungeklärte technische Fragen durften dabei einfach keine Rolle
spielen. Das nationale Anliegen vor Augen, kann einen deutschen
Physiker oder Ingenieur doch nichts schrecken. Als der Bau des
Brüter-Prototypen in Kalkar begann, standen nach Angaben des der-
zeitigen Leiters des Projekts 'Schneller Brüter' nur die lächer-
liche Zahl von 900 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben an, von
denen 1982 noch etwa 80 offen waren. Der Beschluß, den Brüter zu
bauen, setzte den Technikern den Ansporn, die Technologie, die da
gebastelt wird, auf der Baustelle noch eben zu erfinden. Lässig
bringt es der gleiche Mann fertig, die aus diesem Grund nicht
sonderlich erstaunliche "Kostenexplosion" des SNR-300 in Kalkar
"Bürgerprotesten" und einem "konservativen Sicherheitskonzept"
untergeordneter staatlicher Stellen anzulasten. Daß die Kerndin-
ger schon im Normalbetrieb strahlen und auch mal einen kleineren
fall-out produzieren können, ist angesichts der an sie anzulegen-
den Maßstäbe der Kostensenkung und der zügigen Fertigstellung für
die Kernspezialisten in Karlsruhe schon gleich ein Gerücht, das
übervorsichtige oder gar "technikfeindliche" Elemente ausstreuen.
Für die gewinnkalkulatorische Seite der Anlagenbauer und der En-
ergiewirtschaft wurde gesorgt. Im staatlichen Preisfestlegungs-
verfahren für den Strom der Privathaushalte (die Industrie hat
gesonderte Verträge) wurde ein Atompfennig eingeführt. Durch mo-
difizierte Sicherheitsauflagen vom "Konservativen" weg sowie
durch die von der Politik kräftig mitbetriebenen Preiserhöhungen
für andere Energiesorten wird die von der Kemenergieindustrie er-
wünschte Rentabilität des nationalen Anliegens garantiert.
Verzichtspolitik? - Der Atomwaffensperrvertrag
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Die andere Seite der strategischen Bedeutung des Atoms hat die
Politik bei allem geschäftsmäßigen Treiben nicht vernachlässigt.
D e r Beweis für die - von Politikern gern hervorgehobene - be-
merkenswerte Bescheidenheit der BRD auf diesem Sektor legt davon
Zeugnis ab. Der Sache nach hat die westdeutsche Gewalt mit der
Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags auf nichts verzichtet,
sie hatte ja keine Nuklearwaffen. Vom Standpunkt der Mittel, die
ein Staat mit globalen Interessen benötigt, ist der Vertrag für
den Staatsminister im Auswärtigen Amt allerdings ein klarer Fall
von Benachteiligung.
"Wir leben in einer Welt, die nicht nur zwischen Ost und West,
Nord und Süd geteilt ist, sondern die auch geteilt ist zwischen
Staaten mit Verfügungsgewalt über atomare Waffen und Staaten, die
diese Verfügungsgewalt nicht haben." (Mertes, 10.1.85)
Daß allerdings gerade die Unterschrift der BRD unter diesen Ver-
trag ihr die Beteiligung an den härtesten Mitteln moderner Souve-
ränität eröffnet hat, läßt Mertes nicht weg. Sie ist für ihn eine
B e d i n g u n g der angeblichen bundesdeutschen Enthaltsam-
keit.
"Geschäftsgrundlage des deutschen Beitritts zu diesem Vertrag war
neben der Verhandlungszusage der Kernwaffenmächte und der Siche-
rung unseres Rechts auf friedliche Verwendung der Kernenergie, da
die nicht-nukleare Bundesrepublik Deutschland auf die Sicher-
heitsgarantie ihres amerikanischen Hauptverbündeten angewiesen
bleibt." (Mertes)
Die "Geschäftsgrundlage" ist also, daß die BRD über die politi-
sche Wucht der atomaren Mittel für die Durchsetzung der politi-
schen Interessen der Nation im Bündnis verfügt; daß sie also wie
eine Nuklearmacht ist, ohne über einen exklusiv nationalen, son-
dern 'nur' einen Bündnis-Finger am Drücker zu gebieten.
Der "Sinn" der WAA
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Der "Verzicht" der BRD auf schwarz-rot-goldne Kernwaffen hat
nicht nur das Bewußtsein der deutschen Politik zur Grundlage, daß
die weltpolitischen Ordnungsmaßstäbe, die sie an fremde Souveräne
anlegt, Atomwaffen b r a u c h t. Er beruht zweitens auf der
bundesdeutschen Teilnahme an der nuklearen Planungsgruppe der
NATO. Z u f r i e d e n h e i t herrscht deshalb bei den Vor-
kriegspolitikern beileibe nicht. In weiser Voraussicht haben sie
deshalb drittens in einem Brief an die amerikanische Regierung
bei der Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrags eigens eine
"europäische Option" reklamiert. Das I d e a l der europäischen
Supermacht hat die damalige sozialliberale Koalition eigens als
deutsche Rechtsposition in Sachen Regelung der "europäischen
Frage" international geltend gemacht. Und viertens wird jetzt die
WAA gebaut. Die Sicherstellung der M i t t e l für alle nur
denkbaren zukünftigen Optionen, darum geht es der Bundesregierung
mit ihrer "höchsten Priorität" für die Wiederaufarbeitung von
Brennelementen und der Produktion des Pu 239. Wäre ja auch jam-
merschade, wenn "wir" eines Tages höchstoffiziell auch Atomwaffen
mit Bundesadler aufstellen dürften und der nationalen Sicherheit
wegen dringend müßten, und die C-Regierung hätte in dieser wich-
tigen Frage die "technische Zukunft" verschlafen.
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Grüne Warnungen
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"Bei einer Technologie mit derartig hohem Gefahrenpotential ist
eine nur kurzfristige Betrachtung ihrer mißbräuchlichen Verwend-
barkeit (eigentlich ist sie in sich schon ein Mißbraueh)
schlichtweg absurd. Der Verweis darauf, daß die BRD politisch
stabil ist, daß ihre politische Führung keine Atomwaffen bauen
will und sich entsprechenden Vertragswerken angeschlossen hat,
greift viel zu kurz: Eine wirklich der Sicherheit der Bevölkerung
dienende Politik muß vor dem Hintergrund der Erfahrungen dieses
Jahrhunderts auch die Möglichkeiten einer politischen Instabili-
sierung in Rechnung ziehen und Vorsorge dafür treffen, daß kei-
nerlei denkbares Regime sich Massenvernichtungswaffen zulegen
kann." (Die Grünen, Hessen )
Bei dem G e b r a u c h, den die Bundesregierung ganz aktuell
von der Kernenergie macht, ist die Warnung vor einem
M i ß b r a u c h infolge zukünftiger "instabiler" Verhältnisse
schlichtweg absurd. Es sei denn, man t r a u t dieser Bundesre-
gierung alles zu - nur nichts Schlechtes.
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