Quelle: Archiv MG - BRD KERNENERGIE ALLGEMEIN - Von der strahlenden Gegenwart


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       Korrespondenz
       
       Trifft die Weizenwaffe wirklich?
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       Liebe MSZ-Redaktion,
       in dem  Artikel "Warum  die Weizenwaffe  trifft" (MSZ Nr. 2/1980)
       wollt ihr  nachweisen, daß  das amerikanische Getreideembargo ge-
       genüber den  Sowjetmenschen tatsächlich  "eine nicht unerhebliche
       Verknappung der  Lebensmittel" und  damit  "Hunger"  bewirkt.  Es
       stimmt zwar,  daß die SU aufgrund ihrer recht mangelhaften ökono-
       mischen Gestaltung  des Agrarsektors  darauf angewiesen ist, sich
       Getreide aus  dem westlichen  Ausland zu  besorgen. Doch  ist das
       amerikanische Interesse  am Aushungern  der sowjetischen Bevölke-
       rung noch  lange keine  Gewähr dafür, daß es dazu dann auch wirk-
       lich kommt.  Mit keinem  Wort wird  in Eurem Artikel erwähnt, daß
       die sowjetische  Führung aus anderen Ländern sich das besorgt hat
       bzw. noch besorgen wird, was die Vereinigten Staaten der Bevölke-
       rung vorenthalten möchten.
       Es sei hier nur darauf verwiesen, daß vor allem Argentinien, aber
       auch Kanada und Australien der SU das Zeug verkauft haben. Einmal
       abgesehen davon, daß die SU selber noch einige Reserven hat, sind
       die RGW-Staaten  selber ja  nicht von  Carters Embargo betroffen,
       können also im Auftrag der UDSSR den benötigten Weizen aufkaufen.
       Von der  im MSZ-Artikel  behaupteten  Z i e l s i c h e r h e i t
       der amerikanischen  Weizenwaffe  kann  deshalb  meines  Erachtens
       k e i n e  Rede sein.
       Mit sozialistischen Grüßen, Gisela L.
       
       Keine Illusionen über die ökonomische Politik der SU
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       und den Charakter der amerikanischen Interessen
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       Liebe Gisela,
       Das von  Dir gewünschte  Argument, daß die VdSSR sich aus anderen
       Quellen Getreide  besorgt, fehlt im Artikel deshalb, weil es sich
       dabei um  eine Selbstverständlichkeit  handelt -  jeder von einem
       Embargo betroffene  Staat wird sich darum bemühen. Allerdings war
       das auch  nicht unser  Problem: Der  Artikel wollte nämlich nicht
       "nachweisen", daß die Weizenwaffe trifft, sondern warum, also die
       ökonomische Politik der SU kritisieren.
       Die Methoden  der SU,  ein solches Loch zu stopfen - ganz gleich,
       wie sehr man es herunterrechnet -, haben die Eigenschaft sich für
       andere unangenehm bemerkbar zu machen. Wenn die UdSSR seit Anfang
       des Jahres  umfangreiche Rindfleischkäufe  in Argentinien tätigt,
       dann nicht, um ihrer Arbeiterklasse ein Sondergeschenk zu machen;
       die dafür  erforderlichen zusätzlichen  Devisen werden  ihr  ihre
       Werktätigen an  anderer Stelle  erarbeiten müssen. Weiter hat die
       KPdSU im  März und  April recht eindeutige Verordnungen erlassen:
       einen "Aufruf  zu einer  erheblichen Steigerung der Futtermittel-
       produkLion" und ein Dekret mit
       
       "Ausführungsbestimmungen, durch  welche die  Arbeitslust (!)  der
       Kollektivbauern stärker angereizt werden soll."
       
       D a s   Mittel ist also - wie immer - die Arbeitskraft, womit das
       Embargo  nicht  ganz  spurlos  an  der  sowjetischen  Bevölkerung
       vorbeigegangen wäre.  Daß es zwei Möglichkeiten gibt, die eigenen
       Leute zur "Bewältigung" des Embargos heranzuziehen, durch Sonder-
       einsätze und Schufterei und durch weniger bzw. teurere Lebensmit-
       tel, ist nach unserer Meinung kein Grund zu Optimismus.
       Weil Dir  das Argument  mit dem "Hunger" offensichtlich besonders
       übertrieben vorkommt:  Auch wenn  es "nur"  statt vorher  viermal
       jetzt zweimal  in der  Woche Fleisch zu kaufen gibt, auch wenn es
       "nur" teurer  oder "nur"  in bestimmten  Bezirken knapp  gehalten
       wird, auch  wenn es  also nicht  alle trifft,  sondern "nur"  ein
       paar, gestatten  wir uns  großzügigerweise, von "Hunger" zu spre-
       chen. Daß  man doch  immerhin noch Kartoffeln fressen kann, wirst
       Du ja  wohl auch  nicht als Argument ansehen. Eben diese Kalkula-
       tion mit  Bedürfnissen, die ja recht flexibel handhabbar sind, wo
       man immer ein bißchen abknapsen kann, ohne daß von Verhungern die
       Rede sein  kann, haben wir der SU zum Vorwurf gemacht. Man sollte
       sich also  nicht ähnlicher Vorstellungen bedienen, nur um der Ge-
       nugtuung willen,  daß die USA sich (angeblich) nicht haben durch-
       setzen können.
       Zu Deiner nicht ganz eindeutigen Formulierung von der "recht man-
       gelhaften ökonomischen  Gestaltung des  Agrarsektors" in  der So-
       wjetunion: Es  ist nicht  so, daß man in der UdSSR nicht über die
       richtigen 'Methoden'  verfügen würde; der KPdSU unterlaufen keine
       'Fehler' in  ihrer Agrarpolitik.  Diese (im  übrigen die  gesamte
       Konsumgüter-Industrie!) ist  so geplant,  daß am Rand von Versor-
       gungsengpässen entlang  manövriert wird,  eben weil  es dem Staat
       auf etwas anderes ankommt. In der Raketenproduktion gibt es keine
       Produktionsengpässe, und  es geht  auch nicht einmal 'per Zufall'
       der Stahl  aus! Ein  letztes schließlich  zu Deinem Argument, das
       "amerikanische Interesse sei noch keine Gewähr dafür, daß es dann
       auch wirklich so kommt". Mach Dir bitte keine Illusionen über den
       Charakter amerikanischer Interessen: So etwas wie im Fall des Ge-
       treideembargos, daß andere Staaten ein paar Mio t zusätzlich los-
       schlagen, ist  nur solange  möglich, wie die USA es  d u l d e n,
       wozu sie  ihre Gründe haben und diese bestehen  n i c h t  in ih-
       rer   O h n m a c h t.   Die Vorstellung,  daß gegen den gesunden
       Geschäftsgeist kein  Kraut gewachsen  ist, gehört  in den Bereich
       nationalökonomischer Idyllendichtung.  Die momentanen Verhandlun-
       gen der USA mit den NATO-Staaten über die Verschärfung der COCOM-
       Listen beweisen das Gegenteil davon, daß das amerikanische Inter-
       esse zwar  gegen die  UdSSR gerichtet,  aber gottseidank  relativ
       hilflos ist.
       Im folgenden noch einige Anmerkungen zu dem Artikel im "Spiegel":
       
       "Notfalls Fischmehl  oder Gras. Das amerikanische Getreideembargo
       gegen die Sowjets erweist sich als Fehlschlag."
       
       Das gleiche Magazin prognostizierte im Februar (Nr. 8) einen mög-
       lichen "Zusammenbruch der Fleischversorgung" und Brotrationierun-
       gen  in   der  Sowjetunion  und  entlarvt  nun  das  Embargo  als
       "Fehlschlag". Während im Februar - ganz 'objektiv' - der Schaden-
       freude über  die Verwundbarkeit der Sowjetunion und einigen daran
       geknüpften Hoffnungen Ausdruck gegeben wurde -
       
       "Der Massenunmut kann" (= sollte doch vielleicht bitte) "sich ge-
       gen die Regierung richten" -,
       
       nimmt der jetzige Artikel dieselbe politische Propagandafunktion,
       nur anders,  wahr. Bei  der Mühe,  das Defizit auf "nur" ein paar
       Mio t  herunterzurechnen und  das  Problem  der  Futtermittelver-
       sorugng auf  so gut  wie null, ist dem "Spiegel" kein Argument zu
       blöd: auf  einmal ist die Sowjetunion noch beträchtliche Reserven
       und die cleveren russischen Bauern
       
       "konnten die Futterrationen schon immer gut strecken: mit Kartof-
       feln, oder Fischmehl, In der Not auch mit Gras."
       
       Warum hat  es denn  bloß jemals  Schlachtungen wegen Futtermangel
       gegeben? Der  Beweiszweck des  jetzigen Artikels ist unübersehbar
       die Veranschaulichung jenes Spruchs, den bundesdeutsche Politiker
       zur Zeit  gerne und  häufig loswerden,  daß Embargos noch nie ge-
       klappt hätten.  Die dabei  zur Anwendung gebrachte Heuchelei, man
       möchte ja  gerne die  USA unterstützen, bloß sei das  M i t t e l
       leider so   u n t a u g l i c h,  ist die Methode, in aller Bünd-
       nis t r e u e  sich  g e g e n  die amerikanische Forderung einer
       Beschränkung des  bundesrepublikanischen Ostgeschäfts  zu verwah-
       ren. Und  der "Spiegel", diese treue 'Stimme seines Herrn', nimmt
       das Getreideembargo  zum Anlaß,  der Lüge von der grundsätzlichen
       Erfolglosigkeit solcher  Maßnahmen ein  bißchen Plausibilität  zu
       verschaffen. Die eine Seite ist dabei der 'Nachweis' der angebli-
       chen Wirkungslosigkeit  gegenüber der  UdSSR, die andere ist aber
       auch nicht ohne:
       
       "Am meisten   g e s c h ä d i g t   werden die Amerikaner selbst.
       Die Washingtoner  Regierung muß aus Ihrem defizitären Staatshaus-
       halt den Farmern Milliarden als Entschädigung zahlen..."
       
       Der arme  bedauernswerte amerikanische  Staatshaushalt,  er  wird
       sich noch  zu Tode bluten! Spiegeljournalisten, die wohl kaum Un-
       wissenheit vorschützen  können über  die  Größenverhältnisse  der
       Entschädigungsgelder für  die Farmer und der Kosten von nur einem
       cruise missile  (das der  Staatshaushalt ja samt seinen Defiziten
       offensichtlich prächtig finanzieren kann), die ebenso feststellen
       könnten, mit  welcher Lässigkeit die USA diesen Unterposten ihrer
       Handelsbilanz als politisches Druckmittel benutzen, solche Könner
       der politischen  Meinungsbildung  rechnen  den  USA  scheinheilig
       einen gewaltigen  "Schaden" aus! Das ist objektiver Journalismus:
       Amerika hat  einen bedenklichen Verlust, weil die Farmer ein paar
       Mio Dollar  weniger kassieren - am russischen Bauern dagegen ver-
       pufft das  Embargo wirkungslos, weil der sich schon immer "in der
       Not" gut behelfen konnte.
       MSZ-Redaktion
       
                                     *
       
       "Rückkehr zum Naturzustand"
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       Betr.: MSZ Nr. 2/28.4.80, S. 17/18: "Nach einem Harrisburg"
       Bitte seid  so lieb  und bringt  künftig eure  Artikel gegen  das
       "Atomprogramm" unter der Rubrik "Zeitgeist"!
       (Die vernichtende Kritik an entwickelter Produktivkraft bildet ja
       wohl kaum einen ernstgemeinten Bestandteil des wissenschaftfichen
       Marxismus, dessen Stellung ihr ansonsten so respektabel gegen die
       "alternative" Linke  zu halten versteht. Die "Gefahren" der Tech-
       nik sind  mit  Sicherheit  nur  durch    R ü c k k e h r    z u m
       N a t u r z u s t a n d   zu beseitigen  - sollte das etwa die so
       beharrlich dem  breiteren Publikum  vorenthaltene  MG-Perspektive
       sein? Doch  will ich eine derartige Kleinkariertheit an euch ein-
       fach - unvernünftigerweise? - nicht wahrhaben...)
       Mit besten Empfehlungen, Leo A.
       
       Schon mal was vom Kapitalismus gehört?
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       Lieber Leo,
       Deine Empfehlung,  bei Kernkraftwerken  handle es  sich um  Zeit-
       geist, hat uns nun doch beinahe aus dem Wasserbett gehauen, Spon-
       tan stellten  wir den  Marantz um 3 db leiser, eilten an die noch
       warme IBM, um Dir folgendes zu bedenken zu geben:
       Schon mal  was von kapitalistischer Produktionsweise gehört, wenn
       Du uns  mit 'entwickelter  Produktivkraft' kommst? Wir halten den
       U m g a n g   mit der Technik in unserer Gesellschaft nämlich für
       zu real,  als daß  wir auf  den Unsinn  hereinfallen, daß   d e r
       Fortschritt nun  einmal mit  Gefahren verbunden sei, die Du - wie
       wir den  Anführungsstrichen entnehmen  - ja für keine hältst. Als
       w i s s e n s c h a f t l i c h e   Marxisten nehmen  wir es  mit
       den  F o r m e n  'der Entwicklung' zu genau, als daß wir einfach
       darüber hinwegsehen  - wozu bräuchte es sonst Kritiker. Zeihe uns
       also nicht der Dummheit, zum Naturzustand zurückkehren zu wollen.
       Eines hast  Du nämlich  unter der  Hand gemerkt,  daß Kritik  nie
       "perspektivlos" ist.  Aber nur,  weil Du auf den Spruch hereinge-
       fallen bist, Du MSZ-Leser, Du kritischer.
       Deine MSZ
       

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