Quelle: Archiv MG - BRD INNENPOLITIK INNERE-SICHERHEIT - Vom demokratischen Kontrollwesen


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DIE VERHINDERTEN VERHINDERER

Die verbliebenen Reste der RAF führen ihren privaten Kleinkrieg, der Staat veranstaltet ein groß es Gezeter und macht anläßlich dieser Gelegenheit locker den Übergang zur Gleichsetzung von Kri- tik und "Terrorismus" - und was fällt dazu der "alternativen Ta- geszeitung" "TAZ" ein? Selbstbezichtigungen -------------------- Trotz jahrelanger Kleinarbeit ist es ihr und der deutschen Linken nicht gelungen, 20-25jährige vom Blutspurenziehen abzuhalten. Die Enthüllungen über die internen Strukturen waren nicht enthüllend genug, das früher verwendete Vokabular war martialisch und konnte darum von den Terroristen tatsächlich ausgebeutet werden, die kritische Diskussion gab sich nicht die notwendig eindeutige Stoßrichtung, sondern duldete überkritisch noch mißverständliche Begriffe - wer hätte aber auch mit der Zähigkeit dieser Brut ge- rechnet? Diese Behauptungen über vergangene Anliegen der Linken, die sie nicht konsequent genug gegen ihresgleichen verfolgt hätte, sind natürlich erstunken und erlogen. Man kann der deutschen Linken ja viel nachsagen - daß sie eine Jugendbesserungsanstalt sein w o l l t e, geht denn doch zu weit. Daß sie aber eine w a r u n d i s t, steht auf einem anderen Blatt und wird von eben dieser "TAZ " aufs unschönste beweisen. Angesichts der Unerbitt- lichkeit der Staatsgewalt, die sich um die fortschrittlichen Mo- tive dieser Staatsverbesserungsillusionen einen Teufel schert, betreibt sie nämlich Tätige Reue ----------- Ihre Geschichtsklitterung beinhaltet ja immerhin die "Einsicht", daß die Aufgabe der Linken darin b e s t ü n d e. Also verkün- det sie jetzt als erstes mal ihre Sprachlosigkeit und betont als zweites ihren Übergang zur "Normalität": "Proletariat rekonstru- ieren"? - nie gehört, das kann doch kein normaler Mensch verste- hen. Sie nimmt also o f f i z i e l l Abschied von ihren eige- nen Ideologien, die darin bestanden, dem Proletariat denselben fortschrittlichen Drang wie der deutschen Linken anzudichten und die mangelnde Begeisterung der Proletarier nicht in die Notwen- digkeit von Agitation, sondern in ein "Rekonstruktions"Problem zu übersetzen. Spätestens jetzt, wo sich an der RAF zeigt, wie unum- schränkt der Staat sein Volk hinter sich weiß und dementsprechend vereinnahmt, ist es an der Zeit, offen und deutlich zu sagen, daß die eigenen Vorstellungen völlig "unnormal" sind. Diese Linken s t e h e n zu ihrem Läuterungsprozeß, der umstandslos auf die Formel zusammenschrumpft, daß die RAF schlimmer sei: Ihre Killer- methoden überträfen den Polizeiapparat noch allemal an unmittel- barer Skrupellosigkeit. Dieser Vergleich ist zwar mittelbarer Quatsch und blamiert sich unmittelbar vor den Gewaltakten demo- kratischer Herrschaft daheim und auswärts - aber was macht's, wenn man, von der Staatsgewalt vor die A l t e r n a t i v e gestellt, sich unbedingt zur legitimen Gewalt, zum R e c h t, b e k e n n e n will. Dafür waren sie ja schon immer, diese Her- ren Linken, nur noch ein bißchen verbessert hätten sie sich das Recht vorstellen können - wenn ihnen aber Zimmermann sagt, daß es heutzutage "wegen der Terroristen " halt nicht anders zu haben ist, dann sind sie doch lieber dafür, daß es so erhalten bleibt, wie es ist. Der Übergang von der Sprachlosigkeit zum alternativen Verfassungsschutz ist längst vollzogen. Damit gibt sich linkes Selbstbewußtsein natürlich nicht auf, son- dern arbeitet nur schonungslos seinen eigenen Begriff heraus, nämlich daß man sich die Staatsgewalt n o c h e f f i- z i e n t e r vorstellen könne. Den Selbstbezichtigungen folgt die Selbstanpreisung ---------------- auf dem Fuß: Möge doch die Polizei endlich einsehen, daß man die Terroristenhatz noch viel geschickter anstellen könne. Wenn man doch die Linke endlich als die Jugendverbesserungsanstalt aner- kennt, dann ließe sich der Sumpf im Keim ersticken. Beim I n t e g r i e r e n der Jungen Generation ist sie unschlagbar, was man daran merkt - ein kleiner kritischer Zungenschlag muß jetzt doch herein, zum Zwecke der Betonung der eigenen Unver- zichtbarkeit -, daß die Polizei mit ihren überzogenen Maßnahmen die Politisierung zum Terroristen vorantreibt. Laßt doch uns die Aufklärungsarbeit machen - in unseren kritischen Diskussionen wird noch jede Staatsgegnerschaft wegdiskutiert! *** taz, Donnerstag 7.2.85 "Wer verhindert die RAF? Nicht nur das Bundeskriminalamt, auch die linke Öffentlichkeit war einigermaßen überrascht von der Zähigkeit, mit der in den letzten Wochen verschiedene Anschläge bis zum Mord an dem MTU- Vorstandsvorsitzenden Zimmermann die Tradition der RAF fortsetz- ten. Mehr als zehn Jahre der politischen Auseinandersetzung und verschiedene Enthüllungen über die internen Strukturen dieser Gruppe haben es nicht zu verhindern vermocht, daß eine neue Gene- ration von 20-25jährigen die Blutspur weiterzieht. Der Bekenner- brief des 'Kommandos O-Hara' muß nun vollends sprachlos machen: 'Proletariat rekonstruieren', 'Kampf für die Einheit der revolu- tionären Front', 'Angriff gegen die Säulen der imperialistischen Macht' - ist das nicht das alte linke, vertraut martialische Vo- kabular, wie von einer Schellack-Platte vorgespielt? 'Proletariat rekonstruieren'- das versteht zu Recht kein normaler Mensch; es kann aber jetzt nicht darum gehen, die dumme Aneinan- derreihung großspuriger Worte zu entlarven. Vielmehr muß die linke Öffentlichkeit, die die Ideologie der RAF in ihre kritische Diskussion mit einbezogen hat, sich fragen lassen, warum sie so wenig überzeugen konnte, warum die gemeinsamen Begriffe so miß- verständlich bleiben. Jeder, der von dieser linken Öffentlichkeit nicht abgehalten wird, der wird von der Polizei abgehalten - auf ihre Weise. Und die ist durchaus in der Lage, ihren Teil zur Schaffung immer neuer RAF-Generationen beizutragen. Die 20-25jährigen RAF-Anhän- ger haben doch gar keine eigenen Erfahrungen mit dem 'Prole- tariat', sonst könnten sie über ihre Kommandoerklärungen nur lachen oder heulen. Ihre Politisierung wird durch sog. 'polizeiliche Maßnahmen' vorangetrieben. ... Nun bestätigt auch ein Polizeiapparat, der ermächtigt ist, so mit Staatsbürgern umzuspringen, nicht die Behauptung der RAF vom 'Vernichtungsinteresse'. Da müssen diejenigen, die sich gegen solche polizeilichen Maßnahmen aussprechen, deutlicher werden und differenzierter parteilich: Vernichtungsphantasien gibt es, aber gerade auch auf Seiten der RAF. Ihre Killermethoden übertreffen den Polizeiapparat allemal an unmittelbarer Skrupellosigkeit. (Klaus Wolschner)" zurück