Quelle: Archiv MG - BRD INNENPOLITIK INNERE-SICHERHEIT - Vom demokratischen Kontrollwesen
zurück Eine abweichende Meinung organisiert sich - Das kann für den Verfassungsschutz nur eines sein:PSYCHOTERROR IN SUBVERSIVER ABSICHT
Die MG denkt Böses, will Böses - und hat damit auch noch Erfolg, jedenfalls in den Augen der Staatssicherheitsbehörden: "Heute sind die meisten linksextremistischen Organisationen, die sich an solchen Vorbildern " - nämlich wie Pol Pot - "orientierten, entweder zerfallen oder auf kleine Zirkel weniger Unbelehrbarer zusammengeschmolzen. Aus der seit Ende der 70er Jahre anhaltenden Krise revolutionär-marxistischer Zusammen- schlüsse ragt die MG als Ausnahme hervor. Seit ihrer Gründung konnte sie die Zahl ihrer Anhänger kontinuierlich steigern. Grö- ßere Austrittswellen kennt sie nicht." (55) Der Zerfall der sonstigen "neuen Linken", die den Sicherheitsbe- hörden alle Arbeit abgenommen haben, wird als Meßlatte an die MG angelegt; und schon ragen die paar tausend Kommunisten in der Re- publik in geradezu grotesker Weise hervor: Es gibt sie glatt noch, sie sind noch n i c h t zu völliger Handlungsunfähigkeit verkümmert - und a l l e i n d a s ist dem Innenministerium schon z u v i e l E r f o l g. Weder das Ziel wird ins Auge gefaßt, das die MG sich selbst vorgenommen hat und von dem sie sich verdammt weit entfernt weiß; noch wird irgendein gesell- schaftlicher Einfluß des Kommunismus namhaft gemacht, der den Si- cherheitsbehörden Sorgen machen müßte. D a ß es überhaupt noch Leute gibt, die Marx und die Notwendigkeit einer Revolution ver- treten, daß der Kommunismus also insoweit i m m e r n o c h nicht ganz tot ist: das allein wird vom obersten Staatsschützer als sicherheitsrelevantes Ärgernis definiert. S o t o t a l i- t ä r v e r f ä h r t i m J a h r 1 9 9 1 d i e f r e i- h e i t l i c h e d e u t s c h e D e m o k r a t i e. Die Broschüre des Innenministeriums nimmt sich dieses Ärgernis ganz wissenschaftlich vor: "Stabilität und Erfolg der MG" widmet sie in vornehmer Bescheidenheit den "Versuch einer Erklärung". Komischerweise gelangt sie mit diesem theoretischen "Versuch" zu einer Diagnose, nach der die Praktiker der Staatssicherheit schon seit längerem ihre Therapie ausrichten und die MG kaputtmachen - ein schönes Beispiel dafür, wie gut sich der Gestus wissenschaft- licher Bescheidenheit mit unbefangener staatlicher Gewalttätig- keit verträgt. "Die MG als Sekte" ------------------ Sozialwissenschaftlich gesehen liegt beim Zusammenhalten der MG ein Fall von extrem abweichendem Verhalten vor, das nie und nimmer durch die Gründe begründet sein kann, die diese Gruppe für sich und ihr Wirken hat und weiß und öffentlich ansagt. Diese Gründe sind ja als eine Perversion des Denkens und Wollens identifiziert, so daß die Frage sich so stellt: Wie schafft es die MG, i h r e S c h l e c h t i g k e i t stabil und dauerhaft zu machen. Die Antwort der allerhöchsten MG-Theoretiker des Innenministers ist einerseits entwaffnend schlicht: Die MG tut allerhand, um für ihre Sache Mitmacher zu gewinnen; und was sie tut, ist auch noch ziemlich zweckmäßig: Sie "bietet ihre Agitationsschriften an, um Neugier zu erregen; dies allerdings regelmäßig und in beachtli- chen Stückzahlen"; dabei "vermeidet die Gruppe penetrante Missio- nierungsaktionen" und "wartet, bis Interessierte freiwillig zu ihr kommen." Z.B. an einen Büchertisch, "an dem kostenfrei oder gegen geringes Entgelt 'Aufklärung' über den verwirrenden 'Unsinn' der bürgerlichen Wissenschaft angeboten wird. " "Besuche von öffentlichen Veranstaltungen der Gruppe, schließlich das Angebot, an einem Sympathisantenplenum teilzuneh- men, werden sich anschließen." (57) Dort geht es weder um Händchenhalten noch um den Beginn einer hoffnungsvollen Politkarriere mit Wahlkampfeinsätzen und An- schleimen beim Vorstand, sondern um die Vermittlung der Einsich- ten über die bürgerliche Welt, die die MG für entscheidend hält und mit denen sie ihre Agitation bestreitet; und es wird kein Hehl daraus gemacht, daß das ohne Kritik an gewohnten Ansichten und Heucheleien nicht abgeht: "Die MG sucht wahrzumachen, was sie in ihren Publikationen poten- tiellen Sympathisanten versprochen hatte: den 'Verlust aller weltanschaulichen und ethischen Fundamente'." Wer das nicht mitmachen will, bleibt einfach wieder weg; wer überzeugt wird, bleibt dabei und fängt an, mit den Theorien der MG auch deren Agitationsbemühungen zu seiner Sache zu machen. Beides kostet Zeit; und so bleibt es nicht aus, daß die werdenden Mitglieder ihr Leben ein wenig umorganisieren, "die Gruppe zuneh- mend mehr in den Lebensmittelpunkt" rückt und sogar private Freundschaften mit Leuten entstehen, die ungefähr dasselbe wich- tig nehmen und unwichtig finden. In der Tat, so geht es im großen und ganzen zu im wirklichen Le- ben. Was daran ist pervers und verwerflich? Im Lichte der fest- stehenden Aburteilung des politischen Zwecks der Sache: schlechthin alles. Denn weil das Ergebnis unerwünscht ist, m u ß das, was dafür getan wird, durch und durch schlecht aussehen. Es so aussehen zu lassen, ist die wissenschaftliche Leistung der Broschüre. Denn sie führt den Nachweis, daß nichts, was die Gruppe treibt, einfach bloß das ist. 1. Wenn die MG sich darum kümmert, daß niemand, der mitmachen will, sich in ihren Absichten und Lagebeurteilungen täuscht, dann geht es ihr nicht um ein kommunistisches Parteileben, sondern sie er- füllt den Tatbestand einer S e k t e. Was das alles Schlimmes bedeutet, entnimmt der wissenschaftliche Sachverstand zunächst einmal der Etymologie des Wortes ein schönes Beispiel für das ge- priesene Verfahren bürgerlichen Denkens, von den Fakten auszuge- hen und vorsichtig zu verallgemeinern und keinesfalls Deduktionen aus vorgefaßten Urteilen zu versuchen... Die "MG als Sekte" - "'secatum', das 'Abgeschnittene'" - ist "durch ihre Wertvorstellungen, ihre Denkmuster und ihr Verhalten von der übrigen Gesellschaft abgetrennt", "bewußt isoliert", ver- tritt "Positionen, die in der breiten Mehrheit der Bevölkerung auf Unverständnis stoßen oder sogar als soziales Fehlverhalten abgelehnt und bekämpft werden" -, so daß sie sich über schlechte Behandlung also nicht zu wundern braucht; sie bräuchte sich ja bloß nicht so abzusondern. Die banale Tatsache, daß die Vertreter einer abweichenden Meinung erst einmal abweichen, bis sie mit ih- rer Auffassung Interesse und Zustimmung finden, und die betrübli- che Tatsache, daß der MG letzteres bislang nicht gelungen ist, werden hier mit Hilfe der Sektendefinition so hingedreht, als wäre die Absonderung geradezu die Sache, um die es den letzten Oppositionellen im Lande eigentlich zu tun wäre. Sehr schlüssig und verständlich ist das für Leute, die ihr Denken von vornherein an dem Maßstab ausrichten, wieviel Anklang sie sich davon ver- sprechen - freilich auch nur für derart hartgesottene Opportuni- sten. Die verbieten sich dann allerdings auch bei Leuten, die es mit ihrem Denken anders halten, jeden Verdacht, denen könnte es darum gehen, die Mehrheit für eine abweichende Minderheitsmeinung zu gewinnen. Sie betrachten solche Abweichler als Opportunisten mit umgekehrten, negativen Vorzeichen: als Sektierer eben, die die "bewußte Isolierung" s u c h e n. "Der zweite Wortstamm, von 'sequor', folgen, verweist auf die Binnenstruktur von Sekten. Diese zeichnen sich durchweg durch ein rigides Verhältnis von Führerschaft und Gefolgschaft aus" - das inkriminieren die Verfechter gesellschaftlich geläufiger "Wertvorstellungen", in deren Namen andere anerkannte Spitzen der demokratischen Kultur von ihrem Kanzler in Bonn nichts so dring- lich anmahnen wie "Führung", "geistige" zumal, weil nämlich im Volk eine enorme unbefriedigte Bereitschaft lebendig sei, geführt zu werden. Es müssen eben bloß die r i c h t i g e n "geistigen Führer" ran, nämlich erfolgreiche Parteikarrieristen und nicht etwa "'Gurus'", die ihre Führerrolle "religiös-metaphysisch" be- gründen oder, was für unsere Staatsschutz-Denker offenbar etwa dasselbe, nur schlimmer ist, "durch Kompetenz zur 'richtigen' Auslegung einer angeblich 'wissenschaftlichen' Ideologie." Daß das Pochen auf diese Sorte "Kompetenz" ein einziger Angriff auf jeglichen Führer-Gehorsam ist, können nämlich Leute nicht begrei- fen, die von vornherein bei 'Verstehen' nichts als 'Gehorchen' denken und bei 'Erklären' automatisch 'Befehlen', und die deswe- gen sofort die Frage nach der Legitimation dessen aufwerfen, der "etwas zu sagen" hat - diese Floskel hat bei ihnen eben nur eine Bedeutung. Damit hat der bürgerlich-demokratische Autoritätsglaube die nöti- gen Vorzeichen für die weitere organisations-sozio- und -psychologische Analyse des MG-"Erfolgs" gesetzt: Die MG wäre so etwas wie das negative Spiegelbild des Opportunismus und der Ge- horsamsverhältnisse, in denen der bürgerliche Verstand sich wohl- fühlt. 2. Wenn die MG wirbt, dann wirbt sie nicht, sondern v e r- f ü h r t. Der "Beweis" wird an den "Opfern" geführt: "Zielgruppe der MG sind in erster Linie Studenten. Bei ihrer Ge- winnung macht sie sich verschiedene psychologische Eigenheiten dieser sozialen Gruppe zunutze." Das Studieren - diagnostiziert der Innenminister - bedeutet näm- lich sowieso eine Umstellung des gesamten bisherigen Lebens, die vielen schwerfällt; allerlei "Widrigkeiten der Massenuniversität" und schlechte Erfahrungen mit dem wissenschaftlichen Lehrangebot kommen hinzu; "Orientierungslosigkeit und ein Gefühl der Hilflosigkeit nehmen zu; und an dieser Sachlage setzen die Werbungsversuche der MG an." Nämlich mit einem "durchaus entlastenden, weil stark verein- fachten Weltbild" - offenbar ein unschlagbares Sonderangebot für "orientierungslos gewordene Studenten." Na gut. Lassen wir die Frage, ob die "Orientierung", die das In- nenministerium an vielen Studenten vermißt, weniger stark "vereinfacht" als das "Weltbild" der MG. Schenken wir uns den Rückschluß auf die Psyche von Leuten, die schlichte Weltbilder allen Ernstes für eine "Entlastung" halten. Untersuchen wir auch nicht weiter - wofür die Broschüre sich von vornherein nicht in- teressiert -, ob die MG zur geistigen Lage der Universitäten nicht vielleicht Stichhaltigeres zu vermelden hat als die Gelehr- ten des Innenministeriums mit ihrem gehässigen Verweis auf "Dozenten", die "ihre wissenschaftlichen Steckenpferde zu prü- fungsrelevanten Themen erklären". Bemerkenswert ist jedoch das Bild, das da von Opfer und Täter ei- ner MG-Verführung entworfen wird. Daß ein Student den Einstieg in die Welt der Wissenschaft als Gelegenheit benutzen könnte, die Selbstverständlichkeiten seiner Kindheit hinter sich zu lassen und sich aus eingesehenen Argumenten frei seine Überzeugung zu bilden, verbucht die Staatssicherheit ganz unbefangen als G e f ä h r d u n g s l a g e. Der Innenminister hält es für heikel, und deswegen halten seine Sozialpsychologen es gleich für eine höchst problematische 'Last' für die Betroffenen selbst, wenn Studenten der erwünschten "Orientierung" entgleiten. Ein reichlich totalitärer Anspruch auf korrekt "orientierte" Köpfe kommt da gleich als Kriterium seelischer Intaktheit und Stabili- tät daher. Und ganz nach dem Bilde dessen, was der ideologische Staatsschutz von den studierenden Köpfen der Nation v e r l a n g t, nämlich "Orientierung", also einen über Begrün- dungen erhabenen Schematismus des Denkens, nur eben wieder mit negativem Vorzeichen, wird das aufgefaßt, was die MG an die Stu- denten heranträgt. Die kann noch so beredt gegen das Sinnbedürf- nis polemisieren, das sich methodisch seine Befriedigungen strickt: Für die Fanatiker einer staatsdienlichen Sinnstiftung in den Köpfen der Leute ist selbst so eine Polemik nicht das, was sie aussagt, sondern - Sinnstiftung, aber die falsche, also eine Verführung sinnsuchender Seelchen. 3. Wenn die MG unter ihren Sympathisanten für ihre Auffassungen ar- gumentiert und Einwände nicht - tolerant - als belanglose Ein- fälle abtut, sondern zu widerlegen sucht, dann tut sie nicht das, sondern Böses: "verlangt sind die vollständige Übernahme der vom Schulungsleiter vermittelten Weltsicht und dementsprechend ein Verzicht auf ei- genständiges Denken." Bürgerlichen Wissenschaftlern bereitet es eben gar kein Problem, sich das konsequente und komplette Durchdenken der bürgerlichen Welt, das die MG ihren Sympathisanten zumutet, als eine Sache vorzustellen, die die Schulungsteilnehmer gar nicht mehr selber zu leisten bräuchten; so als wären Gedanken Dinger, die einer "übernehmen" kann wie einen Rucksack. Offenbar sehen sie ihre ei- genen Gedanken so und legen deswegen die Ehre des freien Indivi- duums nicht in die Richtigkeit seiner Auffassungen, sondern in die "Eigenständigkeit", mit der es seinen ideologischen Rucksack gepackt hat. Zwar ist nicht einmal das ersichtlich, inwiefern die MG diese "Eigenständigkeit" durchkreuzen könnte, daß sie nieman- den zu etwas zwingt, versichert das Innenministerium ja dankens- werterweise selbst. Aber wahrscheinlich ist das wieder bloß ein MG-Trick, und zwar der allergemeinste: Wer sich darauf einläßt, mit der MG argumentierend zu streiten, ist von dieser Gruppe da- mit schon um die "Eigenständigkeit" seines Denkens betrogen wor- den. Und vollends ehrenrührig ist es, sich überzeugen zu lassen - von einem MG-Schulungsleiter. 4. Wenn die MG ihre Mitglieder soviel Zeit kostet wie die für ihre Sache übrig haben; wenn also MGler ihre politische Absicht ernst- nehmen und ihr Leben entsprechend umorganisieren- so findet nicht einfach das statt, sondern eine von oben befohlene "Psychomutation". MGler finden niemals einfach Leute, mit denen sie gut auskommen, und versuchen auch nie einen zweckmäßigen Um- gang mit dem freiheitlichen Wohnungsmarkt hinzukriegen - sie wer- den "aufgefordert, in MG-Wohngemeinschaften zu ziehen. Diese Maß- nahme dient der sozialen Kontrolle des neugewonnenen Anhängers" - anders können sich die Chefideologen des freiheitlichen Familien- lebens ein Zusammenwohnen offenbar gar nicht vorstellen; und wo i h n e n deswegen "Kontrolle" einfällt, da unterstellen sie das der MG als - selbstverständlich bösen - Zweck. "...bestehende Partnerschaften... sollen gelöst werden, falls der Lebenspartner sich einer Einbeziehung in die MG verweigert" - sonst mag es ja in Ordnung gehen, daß Paare "sich auseinanderleben"; aber wo das MGler trifft, liegt schon wieder böse Absicht der Gruppe vor. (Und was ist eigentlich, wenn Pärchen beieinander bleiben: Hat in den Fällen vielleicht auch schon wieder die Gruppe befohlen, den Nicht-MG-Gatten lebenslänglich zu drangsalieren?) Schlimmer noch: "Den Sicherheitsbehörden sind Beispiele bekannt, in denen nicht nur Eheleute der Gruppe angehören, sondern auch schon" - schon ? - "deren 17 bis 20jährige Kinder durch Teilnahme an Schulungen in die MG eingebunden sind" - dabei gehören sie doch in dem Alter, wie jeder weiß, dem Barras, zum Zivildienst oder in die Junge Union. Vielleicht auch in einen ordentlichen Fanclub oder auf eine Friseusenkarriere abgerichtet. Aber wehe, sie lernen kommunistische Gedanken kennen: Dann inter- essiert sich nicht der Jugendschutz, sondern die Staatssicherheit dafür! Insgesamt malt die Sicherheitsbroschüre des Innenministers vom werdenden MG-Mitglied das Bild einer fortschreitenden charakter- lichen Deformierung, das am Ende noch einmal mundgerecht für den privaten Fahndungsstandpunkt aufbereitet wird, mit dem noch jedes brave Kind bei seinen ersten Gehversuchen außerhalb der Familie, dieser unbedingt ehrenwerten sozialen Kontrollstelle, aneinander- geraten ist: "Anhaltspunkte für eine mögliche beginnende Einbindung in die MG können sein: - das Auftauchen der einschlägigen MG-Publikationen, - Kommentare zu politischen Tagesereignissen mit zynischer Bewer- tung und in einer bisher nicht gezeigten, belehrend und künstlich intellektualisiert wirkenden Sprache, - Unwille, auf fremde Argumente einzugehen, - dogmatisches Beharren auf dem eigenen Standpunkt, - affektive Gleichgültigkeit gegenüber Ereignissen im familiären und sozialen Umfeld, - scheinbar unerklärliche Vernachlässigung oder Abbruch bisheri- ger Sozialkontakte, Auftreten eines neuen Freundeskreises, - Streßsymptome, ständiger Zeitmangel, verursacht durch regelmä- ßige 'Termine', über die keine oder nur wenig glaubhafte Erklä- rungen abgegeben werden, - Einstellung bisher ausgeübter Freizeitaktivitäten und Hobbies, sofern diese zeitaufwendig waren, - scheinbar unmotivierter Wohnungswechsel, - scheinbar unmotivierter Studienortwechsel, verminderte Zugänglichkeit, Neigung zu Mißtrauen und verstärkte Absonderung aus der bisher gewohnten Umgebung." (59 f.) Es wäre ja auch ein Wunder, wenn Leute mit ein paar gründlich neuen, oppositionellen Gedanken im Kopf nirgends anecken würden. Insgesamt drängt sich bei dieser xyZimmermann-mäßigen Indizienli- ste allerdings eine andere Frage auf: Wissen diese Sozialpsycho- logen eigentlich nicht, wie es zugeht, wenn ein Mensch erwachsen wird, sich für sein Leben etwas vornimmt und danach handelt? Daß dann allemal Freundeskreise wechseln, Hobbies ihren Reiz verlie- ren, manche Zutraulichkeit endet und über manches anders nachge- dacht und geredet wird? Ist es "sektiererische" Ausnahme oder bürgerliche Regel, daß die liebe Familie vom Nachwuchs irgendwann als Geldquelle behandelt wird? W a s da an Indizien namhaft gemacht wird, ist in der Sache kaum etwas anderes als das, was jeder tut, der anfängt, eine Sache wichtig zu nehmen, sei es die eigene Karriere, sei es eine Wis- senschaft, sei es der Kommunismus. Wenn aber einer letzteres tut und die Sache der MG wichtig nimmt, dann ist alles ganz anders. Dann schlägt sofort mit aller Härte der sozialpsychologische Sachverstand zu, indem er die normale und jedermann irgendwie vertraute Reihenfolge zwischen einem ernstgenommenen Vorhaben und der entsprechenden Lebenseinrichtung glatt auf den Kopf stellt und die Sache gleich so betrachtet: Die zweckmäßige Einrichtung des Alltagslebens wäre nichts als ein - von "oben" angeordneter - Kniff und Hebel, um einen Menschen auf die Befolgung eines ihm vorgegebenen, fremden Zwecks festzulegen; als wäre der Umgang von MGlern mit ihrer Freizeit und Privatsphäre nicht eine Konsequenz des Beschlusses, den Kommunismus ernstzunehmen, sondern umgekehrt eine Einbindungstechnik, mit der sie ganz ohne Überzeugung und freie Entscheidung in die Organisation hineingezerrt würden. Dabei gehört zu dieser sozialpsychologischen 'Sichtweise noch nicht einmal die denunziatorische Bedeutung, die sie bei ihrer Anwendung auf die MG entfaltet. Denn in allen anderen Zusammen- hängen finden die Vertreter dieser Optik es durchaus normal und ganz in Ordnung, daß soziale Organisationen so funktionieren, wie sie es der MG unterstellen - daß sie sich nämlich nicht aus einem von allen gewußten und geteilten Zweck bestimmen, sondern den einzelnen per Einbindung den Zweck der Organisation aufnötigen. Bürgerliche Organisationssoziologen und -psychologen empfehlen sich geradezu als Technologen einer sozialen Vereinnahmung, die denkende freie Mitbürger zuverlässig einem ihnen fremden Zweck dienstbar macht; s i e verfolgen das Ideal einer Unterwerfung, die wie von selbst passiert, und haben das Kind auch schon eng- lisch getauft: "corporate identity". Ihren Auftraggeber, das Innenministerium, würden diese Gelehrten im Prinzip genauso "analysieren" wie die MG, nämlich als Organi- sation, die ihre Mitarbeiter an Loyalität gewöhnt und ihnen ein entsprechendes Selbstbewußtsein eingibt; von "Psychomutation" ge- schweige denn "'Gehirnwäsche'" würde sie da aber niemals reden, weil an einem demokratischen Innenministerium ganz einfach nichts verkehrt sein kann. Sobald sie umgekehrt ihr Ideal einer "korporativen Identität" auf einen Verein anwenden dürfen, den ihnen ihr Auftraggeber zum Abschuß freigegeben hat, fällt es ih- nen auch schon leicht, alles mit den richtigen negativen Vorzei- chen zu versehen. Schlagartig ist alles ein Schimpfwort, was sie sonst als funktionelles Erfordernis einer stabilen und erfolgrei- chen Organisation schlechthin anerkennen und empfehlen. Und das nur, weil dem Innenministerium der Bestand der MG nicht gefällt. 5. Wenn die MG gewisse politische Aktivitäten unterläßt, von denen sie sich nichts verspricht, dann ist auch das nicht bloß das, sondern ein organisationspsychologischer Trick: "Ihre Weigerung, die Ideologie einem Praxistest zu unterwerfen" - ein bißchen Revolution auf Probe, ohne überzeugte Lohnarbeiter, oder was? -, "erspart den Mitgliedern Erlebnisse von Mißerfolgen und Enttäuschungen" die ihnen dann offenbar, einfach aus Mild- tätigkeit, die Staatsgewalt bereiten muß. "Zudem fordert die Gruppe keine handfesten Beweise revolutionärer Gesinnung" - viel- leicht ja deswegen, weil sie es mit "Gesinnung" nicht so hat, wenn es um so ernste Sachen wie eine Revolution geht? "Sie zwingt ihre Mitglieder nicht in Konfrontationen mit der Staatsgewalt." Sollte sie das etwa? Die Staatssicherheit beantragt mehr Randale von der MG? Damit deren Mitglieder in völlig unsinnigen Kämpfen bequem fertiggemacht werden können? So ist es offenbar tatsäch- lich gemeint. Denn jetzt kommt das eigentliche regierungsamtliche Ärgernis: "Vielmehr ermöglicht sie ihnen, neben einem Leben in der Sekte nach außen die Fassade einer bürgerlichen Existenz aufrechtzuer- halten" - wo die Staatsgewalt es doch viel einfacher mit ihnen hätte, wenn sie sich selber in das Unglück stürzen würden, das ihnen so, wie die Dinge liegen, die Geheimdienste der Nation erst umständlich zufügen müssen. Denn das ist mit dem Bild von der "Fassade" ja schon gesagt, daß die bürgerliche Existenz von MGlern eingerissen gehört, um ihren lebensunwerten Kommunismus zu treffen. Aber bei der Konsequenz ist die Broschüre noch nicht. Sie rundet erst einmal ihre üble Nachrede ab. Bis jetzt haben die MG-For- scher des Innenministeriums als Apostel einer gesunden geistigen Führung die Werbeversuche der MG als Verführung entlarvt; als Fa- natiker einer sauberen Gesinnung haben sie die Überzeugungsarbeit der Gruppe als Gehirnwäsche denunziert; als Technologen eines be- dingungslosen sozialen Zusammenhaltens haben sie die gesamte Le- bensführung von MGlern als zielstrebige Einbindungstechnik durch- schaut; und als Anwälte und Betreuer des gesellschaftlichen Op- portunismus haben sie den Mißerfolg der MG, ihre Absonderung, als ihren geheimen bösen Zweck und Erfolg erkannt. Insgesamt haben sie so theoretisch "bewiesen", wovon die Praktiker der Staatssi- cherheit ohnehin ausgehen, weil es im Grunde ja auch so banal ist: Der "Erfolg" der MG, zu existieren, liegt an ihren Mitgliedern, die dazuhalten. An die hat das Ministerium sich also zu halten, wenn es mit diesem Überrest von Kommunismus aufräumen will. Und für genau diese Konsequenz liefern die MG-Kundigen im Innenmini- sterium ihre zusammenfassende Diagnose ab, wonach es sich bei ei- ner MG-Mitgliedschaft um einen kaum verbesserlichen Charakter- schaden handelt. Nach genau derselben Logik haben vor etlichen Jahren Breschnews Volksüberwacher Dissidenten ins Irrenhaus ge- steckt. Schäubles Staatssicherheitsdienstler zitieren lieber freiheitliche Quellen: "Aus der Erforschung des Sektenphänomens ist bekannt, daß die Persönlichkeitszerstörung durch Einbindung in eine Sekte umso schwerwiegender ist, je länger die Mitgliedschaft gedauert hat. Amerikanische Wissenschaftler gingen schon in den 60er Jahren da- von aus, daß die 'Deprogrammierung'" - so reden die Anwälte eines freiheitlichen Menschenbilds - "eines Sektenopfers vor Ablauf ei- nes Zeitraums von 4 bis 7 Jahren eingeleitet werden muß, soll sie Aussichten auf Erfolg haben. Die im Zusammenhang mit der MG be- kanntgewordenen Erfahrungen scheinen geeignet, diese Annahme zu stützen." (59) So vornehm läßt sich Leuten, die bloß mal ihren Verstand polizei- widrig gebraucht haben, das Kainsmal anheften: Kommunisten sind unheilbar zerstörte Persönlichkeiten. Der Staatssicherheitsge- lehrte kann sich immer hinter sein "scheint geeignet" zurückzie- hen. Die Staatssicherheit weiß auch so, an wen sie sich zu halten hat. "Die MG als Geheimbund" ----------------------- Nochmal: Und warum soll die Bonner Staatssicherheit sich über die MG hermachen? Wenn das der ganze "Erfolg" dieser Gruppe ist, wo liegt dann das staatliche Sicherheitsproblem? Bei aller Beschimp- fung, bei aller vernichtenden Denunziation der Gruppe und ihrer Mitglieder - der Befund lautet bislang eher: harmlos. Soll er aber nicht. Deswegen wird dem Bild der kommunistischen Sekte das Gemälde eines Geheimbundes nachgereicht, der im Verbor- genen seine Einflußnetze spinnt. Dabei geht man sicher nicht fehl in der Annahme, daß dieses Gemälde auf dem Mist der finstersten Verschwörungsphantasien gewachsen ist. Bloß: Diese Phantasien sind die des Innenministeriums, haben also amtlichen Rang. Und dementsprechend strengen sich die MG-Theoretiker der Bonner Staatssicherheit noch einmal an. 1. "Den Vorhalt, sie arbeite wie ein politischer Geheimbund, hat die MG stets energisch zurückgewiesen. Sie verwies dazu auf ihre zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen sowie auf die Flut ihrer Agitationsschriften: Eine Organisation, die sich mit solcher Of- fenheit um die Verbreitung kommunistischer Argumente bemühe, könne man nicht gut als geheim bezeichnen." Und: Ist es so oder nicht? Die gesamte Politik der MG hat in dem Versuch bestanden, auf die öffentliche Meinung der Nation und auf die Überzeugungen von Studenten und Arbeitnehmern einzuwirken mit ihren "unwertigen" Gedanken. Ihre Anstrengungen haben der Agita- tion vor Betrieben, Schultoren und in Universitäten gegolten. Und weil sie von der organisierten öffentlichen Meinung - den Medien -, trotz aller Bemühungen auch in dieser Richtung, stets souverän ignoriert worden ist, hat sie sich auch in dieser Sphäre mit der MSZ und Büchern und Flugblättern ihr Publikum gesucht. Mit mehr als solcher "Öffentlichkeitsarbeit" ist die MG überhaupt nie an- getreten und leider ziemlich abgeglitten am öffentlichen Bewußt- sein und aufgelaufen auf den Techniken des Ignorierens, über die eine freie demokratische Medienwelt verfügt. Aus d i e s e m M i ß e r f o l g dreht nun die Staatssicher- heit der MG den Strick. Sie nimmt ganz einfach das Scheitern al- ler Bemühungen der MG, sich wenigstens als eine Stimme im vielge- priesenen Pluralismus des nationalen Geistes Gehör zu verschaf- fen, als Absicht; völlig jenseits dessen, was die Gruppe wirklich tut, wird ihr eine S t r a t e g i e u n t e r s t e l l t, im Verborgenen zu wirken. Und was wirkt die MG da? Das deduziert die Schrift des Innenmini- steriums Schritt für Schritt aus dem hauseigenen Verfolgungswahn. 2. Die Einlassung der MG, es sei absurd, ausgerechnet ihr mit ihrem Agitationswesen Geheimbündelei vorzuwerfen, wird, ohne überhaupt darauf einzugehen, mit einer interessanten Deduktion zurückgewie- sen - wieder ein schönes Beispiel für die "empirische" Arbeits- weise, durch die bürgerliche Wissenschaft sich angeblich aus- zeichnet. Es wird erstens an das Vorhaben der MG erinnert, zu ei- ner Kaderpartei "Leninschen Typs" zu werden - und keine Massenor- ganisation in dem Sinn, wie das seinerzeit im linken Gespräch war, nämlich so, daß lauter Leute, die von Kommunismus gar nichts wissen wollen, unter leicht verlogenen Titeln für die Vorhaben der Partei funktionalisiert werden, so wie das demokratischer Brauch ist. Dann wird zweitens darauf verwiesen, daß Lenin von s e i n e n Kadern eine - der Lage entsprechend - "möglichst konspirative" Arbeitsweise verlangt hat. Und daraus wird logisch unredlich, aber was heißt das schon "gefolgert", daß die MG sich mit ihrem Bekenntnis zum Kaderprinzip automatisch auch zu geheim- bündlerischer Praxis bekannt habe. Was zu beweisen war. Dann geht es so weiter: "Gleichwohl hatten die Kommunistische Partei Lenins 1917 und die MG unterschiedliche Gründe für ihre geheimbündlerische Arbeits- weise. Lenin bekämpfte als Revolutionär das autokratische Regime des Zarismus in Rußland, das ein Recht auf Legale Oppositionsar- beit nicht kannte. Die MG hingegen bekämpft die freiheitliche de- mokratische Grundordnung in der Bundesrepublik Deutschland. Sie weiß auch die Freiheit, die diese Ordnung selbst ihren erklärten Feinden eröffnet, sehr wohl zu nutzen. Ihre geheimbündlerische Arbeitsweise..." (61) - worin besteht die jetzt? Hat jemand mitgekriegt, was die MG tut jenseits dessen, daß sie die Freiheit" nutzt, die angeblich "diese Ordnung selbst ihren erklärten Feinden eröffnet"? Doch die Deduktion aus Lenin steht; und deswegen geht der Satz einfach so weiter: "... dient also nicht dem Schutz eines berechtigten Anliegens vor einem Unrechtsregime. Vielmehr dürften andere Gründe ausschlagge- bend sein." Schön für Lenin, daß die deutsche Staatssicherheit sein revolu- tionäres Anliegen nachträglich "berechtigt" findet und sein Si- cherheitsbedürfnis dazu. Freilich bekommt er dieses Kompliment nur, damit der Umkehrschluß klar ist: Das geheime Unwesen, das der deutsche Sicherheitsdienst der MG nachsagt, ist auf alle Fälle unberechtigt - und v e r d i e n t im freiheitlichen Rechtsstaat ungefähr die Behandlung, gegen die sich Lenin einst hat schützen dürfen. Denn wer vor dem Rechtsstaat Geheimnisse hat, kann schon allein deswegen nicht im Recht sein; oder umge- kehrt: Die Demokratie hat das Recht, daß niemand sich ihr gegen- über Geheimnisse herausnimmt. Sie hat eben, im Unterschied zum Zaren, ein Recht auf gläserne Untertanen - so totalitär denken freiheitliche Demokraten. Fragt sich aber immer noch: Was um alles in der Welt hält der Agitationsclub MG denn eigentlich geheim? 3. "Die verdeckte Arbeitsweise schützt zum einen die Masse der An- hänger vor Anfeindungen, mit denen die Öffentlichkeit verständli- cherweise auf eine Organisation reagiert, deren Ziele so- zialethisch derartig unwertig sind wie die der MG." Da kommen wir der Sache doch schon mal näher, die der Geheim- dienst der Nation der MG unter dem Titel "Geheimbund" ankreiden will: Es geht gerade gar nicht um ein Wirken im Verborgenen, son- dern darum, daß die MGler, die alles für die Verbreitung ihrer "unwertigen" Auffassungen tun, sich nicht gleichzeitig selber mit Name und Anschrift als "unwertige" Typen an den Pranger stellen. Sie entziehen sich glatt der Pogromstimmung, die die deutschen Ordnungsbehörden gegen die MG für selbstverständlich und ange- bracht halten. Und zwar für dermaßen selbstverständlich und ange- bracht, daß sie sich das Ausbleiben einer allgemeinen öffentli- chen MG-Hetze nur schon wieder als ekelhaften MG-Trick erklären können, nämlich so, die MG hätte sich vor der Öffentlichkeit un- sichtbar gemacht. Nun hat wirklich niemand die Medien gehindert, über die "unwertigen" Auffassungen der MG herzufallen. Der MG wäre das so- gar sehr recht gewesen; sie hätte gern mit den offiziellen Mei- nungsbildnern der Nation um ihre Argumente gestritten. Die Öf- fentlichkeit hat das Ärgernis MG statt dessen lieber mit Still- schweigen übergangen. Nicht einmal für Geld durften wir, im "Spiegel" etwa, für unsere Bücher werben. In der Lage baut sich nun das Innenministerium auf und legt der MG zur Last, daß sie nicht zusätzlich zu ihrer Agitation Mitgliederlisten veröffent- licht hat, an denen die Öffentlichkeit sich nach innenministeri- eller Auffassung liebend gern gütlich getan hätte. D a s ist sie: die "geheimbündlerische Arbeitsweise" der MG. 4. Die Broschüre wird aber noch deutlicher: "Zweitens ermöglicht ihre klandestine Struktur der MG, eigene An- hänger unerkannt in staatliche und gesellschaftliche Positionen zu bringen, deren Besetzung sie für ihr revolutionäres Anliegen als nützlich ansieht." Jetzt ist es also heraus, was die Staatssicherheit stört: Die MG liefert ihre Mitglieder nicht an das Messer des Berufsverbots, mit dem unser freiheitlicher Staat die Berufsstände, die er mit seinem öffentlichen Dienstrecht ehrt, von "Radikalen" sauberhält. Sie hält eben nichts von persönlichen Bekenntnissen, die keinen agitatorischen Nutzen und bloß individuellen Schaden stiften, nämlich den Broterwerb gefährden, auf den wahrhaftig auch Kommu- nisten angewiesen sind. Also verdienen MGler tatsächlich irgendwo unerkannt ihr Geld und widmen sich ihrer kommunistischen Sache bloß in der Freizeit, die ihnen ihr Beruf läßt. Auf die Frage, ob d a s in unserem freiheitlichen Rechtsstaat bereits verboten und verfolgungswürdig ist, läßt sich die Bonner Staatssicherheit allerdings gar nicht erst ein. Sie stellt das Problem gleich andersherum vor: Wenn MGler irgendwo ihr Geld ver- dienen, dann tun sie das nicht als Privatleute, um dann in ihrer Freizeit Besseres zu tun; dann bugsiert umgekehrt die MG ihre Mitglieder in "Positionen", die s i e für wichtig hält. Die in- dividuelle Aufteilung zwischen Broterwerb und Beiträgen zur ge- meinsamen politischen Sache, die MG-Mitglieder sich zumuten, las- sen die hauptberufllichen Staatsschützer schlicht nicht gelten: F ü r s i e - im Unterschied zur MG und deren Mitgliedern selbst - ist der MGler schlechthin immer im "revolutionären Dienst". Diese Sichtweise paßt sehr gut zu einem Geheimdienst, der dank seiner klandestinen Struktur eigene Leute unerkannt in Positionen bringen kann, deren Besetzung ihm für sein Staatssicherungsanlie- gen nützlich erscheint. Sie paßt genau so gut zu bürgerlich demo- kratischen Köpfen üherhaupt, die sich politische Veränderungen von vornherein bloß als das Werk von Leuten vorstellen können, die staatliche und gesellschaftliche Machtpositionen besitzen. Wenn sie irgendwo n i c h t paßt, dann für Kommunisten, die die Autoritätsverhältnisse in der Gesellschaft und die Dienstwege der politischen Gewalt außer Kraft setzen wollen. Aber was soll's. Die Broschüre denkt streng in der Logik des staatlichen Verfol- gungswahns, der hinter allem, was dem Staatsschutz nicht paßt, eine entsprechende böse Absicht sucht und natürlich (er)findet. Da wird gar nicht mehr gefragt, welchen revolutionären Nutzeffekt die MG sich von ein paar Bediensteten in öffentlichen und anderen Ämtern denn versprechen könnte. Umgekehrt: Wenn irgendwo MGler ihr Geld verdienen, dann ist das schon Beweis genug, daß die MG diese Jobs für "nützlich für ihr revolutionäres Anliegen" be- trachtet. Auf diese Weise kriegt das bißchen Geheimhaltung, das die MG wirklich praktiziert, nämlich die Nicht-Preisgabe von Na- men an die Saubermänner vom Berufsverbotswesen, eine völlig ab- surde Bedeutung: das wäre überhaupt d i e Sache, um die es der MG ginge; daneben wäre das bißchen Agitation, mit dem die Gruppe sich abplagt und für deren Beförderung die Mitglieder Zeit und Geld erübrigen, als unwesentlich zu vernachlässigen. Gegen diese Konstruktion ist der Verweis der MG auf ihr offenher- ziges Publikationswesen tatsächlich machtlos. Der Verdacht, es ginge ihr um etwas ganz anderes, hat sich seinen Inhalt erschaf- fen. Die Banalität der Abschirmung gegen Berufsverbotsgefahren ist zum finsteren revolutionären Geheimnis der MG erhoben: zur Unterwanderungsstrategie eines Geheimbundes. 5. Bevor die Broschüre aus diesem selbstverfertigten Wahngebilde die praktischen Konsequenzen ableitet, die die Staatssicherheit längst praktiziert, widmet sie sich noch ein wenig der wissen- schaftlichen Verfestigung dieses Bildes einer Organisation, die mit all ihren Öffentlichkeitsaktionen im wesentlichen verdeckt vor der Öffentlichkeit im Geheimen wühlt. Das ist den Staats- schützern wichtig; denn an dieser Fiktion eines subversiven Ge- heimbundes hängt überhaupt ihr Urteil über die Gefährlichkeit der MG. Also wird die Fiktion ausgemalt und zunächst mal eine weitere Masche an das alte Etikett "Sekte" drangestrickt: "Drittens hat die Organisierung als Geheimbund oder -loge eine wichtige Funktion für den inneren Zusammenhalt der Gruppe: Der MG-Angehörige fühlt sich in ihr als Mitglied einer exklusiven Elite, die über Herrschaftswissen verfügt und unbeugsam gegen eine feindliche Umwelt kämpft. Das verbindet." Das für eine radikale Oppositionsgruppe reichlich seltsame Stich- wort "Herrschaftswissen" löst das Rätsel, woher die Broschüre diese Charakteristik des MG-Selbstbewußtseins bezieht: Da spricht einer, der zur wirklichen, nämlich herrschenden Elite der Nation gehört und sich deswegen auch für den ganzen schäbigen Rest nichts Größeres vorstellen kann als die Einbildung, auch ein biß- chen dazuzugehören - nach diesem seinem Vorbild legt sich der Staatsschutzdenker seinen Feind zurecht. Zum Beweis braucht die Broschüre wieder keine "empirischen Fakten" zu "verallgemeinern": Sie schaut sich einfach ein wenig in der Geschichte der Geheim- bünde um, denen sie die MG zuzurechnen beliebt, rückwärts bis zu den Freimaurern und wieder aufwärts bis zu der "in Italien in den 80er Jahren ausgehobenen kriminellen Geheimloge 'Propaganda Due' ('P2')" - letztere hatte zwar nichts Revolutionäres vor, sie bestand aus lauter demokratischen Politgrößen, Militärs, Geheim- dienstlern, Bankiers und Pfaffen mit Macht und Einfluß, die bei- des auch, von wegen "ausgehoben", im wesentlichen behalten haben, und sie hat sich auch niemals mit Diskussionsveranstaltungen der Öffentlichkeit vorgestellt - aber das Stichwort "kriminell" war wohl einfach mal fällig. Mit aller nötigen theoretischen Gewalt entwirft die Staatssicherheit aus ihren Lesefrüchten über das Lo- genwesen im Wandel der Zeiten ihr Bild von der MG, das ihre Be- kämpfungsabsicht und sonst gar nichts verrät. So stellt sich die Sekte, die ein paar Seiten vorher noch alle ihre Sympathisanten auf die "vollständige Übernahme" des MG-Wett- bilds verpflichtet hatte, im Lichte der Logentheorie der Bonner Staatsschützer am Ende folgendermaßen dar: "Genau wie die 'klassischen' Geheimbünde kennt die MG eine sorg- fältig abgestufte Hierarchie der 'Wissenden'. Sie ist im wesent- lichen mit den Schulungsabschnitten für Sympathisanten, Kandida- ten und Mitglieder identisch." Daß die Aneignung von Theorien ihre Zeit braucht und ihre Ab- schnitte kennt: diese Banalität ist hier nicht gemeint. Es geht bei der "Hierarchie", die die Staatssicherheit entdeckt hat, gar nicht um das Wissen, das die MG ihren Mitmachern vermitteln will und das ja, gar nicht geheim und für alle gleichermaßen zugäng- lich, in schriftlicher Form vorliegt, sondern um Wissen in einem ganz anderen Sinn: "Die unterschiedlichen Stufen sind sorgfältig voneinander abge- schottet. Den Sympathisanten bleiben Einblicke in die Kandida- tenebene verwehrt; sie wissen von ihrem Schulungsleiter grund- sätzlich nur den Vornamen. So wird die Mühsal, die bei der MG zum Aufstieg in die nächsthöhere Hierarchieebene bewältigt werden muß, psychologisch geschickt mit einer Belohnung honoriert: Der Aufsteiger erhält Einblick in eine ihm bis dahin verborgene Orga- nisationsebene. Er wird ein Stück weiter in das Arkanwissen des Geheimbundes eingeweiht und ist jetzt auch den niederen Chargen gegenüber weisungsbefugt." Lassen wir das mit der "Weisungsbefugnis" auf sich beruhen; da müssen die Verfassungsschützer endgültig die Arbeitsteilung in der MG mit ihrer Behördenbürokratie verwechselt haben - so all- mählich beschleicht den unbefangenen Leser sowieso der Verdacht, Schäubles Geheimdienstler denken sich ihren Feind MG der Einfach- heit halber nach dem Vorbild ihrer eigenen Organisation zurecht. Verzeihen wir den Schreibern auch die Offenlegung ihres bürokra- tischen Seelenlebens, das den Einblick in eine "nächsthöhere Hierarchieebene" glatt für eine "psychologisch geschickt" einge- setzte "Belohnung" hält. Bemerkenswert ist die Klarstellung, worin das ganze "Arkanwissen" der MG eigentlich besteht: bloß darin, sich im Personal und in der Arbeitsteilung der Gruppe aus- zukennen! Zu diesem "Wissen" einmal ein klares Wort: "Geheim" und übrigens überhaupt wissenswert ist diese Kenntnis ausschließlich vom Standpunkt des Spitzels, der grundsätzlich auch die Nachnamen re- cherchieren und nach irgendwelchen höchsten und geheimsten Orga- nisationsebenen fahnden soll - wobei ihn übrigens dort, am Ende aller Mühsal, nichts als die enttäuschende Erkenntnis erwartet, daß die "allerhöchste Ebene", "die Leitungsebene der MG, von den ideologischen 'Großmeistern' der Gruppe geführt", auch wieder die alleröffentlichste und sogar mit Namen und Gesichtern bekannteste "Geheimmannschaft" ist. Was sich dem V-Mann als hochkomplizierte "Hierarchie" und "Abschottung" darstellt, ist in der Sache wieder nichts als die Banalität, daß ein MGler um so mehr eingemischt ist und Leute kennt, je mehr er mitmacht - für die V-Männer der Staatssicherheit allerdings, das ist zugegeben, verwandelt sich diese Banalität durchaus in eine Ochsentour durch lauter "Ebenen", die nur allzu selten durch die Aufdeckung von Nachna- men, Arbeitsstellen und dergleichen Wissenswertem mehr "hono- riert" wird. 6. Angewandte Logen-Kunde und geheimdienstlicher Ausforschungs-Fana- tismus treffen sich am Ende in folgendem Scherz: "Auch die klassischen Logen und Geheimbünde kannten dieses Ver- fahren der schrittweisen Einweihung in immer höhere 'Grade' des 'Geheimwissens' der Organisation. Oft war dies mit einem mystisch geprägten Ritual verbunden. Solche Zeremonien hat die MG durch zeitgemäß profanisierte Formen ersetzt: Meist erfolgt eine ver- schärfte 'Sicherheitsbelehrung', die dem Aufsteiger seine gestie- gene Position in der Organisationshierarchie bewußt machen soll." Da hat die MG immer gemeint, sie wäre ihren Leuten in dem Maße, wie die mitmachen, den Hinweis schuldig, wie ungern der Staat so etwas sieht und wie genau und in welcher Absicht er sich seine paar Kommunisten merkt. Da bestätigt eine ganze Broschüre, von der Verfolgungspraxis des Verfassungsschutzes ganz zu schweigen, wie richtig sie damit lag. Und dann muß sie zur Kenntnis nehmen, daß der Fachverstand des Staatssicherheitsministeriums ihr ganzes Tun und Treiben unter diesen kleinen Zusatz subsumiert, ihn zum Inbegriff ihrer Politik erklärt und von ihm her das Handwerk de- finiert, das der MG nun also unbedingt gelegt werden soll! zurück