Quelle: Archiv MG - BRD INNENPOLITIK INNERE-SICHERHEIT - Vom demokratischen Kontrollwesen
zurückERKLÄRUNG
Dies ist eine Absage. Ab sofort gibt es die MARXISTISCHE GRUPPE (MG) nicht mehr. Die Angriffe des demokratischen Staates und sei- ner Sicherheitsbehörden auf unsere Organisation und auf die be- rufliche Existenz der Befürworter unserer Sache nötigen uns dazu, die Marxistische Gruppe aufzulösen. Nein, wir nehmen nichts zurück von der kommunistischen Kritik, die wir verbreitet und immer vertreten haben. - Wir können nicht erkennen, daß die Ausgestaltung der Lohnabhän- gigkeit zu einem Tarifsystem, auf dessen Abstufungen die deut- schen Gewerkschaften stolz sind, die Abhängigkeit vom Lohn been- det hätte und das Arbeiten in kapitalistischen Diensten in eine proletarische Erfolgsstory verwandelt. - Wir sehen nicht, inwiefern der Reichtum, den Unternehmen, Ban- ken, Regierungen und Schaufenster zur Schau stellen, ein Beweis dafür sein könnte, daß die Mehrheit sich nicht mehr ihren Netto- lohn schwer einteilen muß, also nicht mehr unter die Rubrik Armut fällt. - Wir haben kein Verständnis für den staatsbürgerlichen Glauben, eine monopolisierte und in Gesetzesform gegossene Gewalt wäre keine, und sie würde nicht von der Alltäglichkeit gesellschaftli- cher Gewaltverhältnisse, sondern von ihrer Abschaffung zeugen. - Wir können uns nicht mit der frommen Theorie anfreunden, ausge- rechnet der Krieg am Golf hätte vielleicht ein Zeitalter der Ge- waltlosigkeit in der Welt eingeleitet. - Wir mögen nicht den Opfern des Weltmarkts in südlichen Breiten den Vorwurf machen, sie wären zuviele, außerdem umweltschädlich und insofern an ihrem Hunger selbst schuld. - Wir sind keine Demokraten, die es für ihre höchste Freiheit halten, unter erfolgreichen Parteikarrieristen ihre Herren auszu- wählen. - Wir halten nichts von einer freien Öffentlichkeit, die mit ih- rem nationalen Grundkonsens, ihrem einfältigen Maßstab "Deutschland vor!" und ihren Sex- und Wetterberichten jede obrig- keitliche Zensur abweichender Gedanken überbietet. - Wir können eine Wissenschaft nicht leiden, die sich von Anfang an vom Anspruch auf richtige Erkenntnisse dispensiert und statt dessen die ganze Welt ins rosige Licht von Normen, Werten und un- widersprechlichen, also guten Sachzwängen taucht. - Wir können nicht einmal in dem Ende, das der Reale Sozialismus sich selbst bereitet, einen Beweis dafür entdecken, daß die Freie Welt über jede Systemkritik erhaben wäre. - Wir halten den "Tod" des Kommunismus nicht für ein Gottesurteil über konkurrierende Ideenwelten, sondern entdecken darin bloß einen Erfolg der überlegenen Ausbeutungs- und Gewaltmaschinerie der Freien Welt. Genau das erleben wir nämlich gerade an uns selbst: Die deutsche Staatssicherheit widerlegt uns nicht; sie macht unsere Genossen fertig. Leuten, die unsern Standpunkt teilen und die kommunisti- sche Kritik für richtig halten gesteht der Rechtsstaat eine Mei- nungsfreiheit nicht zu. Für ihn hat unsere Ansicht keinen Platz im Meinungspluralismus. Bei u n s hört für den Rechtsstaat die Toleranz auf. Die Sicherheitsbehörden kriminalisieren unsere Theorie; sie spüren Leute auf, die unsere Auffassungen vertreten; sie denunzieren solche Abweichler - Datenschutz gilt da nichts - als Gesinnungstäter beim jeweiligen Arbeitgeber und sorgen dafür, daß sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Wer unsere Kritik teilt, hat kein Recht auf eine berufliche Existenz - das ist geübte Pra- xis und erklärte Strategie der bundesdeutschen Staatsgewalt. Wir geben nicht auf, weil wir wegen mangelnder Nachfrage nach kommunistischer Kritik an unseren Ansichten Zweifel bekommen hät- ten. Wir geben auch nicht auf weil die Welt den Kommunismus für tot erklärt Wir lösen uns auf, weil uns der freiheitliche demo- kratische Rechtsstaat mit seinem Verfolgungswahn keine Wahl läßt. Und der staatlichen Fahndung Märtyrer anzubieten, ist uns zu blöd. München,20.5.1991 Marxistische Gruppe zurück