Quelle: Archiv MG - BRD INNENPOLITIK HAUSHALT - Steuern erhalten die Herrschaft
zurück Marxistische Schulzeitung Bremen, 17.09.1981 Haushaltsentwurf 82DAS STAATLICHE VERARMUNGSPROGRAMM
1 Seit Jahren werden die deutschen Lohnempfänger immer ärmer. Schon lange hat es keine Lohnrunde mehr gegeben, nach der die Arbeiter sich mehr hätten leisten können. Dafür dürfen sie mehr Leistung in der Fabrik bringen - ausgenommen diejenigen, die mit dem Ver- lust von Arbeit und Einkommen an der Verbesserung der internatio- nalen Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kapitals mitwirken. Jetzt, im September 81 legt die Regierung einen Haushaltsentwurf für das Jahr 1982 vor, der bekanntlich ein Programm zur Steige- rung von Ausgaben darstellt und unter dem Titel "Grausamkeiten" (Helmut Schmidt) ganz entschieden sowohl die Lohnhöhe als auch die Preise lebensnotwendiger Konsumgüter aufs Korn nimmt: ab so- fort steht die planvolle Verarmung des Proletariats höchstoffizi- ell auf der Tagesordnung. 2 Das Volk hat sich dazu eine Meinung bilden lassen. Plötzlich fin- den alle, es seien zuviele Geschenke verteilt worden, die Leute sagen, den Leuten gehe es doch immer noch ganz gut, wenn nicht gar zu gut, und die BILD-Zeitung entdeckt Hausfrauen, die dem Kanzler vormachen, wir Sparen gar nicht wehtut, wenn man alles, worauf die eigene Familie nun verzichten muß, kurzerhand zum Lu- xus erklärt. Natürlich glaubt niemand, daß es i h m zu gut geht! Bei jedem Ding, das ein Lohnempfänger sich anschafft, weiß er genau, warum e r es b r a u c h t; und jede unterlassene Anschaffung verspürt er als Einschränkung. Aber für andere will er die zynischen Sprüche der Politiker und der Journaille schon gelten lassen. 3 Der "Sparhaushalt 1982" setzt die Ankündigung des Kanzlers, "die Deutschen sind verwöhnt", für jedermann praktisch durch. Mit der größten Selbstverständlichkeit geht der Staat davon aus, daß die arbeitende Bevölkerung für s e i n e keineswegs geminderten An- sprüche geradezustehen hat. Erstens beschließt er eine Steuerer- höhung für Tabak und Alkohol, erhöht so die Preise für Güter, die man ziemlich dringend braucht, und nutzt so eine sichere Quelle für Mehreinnahmen. Dabei erzählt er auch noch jedem, das wäre so- wieso gut für die Volksgesundheit. Zweitens stellt er gewisse "Leistungen" für eben dieselbe "Bevölkerungsgruppe" ein. 4 Das muß man sich schon mal vor Augen halten, was es mit den groß- artigen "Errungenschaften des sozialen Netzes" auf sich hat: da zieht der Staat e r s t e n s z w a n g s w e i s e bedeutende Lohnteile gleich "an der Quelle" ein, weil er sich sicher ist, daß der Lohn ewig zu knapp ist, um die Arbeiter selbst für die "Wechselfälle" einer Lohnarbeiterexistenz sorgen zu lassen. Z w e i t e n s verpflichtet er sich gegenüber sich selber, im Bedarfsfalle die Zwangsersparnisse den Gesundheitsgeschädigten, Verschlissenen oder Arbeitslosen zukommen zu lassen, und stellt eine etwaige Auszahlung als s e i n e "Leistung" den "An- spruchsberechtigten" gegenüber dar. Dann sorgt er d r i t- t e n s im Verein mit dem bei ihm hochangesehenen Kapitalisten durch "Investitionsanreize" dafür, daß ein solcher "Bedarfsfall" für die Arbeiter vermehrt eintritt. Und stellt v i e r t e n s gerade dann fest, daß sich sein e i g e n e r Bedarf wegen seiner weltweiten Interessen auf ganz anderen Gebieten bewegt. Man stelle sich einmal vor, die Leos, Tornados und Fregatten würden zum "Wildwuchs" erklärt. Das Geld aus der Sozi- alversicherung allerdings, das er sich verfügbar gemacht hat, ist ihm jetzt für die Versicherten zu schade, und er geht f ü n f t e n s daran, einen beträchtlichen Teil denjenigen, die es brauchen, vorzuenthalten und "Leistungsgesetze" einzuschrän- ken. Als G e s e t z g e b e r ist er dazu ja auch befugt - und er legt es sich selber als seine Pflicht auf, die Betroffenen von nun an noch schlechter zu stellen: - durch die Verlängerung der "Anwartschaft auf Arbeitslosenunter- stützung auf 12 Monate" entlastet er die Arbeitslosenversiche- rung, überantwortet schlechtweg einen Teil der Betroffenen der "Sozialhilfe" und produziert so ein Lumpenproletariat, das für den Dienst am Reichtum der Nation überflüssig ist, - durch die Verlängerung der "Sperrfristen" erklärt er "freiwillige Kündigungen" in Zukunft für unzumutbar (so geht de- mokratischer Arbeitsdienst!) - durch Kürzung des "Wohngeldes" leistet er seinen Beitrag zur Wohnnot, - schließlich geht er auch durch "Kostendämpfung im Gesundheits- wesen", Kürzung des "Kindergeldes" etc. gegen "das Anspruchsden- ken" vor, d.h., gegen bisher in Anspruch genommene Notwendigkei- ten einer proletarischen Existenz. Für sowas muß man schon der S t a a t sein! 5 Der Haushalt 82 hat für die Lieblingsbürger der Nation, die auf solche Leistungen sowieso nicht angewiesen sind, einiges an M e h r leistungen parat. Die Regierung räumt ihnen ganz spe- zielle Hindernisse fürs Gewinnemachen beiseite. Durch die Verlän- gerung des "Verlustrücktrags" spart "die Wirtschaft" einiges an Gewinnsteuern und durch die Verbesserung der "degressiven Ab- schreibung" ist für sie darüber hinaus ein zusätzlicher Stachel gegeben, innerhalb kürzerer Frist ihre Maschinerie durch eine produktivere zu ersetzen. Da lohnen sich Rationalisierungen - auch wenn der Kredit auf absehbare Zeit nicht billiger wird -, weil die Produktion mit effektiveren Maschinen die Zinsen schon hereinbringt und einen ansehlichen Profit noch dazu. Und wer es mit solchen Investitionen auf dem Markt nicht bringt und die ent- sprechenden Zinsen nicht zurückzahlen kann, kann pleite und in die Schweiz gehen. So wird zur Zufriedenheit von Politikern und Kapitalisten die "Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft" bewerkstelligt. Auch und gerade heute, wo der Staat seine auswär- tigen Händel und vor allem seine Feindschaft gegen die Russen entschlossen vorantreibt, setzt er seine Wirtschaft einer ver- schärften Konkurrenz aus, damit die leistungsfähigen Kapitale noch leistungsfähiger werden. Sein Kapital hat ihm schließlich die Mittel zu verschaffen, auf die er wegen der gar nicht be- scheidenen Pläne des westlichen Bündnisses in Richtung Osten scharf ist. Daher wird ein nationales Wirtschaftsprogramm für eine beschleunigte Rationalisierung erlassen; und dabei kann sich das deutsche Arbeitsvolk schon in Vorkriegszeiten auszeichnen: mehr Entlassungen und immer intensivere Beanspruchung für die Be- schäftigten stehen auf der Tagesordnung. So haben Staat und Kapi- talisten für die neue Runde in dem von i h n e n geführten Klassenkampf gerüstet! 6 Wie steht es dagegen mit dem Protest? Der Vorsitzende der IG Me- tall LODERER zeigt sich "zutiefst betroffen" über den Haushalt 82 und gibt zum wiederholten Male zu Protokoll, daß er ihn immer noch "sozial unausgewogen" findet. Ein komischer Protest. Da ver- kündet ein Gewerkschafter ganz offiziell die Bereitschaft seines Vereins, an der vom Staat beschlossenen Verarmung seiner Mitglie- der mitzuwirken. Dafür stellt er nur eine Bedingung: "ausgewogen" soll sie sein und nicht n u r die kleinen Leute treffen. So er- klärt die Gewerkschaft ihr Einverständnis mit den vom Staat be- schlossenen Einbußen am Lebensunterhalt ihrer Mitglieder Was hät- ten die denn von einer Ausgewogenheit, bei der außer ihnen noch andere nicht ungeschoren davonkämen? Wohl nichts als einen bil- ligen Trost, wenn sie sich darauf einlassen, sich die Angriffe auf ihren Lebensunterhalt bieten zu lassen. 7 Die Bonner Machthaber haben das Verarmungsprogramm 82 verabschie- det. Und schon geht ein Riesengeschrei los, daß das wohl alles viel zu wenig wäre - von der öffentlichen Meinungsmache wie von den Parteien. Die FDP meint, ohne eine direkte Kürzung des Ar- beitslosengelds und eine Beschneidung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wäre das alles nichts Senkrechtes. Die SPD schimpft furchtbar über die "unsoziale" FDP mit ihrem "Wirt- schaftsgrafen" - und fordert noch zusätzlich ein "Beschäftigungs- programm" für die Kapitalisten, das "alle", und d.h. gerade die Arbeiter über weitere Steuererhöhungen finanzieren sollen. Die C- Gruppen verkünden laut, an den Arbeitnehmern werde noch viel zu wenig gespart, und nennen alles ein "Flickwerk". Dies meinen auch die Presse- und Fernsehfritzen und bezweifeln die "Regierungs- fähigkeit" der Regierung, wo gerade gezeigt wird, wie demo- kratisches Regieren geht: Zuerst wird von allen Beteiligten eine riesige öffentliche Hetze entfacht, bei der schlichtweg a l l e staatlichen Zuwendungen als zu hoch, damit einschränkungsbedürftig und umgekehrt a l l e Leistungen der Proleten für Staat und Kapital als zu niedrig, da- mit erweiterungsbedürftig angeprangert werden. So daß jetzt die wirklich b e s c h l o s s e n e n Lasten für die Arbeiter und ihre Familien als ein "b l o ß" dastehen, und sich die Politi- ker darüber streiten können, wie noch m e h r zu holen und dies als echt frei-, sozial- oder christdemokratisch zu verkaufen ist. Und aber diesen Streit soll man sich jetzt den Kopf zerbrechen. "Hält die Koalition oder bricht sie auseinander?" Na und! Als ob es einem Arbeiter nicht egal sein könnte, w e r ihm seine Not beschert: eine SFDP oder CFDU. Daß sie es tun, haben sie bewie- sen, und daß sie es allesamt in noch verstärktem Umfang tun wer- den, kann man dem Streit noch allemal entnehmen - wenn die Opfer es sich noch länger gefallen lassen, daß die einzige Krise weit und breit die ihrer Existenz ist. zurück