Quelle: Archiv MG - BRD INNENPOLITIK AUSLAENDER - Von der Sortierung der Leute


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       Marxistische Schulzeitung Bremen, 25.10.1982
       

DEUTSCHES GERICHT FINDET AN FOLTER GEFALLEN

Ein bundesdeutsches Gericht urteilt im Jahre 1982 über körperli- che Mißhandlungen und Folterungen durch das faschistische Mili- tärregime in der Türkei wie folgt: Erstens sind solche Praktiken dort ganz normal, also keines Aufhebens wert, und zweitens haben Staatsfeinde auch gar nichts anderes verdient, als gefoltert zu werden! Dies die Begründungen, mit denen der baden-württembergische Ver- waltungsgerichtshof das Gesuch eines Kurden aus der Türkei um po- litisches Asyl in der Bundesrepublik abgewiesen hat. (Zitate nach FR vom 6.10. Daß dem Asylbewerber in der Türkei Folterung droht, wollte das Gericht keineswegs bestreiten. Deshalb verdient er aber, so die Richter, noch lange nicht den Schutz des Grundgeset- zes. Und weshalb? Der Asylsuchende sei "linksgerichteter Kurde"; wenn solche Leute in der Türkei gefoltert werden, "so liegt hierin in aller Regel keine politische Verfolgung" im Sinne der BRD-Verfassung, denn "Folter und Mißhandlungen sind in der Türkei ein allgemeines Phänomen, von dem nicht bloß politisch aktive Kurden betroffen sind". Also: Weil die türkischen Militärherr- scher so a u s g i e b i g foltern, daß nicht bloß linke Kurden die Opfer sind, ist ein linker Kurde k e i n politisch Verfolg- ter, ist also von deutschen Behörden im Namen der deutschen Ver- fassung aus Deutschland zu verweisen und seinen Verfolgern daheim ans Messer zu liefern! Damit nicht genug: Mit dem Hinweis, entscheidend sei, von welchen Motiven ein Staat sich beim Foltern leiten lasse, freunden sich deutsche Staatsdiener im Richterrang höchstoffiziell mit der Fol- ter im Staatsdienst an. Sie stehen auf dem Standpunkt, daß bei Staatsgegnern jedes Mittel recht ist: Wer von der Staatsgewalt auch bloß einer Tat v e r d ä c h t i g t wird, die sich "gegen den Bestand des Staats" richte und "daher dem Bereich der schwe- ren Kriminalität zuzurechnen" sei, der laufe eben eher Gefahr als andere, von der Polizei "dementsprechend behandelt zu werden". Wer gegen seinen Staat ist, der v e r d i e n t demnach nichts anderes als die Folter! Folter ist nach Auffassung der baden- württembergischen Richter nämlich ein sehr zweckmäßiges Mittel zur "Erzwingung von Aussagen über Personalstruktur und organisa- torischen Aufbau von Organisationen", die - wie im vorliegenden Falle - "kommunistische und separatistische Ziele" verfolgten. Und in solchen Fällen finden die Vertreter rechtsstaatlicher Ge- walt nichts einleuchtender, als daß "die Sicherheitsorgane" im Dienste von imperialistischen und zentralistischen Zielen den Zweck verfolgen, "die führenden Kräfte auszuschalten". Folter gegen Staatsgegner? Aber immer! So lautet das Urteil eines bundesdeutschen Gerichtshofes. Und als hätten seine Mitglieder die Verwandtschaft i h r e r Staatsgesinnung zu den faschisti- schen Militärherrschern in der Türkei noch eigens hervorheben wollen, sprechen sie den dortigen Verhältnissen das Gütesiegel einer "liberal-bürgerlichen Gesellschaftsordnung" zu (also wie überall in der NATO-Familie!), die bloß derzeit gewisse "kriminal-technische Besonderheiten" aufweise: die Folter als "allgemeines Phänomen" eben! Ein schlechtes Gewissen, daß sie vielleicht gegen den humanen Geist des grundgesetzlichen Asyl- rechts verstoßen haben könnten, haben die Mannheimer Richter nicht gehabt. Für sie ist nichts lächerlicher als die Annahme ei- ner D i f f e r e n z zwischen Dienst am Menschen und Dienst am Staat. Und sie können sich darauf berufen, daß die Politiker der BRD sich noch nie am faschistischen Charakter des türkischen Staats gestört haben, als sie ihn zur Südostflanke gegen den Hauptfeind des höchsten menschlichen Gutes, der F r e i h e i t, ausgebaut haben! P.S. Wer meint, dieses Urteil sei symptomatisch für den "Geist der politischen Wende", die sich derzeit in Bonn vollzieht, der liegt einerseits durchaus richtig. Andererseits sollte er sich aber nicht den Irrtum leisten, daß den sozialliberalen Vorgängern von Kohl und Zimmermann derartiges nie und nimmer zuzutrauen wäre. Gegen eine solche Auffassung spricht nämlich folgendes: 1. stammt das Urteil vom Juni dieses Jahres. 2. sind die Richter, die es gefällt haben, nicht erst seit gestern im Amt. 3. haben ehrenwerte Herren wie Baum (FDP) und Schmude (SPD) die Unterscheidung zwischen "guten" Asylanten (aus Polen und Vietnam) und "bösen" Asylanten (aus der Türkei und anderen NATO- Schützlingen aus der Staatenwelt) praktisch und propagandistisch erst eingeführt. 4. haben dieselben Herren während ihrer Amtszeit die gesetzliche Verschärfung der Asylrechtsbestimmungen ebenso auf den Weg gebracht wie die staatliche "Ausländer-raus"-Politik gegenüber türkischen und sonstigen Gastarbeitern. Und 5. ist unter sozialliberaler Regentschaft die Wirtschafts- und Militärhilfe für die faschistischen Generäle in der Türkei zu einem festen Posten im Staatshaushalt der BRD geworden. Diese Tatsachen sollte man nicht ignorieren wenn man sich überlegt, g e g e n w e n das tiefe Verständnis hoher deutscher Juristen für Folter im Interesse des Staates eigentlich spricht! zurück