Quelle: Archiv MG - BRD INNENPOLITIK AUSLAENDER - Von der Sortierung der Leute
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Münchner Hochschulzeitung Nr. 3, 17.11.1982
AUSLÄNDER
Davon gibt es mindestens drei Sorten.
1. Leute wie Ronald Reagan, den Papst und Lady Di mit ihrem
Klein-Willi. Die hat man allesamt für gute Freunde zu halten,
obwohl man die doch überhaupt nicht kennt (wenn man die kennen
würde ...!).
2. Leute wie den Iwan, die man nicht leiden können soll, obwohl
man sie genausowenig kennt. Das ist in diesem Fall aber ebensowe-
nig nötig wie bei den Ausländern der ersten Kategorie. Es genügt
offenbar völlig, daß die eigene Regierung zusammen mit ihren
NATO-Verbündeten (die deshalb auch alle selbstverständlich mehr
oder weniger zu Ausländern der ersten Sorte gehören) beschlossen
hat, daß "die letzten Kapitel des Kommunismus geschrieben wer-
den". Sprich: daß sie mit Hilfe ihrer NATO-Streitmacht den Ost-
block endgültig aufrollen wollen. Und schon weiß man als freier
westlicher Untertan: der Iwan ist als persönlicher Feind zu be-
trachten. So steigen dann jedenfalls die Chancen, daß man auch
als 'kleiner Mann' mal einen echten Russen zu sehen kriegt. Dann
nämlich, wenn man von den westlichen Herrschaften mit dem Auftrag
Völkermord (höchstlegal!) als Kanonenfutter gen Osten geschickt
wird.
3. Leute, die "bei uns" arbeiten, obwohl sie zufällig in einem
anderen Land geboren wurden. Die dürfen nicht mal wählen oder ge-
wählt werden. Daran liegt es aber sicher nicht, daß sie die mie-
sesten Arbeitsplätze haben und in Gettos zusammengepfercht leben
müssen. Das liegt vielmehr daran, daß sie von deutschen Kapitali-
sten unter tatkräftiger Beihilfe deutscher Politiker nach Strich
und Faden ausgenützt werden. Die einen haben Arbeitsplätze einge-
richtet, deren Anforderungen keinerlei Schulbildung voraussetzen.
Die anderen sorgen dafür, daß deutschen Unternehmen Arbeitermate-
rial für diese Arbeitsplätze nach Bedarf zur Verfügung steht.
Wird der Bedarf nach diesem Material geringer, sorgen sie selbst-
verständlich auch für die Abschiebung der dann 'unerwünschten'
Ausländer. Gemeinsam haben diese beiden Sorten Deutsche - Kapita-
listen und Politiker - damit auch neue Maßstäbe für die Benutzung
und Nichtbenutzung deutscher Arbeiter gesetzt, so daß deren Le-
bensbedingungen sich immer mehr denen der Türken hierzulande an-
gleichen. Bevor ein deutscher Arbeiter aber darauf kommt, daß er
viel mehr Gemeinsamkeiten mit dem türkischen Arbeiter hat als mit
einem deutschen Unternehmer, beschimpft er zehnmal lieber einen
Türken. Ausgerechnet Leute, die einen noch schlechteren Lohn be-
kommen und in einem noch elenderen Loch hausen als man selber,
werden für die eigene Misere verantwortlich gemacht. Dabei sind
Ausländer wirklich an der ganzen Scheiße am allerwenigsten
schuld. Die haben die Politiker, die das alles arrangiert haben,
noch nicht mal gewählt.
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