Quelle: Archiv MG - BRD INNENPOLITIK AUSLAENDER - Von der Sortierung der Leute
zurück Ausländerprobleme in Westberlin:"MASSENSCHLÄGEREI UNTER TÜRKEN"
Süddeutsche Zeitung, Berlin 6.1.1979 Bei einem Überfall rechtsgerichteter religiöser Fanatiker auf An- gehörige des Türkischen Demokratischen Arbeitervereins sind am Samstag im Berliner Bezirk Kreuzberg ein Türke getötet und 17 an- dere zum Teil schwer verletzt worden... Etwa 25 Mitglieder des Türkischen Demokratischen Arbeitervereins verteilten in der Nähe des Cottbuser Tores Flugblätter, in denen zu einer Demonstration vor dem türkischen Generalkonsulat aufgerufen wurde. Sie sollte sich gegen das als unverhüllte Bedrohung der Demokratie in der Türkei verstandene Ultimatum des Militärs zur Wiederherstellung der von politischen Gewalttaten gefährdeten öffentlichen Ordnung richten. Plötzlich tauchten aus einer naheliegenden Moschee etwa 50 (nach Angaben der Hürriyet 80) Mitglieder der "Nationalen Sicht e.V.", die der rechtsgerichteten Nationalen Heilspartei (MSP) nahesteht, auf und fielen mit Messern, Latten und Eisen- stangen über die Flugblattverteiler her. Der deutsche Staat ------------------ Nach Angaben verschiedener linker Gruppen, die gerade den Poli- zeifunk mitgehört hatten, beobachteten die Auseinandersetzung mehrere Staatschutzbeamte in Zivil, die über Funk ihre Kollegen von der Polizei aufforderten, nicht in Erscheinung zu treten, um die Observation nicht zu stören. Die Polizei erklärt zu den Vor- würfen, gerade in diesem Moment hätten sich zwei Funkkanäle ge- stört. Nach der Schlägerei hat sie auf jeden Fall einige Türken festgenommen, die Moschee durchsucht, in der Hiebwaffen gefunden wurden, und zwei Autos beschlagnahmt, in denen Schlagwerkzeuge gefunden wurden. Eine Sonderkommission von 15 Beamten zur Aufklä- rung des Tathergangs wurde gebildet und der Senat gibt an, daß geprüft werde, wer a b g e s c h o b e n werden könne. Die deutsche Öffentlichkeit --------------------------- Weil sich unter den Gastarbeitern ein paar die Köpfe einschlagen, ist es wieder einmal Zeit, auf die Gefahren der Überfremdung in deutschen Städten und Landen (wieviel Prozent an der Gesamtbevöl- kerung?) und die mangelnde Integration hinzuweisen. Der unverfro- rene Hinweis auf das G e w a l t p o t e n t i a l, das in der s o z i a l e n Z e i t b o m b e schlummert, paart sich dabei stets mit der Heuchelei, sich die Sorgen der Ausländer zu machen. Das B e k e n n t n i s zu mehr I n t e g r a t i o n s- anstrengungen, zu dem sich noch jeder Politiker bereit findet, wobei der Hinweis, daß man den ausländischen Kulturzusammenhang in besonderer Weise berücksichtigen muß, nie fehlt (in Berlin werden zur Zeit einige Polizeibeamte in t ü r k i s c h e r M e n t a l i t ä t ausgebildet), gibt einen Hinweis darauf, wie man bislang mit dem ausländischen Arbeitsvieh zurande kommt. Ohne die staatsbürgerlichen Rechte ist es der Willkür des Staates ausgeliefert, der sein observierendes Auge auf den Leuten, die sich unliebsam hervortun, hat und abschiebt. In der Vorstellung, daß es sich bei der Neuauflage des politi- schen Kampfes in der Türkei auf deutschem Boden um r e l i g i- ö s e F a n a t i k e r handelt, trifft sich das Urteil der aufgeklärten Presse mit dem allgemeinen Volksurteil, daß von den T ü r k e n in ihrer Rückständigkeit sowieso nichts anderes zu erwarten ist. Für den politischen Grund des Terrors der türkischen rechten Gruppen, die die Linken beseitigen, wo sie ihrer habhaft werden können, braucht man sich vom Standpunkt der bundesrepublikanischen Integration nicht zu kümmern. Die Linken ---------- haben auf der einen Seite wieder einmal recht behalten, daß sie vor den Faschisten gewarnt haben. Statt nun aber aus den Überfäl- len der Faschisten auf sie die Lehre zu ziehen, daß die Polizei sie dagegen nicht schützt, sondern observiert, wer von den Linken gleich mitabgeschoben werden kann, fordert sie zum wiederholten Male den Staat auf, etwas gegen die Rechten zu unternehmen. Die Auflösung des Rätsels, warum das Taschenmesser eines Linken ein Staatsschutzdelikt, das Waffenlager eines Rechten dagegen, sofern er keinen Waffenschein hat, unter den Straftatbestand des uner- laubten Waffenbesitzes fällt, sieht für sie immer noch so aus, daß der Staat auf dem rechten Auge blind ist, die demokratische Öffentlichkeit aber schließlich irgendwann mal aufwachen müßte. Ein anderer Teil der Linken dagegen stellt fest, daß er was ver- säumt hat, wo doch d i e Art Auseinandersetzungen das einzige ist, was sie interessiert: "Aber da gibt es noch dieses andere Deutschland, das wir nicht wahrhaben wollen, obwohl seine Bewohner Tür an Tür mit uns leben. Die deutsche Linke, sonst sensibel (!) für Gewalt der Gegenseite und für Militanz, hat einfach ignoriert, daß im eigenen Land ein Kampf stattfindet - ohne sie." (TaZ) zurück