Quelle: Archiv MG - BRD INNENPOLITIK AUSLAENDER - Von der Sortierung der Leute
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Neue Ausländerfeindlichkeit
GASTARBEITER - KEIN PROBLEM
Wer hat Angst vorm fremden Mann? Niemand! Und wenn er kommt? Dann
lassen wir ihn für uns arbeiten! Die modernisierte Antwort dieses
alten Reims läßt allerdings auch den Rest dieses Frage- und Ant-
wortspiels einigermaßen unzeitgemäß erscheinen: Denn wenn der
"fremde Mann", kaum daß er mit einem Fuß das Hoheitsgebiet der
BRD betritt, schon der Bestimmung anheimgefallen ist, Arbeiter
für den Reichtum dieses Landes zu sein, dann ist er weder das
Subjekt dieser Reise noch "kommt" er; dann wird er vielmehr ge-
kommen bzw. gegangen, und zwar als einer, dessen Gastrecht in der
Arbeitspflicht besteht; dann sagt der Name "Gastarbeiter" eben
alles über seine exklusive und entsprechend verfügte Verwendung:
Gast-Kanzler kann ein souveräner Staat schließlich nicht gebrau-
chen, Gast-Unternehmer benötigen weder eine Arbeitserlaubnis noch
müssen sie überhaupt dort verweilen, wo ihr Kapital "arbeitet",
und die paar Gast-Stars wie Rudi Carrell oder Branko Zebec sind
auch nicht deshalb hier, weil sie zu Hause arbeitslos wären.
In diesem Sinne: Wer kann fremde Männer und Frauen brauchen?
"Unsere" kapitalistische Volkswirtschaft! Und wenn "wir" sie
nicht mehr brauchen? Dann laufen sie! Worin dabei das vielbe-
schworene "Ausländerproblem" bestehen soll, ist völlig schleier-
haft. Wer von den Anwendern, Nutznießern und Verwaltern der aus-
ländischen Arbeiter soll denn Schwierigkeiten mit denen haben?
Die Unternehmer
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Fortschrittlich, wie diese vor "Initiative" nur so sprühenden
Menschen nun einmal sind, die den weniger unternehmungslustigen
Teil der Menschheit in ihre Fabriken packen, um ihn dort nach
Maßgabe e i n e s Kriteriums, des Profits, anzuwenden, hegen
Kapitalisten keinerlei rassistische Vorurteile gegen die Produ-
zenten von Mehrwert. Was kostet er? Was leistet er? Was also
springt raus? - das sind die Fragen, die das Kapital, durchaus
international, der Arbeiterschaft stellt. So wenig wie ein deut-
scher Arbeiter mit dieser feinen Nationalität einen Stich macht,
wenn er sich zu teuer verkaufen will oder seine Qualifikation
nicht benötigt wird, ebenso wenig sind ein türkischer Paß und
Knoblauchgeruch ein Hindernis, billig schwere Arbeit ausüben zu
dürfen.
Und genau darum geht es ja: Für all die Tätigkeiten im kapitali-
stischen Produktionsprozeß, für deren Verrichtung weder Lesen,
Rechnen noch die deutsche Sprache beherrscht werden muß (wenn man
es trotzdem kann, tut das nichts zur Sache!), bei denen also pure
Anstrengung, Schnelligkeit und Konzentration verlangt ist - für
diesen nicht geringen Haufen von Jobs stehen heutzutage deutsche
u n d ausländische Proleten zum freien Angebot.
Daß dies seit Anfang der Sechziger Jahre der Fall ist, liegt
nicht daran, daß das westdeutsche Kapital mit der inländischen
Arbeiterklasse unzufrieden sei. Nein, all das, was die armen
Schlucker von auswärts zu bieten haben, nämlich Muskeln und die
Bereitschaft, diese dem Kapital zur ausgiebigsten und intensiv-
sten Anwendung billig zu überlassen, das hat auch das deutsche
Arbeitsvolk schon oft genug unter Beweis gestellt. Zu dem
"Wirtschaftswunder", das sich auf bundesdeutschem Boden er-
eignete, hat es nämlich, teilweise kaum von der Front zurückge-
kehrt, seine unbescheidene Leistung an der Arbeitsfront und seine
Bescheidenheit an der Tariffront beigesteuert, und schon konnten
die ganzen Maschinen, die das Kapital hingestellt hat, wunder-
bare, aber keineswegs wunderliche Wirkungen auf den Gewinn ent-
falten. So wurde denn jahrelang der niemals veraltete Beweis an-
getreten, daß die Ausübung von Drecksarbeiten keine Frage der Na-
tionalität darstellt (auch wenn sich das rassenbewußte Deutsche
gerne einbilden). Bei so viel Einsatz blieb dem Kapital eigent-
lich gar nichts anderes übrig, als dermaßen zu akkumulieren, daß
ihm in seinem Drang nach Verwertung die einheimische Arbeitskraft
gar nicht mehr reicht. Und wenn für den profitlichen Einsatz eben
nicht genügend nationales Arbeitsvieh zur Disposition steht (was
nicht heißt, daß es gleichzeitig keine Arbeitslosen gäbe), dann
begrüßt das Kapital liebe Gäste mit Handkuß - Gäste, bei denen
schon von vornherein feststeht, daß sie die Qualitäten des deut-
schen Lohnarbeiters allemal im Rucksack haben. Teurer sind sie eh
nicht, im Gegenteil zum Lohndrücken geeignet; willig sowieso,
schließlich kommen sie aus Ländern, in denen der Kapitalismus
keine massenhaft billigen Arbeitsplätze auf die Beine gestellt
hat, zum Arbeiten hierher - froh, dies überhaupt zu d ü r f e n.
Damit sind sie - unqualifiziert, wie sie selbst im Verhältnis zu
deutschen Arbeitern sind - prädestiniert a) für die Müllabfuhr,
fürs Fließband und b) für den vielfältigen Beschiß, der sich mit
ihrer Unkenntnis deutscher Ausbeutungsbestimmungen und ihrem Wil-
len, in der begrenzten Dauer ihres Hierseins möglichst viel zu
arbeiten bzw. zu sparen, anstellen läßt. So mancher halbseidene
Reinigungsunternehmer hat in den diversen Suleikas seine Ge-
schäftsgrundlage entdeckt.
Auf der Adventsfeier im Betrieb kriegen dann auch die Gastls vom
echt deutschen Arbeitgeber ihren deutschen Weihnachtsmann als An-
erkennung für getane deutsche Wertarbeit. Von "Diskriminierung"
keine Spur!
Der deutsche Staat
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Holen und wieder abschieben sowie alle weiteren Im- und Exportre-
gelungen der internationalen Reservearmee - das besorgt der
Staat. Denn seit es dem deutschen Kapital in seiner Heimat zu eng
geworden ist, schafft die zuständige Staatsgewalt mit ihren guten
Beziehungen zu den Kollegen in aller Welt die Voraussetzungen da-
für, daß die arbeitende Klasse nicht zu knapp wird und die Akku-
mulation im eigenen Lande weitergeht. Dem werten ausländischen
Arbeitnehmer läßt der Staat dabei genau die Behandlung angedeihen
(zuzüglich diverser Sondermaßnahmen), mit der er seinem Kapital
die nationale Arbeiterklasse erhält und zur lebenslangen Verwen-
dung aufbereitet.
So hat auch Suleiman Sozialabgaben zu berappen, die ihm direkt
vom Lohn abgezogen werden, damit er sie nicht in Kümmel oder Mak-
karoni umsetzt, die ihm deshalb noch lange nicht dieselben Mög-
lichkeiten eröffnen, auch wieder arbeiten zu dürfen. Dem deut-
schen Arbeiter bringt die lebenslange Zwangsmitgliedschaft Mobi-
lität in dreierlei Hinsicht ein: kreuz und quer durch die Lande,
durch die Branchen und durch den ihm angemessenen Bereich der
Lohnskala zu ziehen - immerzu erhält er neue "Chancen", ob er
will oder nicht. Ausländer, für die es dieses Recht der Freizü-
gigkeit nicht braucht, haben da nur eine "Chance": Ihre Einreise-
genehmigung ist unmittelbar an den "Besitz" eines Arbeitsplatzes
bei einer bestimmten Firma geknüpft. Die Entscheidung, von wem er
wo ausgebeutet wird, ist ihm gänzlich abgenommen.
Außerdem hat der Staat mit dem Anwerbestop seit 1973 auch für
eine ordentliche Trennung gesorgt zwischen den "ausländischen
Mitbürgern", die als dauerhafte Mannschaft samt Familie inzwi-
schen zum festen Inventar der unteren Lohnarbeiterschichten gehö-
ren, und denen, die nur noch schwarz angeworben werden und ille-
gal ein wandern, so daß man sie auch ohne jedes Problem wieder
abschieben kann. Erstere kommen in den Genuß eines eigenen Obman-
nes, ganzer städtischer Armenviertel samt Sozialhelfern, Polizi-
sten und Pfarrern, eines kommunalen Wahlrechts und einer ewig
"scheiternden ordentlichen Schulbildung" für ihre Kinder, die
später - falls ohne Arbeitsplatz - ins Heimatland zurückmüssen.
Letztere werden so behandelt, wie es sich für Illegale gehört,
damit auch ja nicht mehr als nötig in die Abteilung eins aufstei-
gen.
Wählen und in den Krieg ziehen dürfen sie daheim. Ansonsten un-
terliegen sie hier selbstverständlich dem Strafgesetzbuch, und
die deutsche Polizei verfolgt ausländische Straftäter ohne Anse-
hung und mit sachgerechter Würdigung ihrer exotischen Person.
Die Vermieter
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Sicher, sie mußten sich erst einmal darauf einstellen, daß man
plötzlich Rumpelkammern und leerstehende Kinderzimmer (die Dop-
pelstockbetten!) an 8 Ausländer zugleich vermieten und von jedem
einzeln die volle Miete verlangen konnte, ohne daß der Staat mit
seinen Hygienebestimmungen über die 63 Kubikzentimeter Luft, die
der Mensch nach staatlicher DIN-Norm zum Atmen braucht, ein-
schreitet. Aber das haben unsere Vermieter doch ganz gut ge-
schafft, oder? Da muß man schon arger Rassist sein, um sich sol-
che Geschäfte entgehen zu lassen. Zwischenfazit: So haben zwar
die Gastarbeiter jede Menge Existenzprobleme am Hals, aber m i t
ihnen hat in der Praxis niemand ein Problem. Ihre Benützung ist
bestens geregelt.
Die Kollegen, Nachbarn, Leute auf der Straße,
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also alle diejenigen, die aus den Gastls weder Profit noch Miet-
zins herausschlagen, die sie weder geholt noch die Grenzen dicht
gemacht haben, denen vielmehr lediglich eine M e i n u n g über
ihre neuen Mitarbeiter und -bewohner zusteht, die haben - sich
auch - wie verlangt - an die Ausländer gewöhnt. Ob sie die Gast-
arbeiter nun Spaghettifresser schimpfen, sie für dreckige Hunde
und Schmarotzer halten, ihnen dies sogar sagen: Man hat sich ar-
rangiert. Der existierende Ausländerhaß ist keine Bewegung, son-
dern normales B e w u ß t s e i n des Alltagslebens. Zur üblen
Zeterei paßt das Lob ihrer Bescheidenheit, zur liebevoll-ver-
achtenden Erklärung "Du müssen das machen" die Freude am
"Griechischen Wein".
Zuguterletzt sollen auch diejenigen beiden Gruppen nicht uner-
wähnt bleiben, die die Gastarbeiter zu einem "Problem" e r-
k l ä r e n:
Die radikalen Fremdenhasser und idealistischen Ausländerfreunde
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Beiden sind die Gastarbeiter Anlaß zu einer Demonstration ganz
eigener Art.
Die Neo-Nazis, die Brandbomben in Ausländerheime werfen, drücken
damit ihre Unzufriedenheit mit dem demokratischen Staat aus, der
seinen markigen Worten -
"Es gibt anständige und mißratene Ausländer, aber die, die nur
das Asylrecht mißbrauchen, die wollen wir hier nicht haben."
(Helmut Schmidt) -
angeblich keine kongenialen Taten folgen läßt, und vollstrecken
an Staates Stelle ihr Urteil: es wären die Fremdarbeiter, die
"uns" Arbeit, Geld und Weiber wegnehmen. Mit tödlicher Konsequenz
betreiben sie den ziemlich absurden Schluß, die Nützlichkeit des
ausländischen A r b e i t s viehs für die deutsche Wirtschaft
durchzustreichen und - es deshalb wie V i e c h e r abzu-
schlachten.
Genau umgekehrt die christlichen, intellektuellen und sonstigen
liberalen Idealisten harmonischer gesellschaftlicher Verhält-
nisse. Sie nehmen die zweifelhaften K o m p l i m e n t e an
die Gastarbeiter - "Die deutsche Wirtschaft ist doch auf sie an-
gewiesen", "Sie machen doch für euch die Dreckarbeit, die ihr
nicht machen wollt!" -, also das falsche Lob ihrer besonderen
Nützlichkeit, beim Wort und entdecken darüber die moralische
Pflicht für jedermann, diesen neuen Mitgliedern der Arbeiter-
klasse Dankbarkeit und Respekt entgegenzubringen, als hätten sie
selbst "gerufen", und zwar nur damit man schöner leben kann:
"Wir (!) riefen Gastarbeiter, und es kamen Menschen ". (Max
Frisch)
So benutzt ein guter Mensch die Erinnerungen an den ökonomischen
Grund der Existenz von Gastarbeitern hierzulande zu einer Anklage
gegen "uns" und nach mehr zwischenmenschlichem Kontakt und staat-
licher Fürsorge. Damit will er "uns" allen auch noch die morali-
sche Bringschuld aufhängen, ganz freundlich und nett zu den
Fremdlingen zu sein, von denen sie stets betonen, daß jene "auch
(!) Menschen" seien. Eine sehr menschenfreundliche Sorte von Ras-
sismus! Am Ende stellt sich ein moderner deutscher Kosmopolit
auch noch auf den Standpunkt, er könne von der "urwüchsigen Men-
talität der Südländer durchaus (!) noch etwas lernen", begeistert
sich an deren erzeugter Dummheit und Borniertheit, bloß weil es
nicht die gewöhnliche deutsche ist. Gebildete Menschen sorgen
sich gemeinsam mit dem bayerischen Kultusminister Maier, der den
Ausländern die "kulturelle Identität" nicht durch "Assimilation"
nehmen möchte, um den "Kulturschock", den diese armen Hascherl in
der "westlichen Zivilisation" angeblich erleiden. Und mit alledem
teilen sie der Öffentlichkeit ihre Botschaft mit, daß man die
Gastarbeiter in unsere Gesellschaft "integrieren" muß! Ein dic-
keres Lob kann man sich für den westdeutschen Kapitalismus gar
nicht ausdenken!
Unser Tip: Wer sich über L o h n arbeit nicht aufregen will,
soll sich sein M i t l e i d mit den Gastarbeitern an den Hut
stecken.
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