Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT TARIFPOLITIK - Von Lohnrunden ohne Lohn
zurück Bremer Hochschulzeitung Nr. 96, 12.06.1984 WochenschauSTREIKCHRONIK
Vom Arbeitskampf bei Metall und Druck gab's vergangene Woche vor- wiegend Juristisches und Politisches zu vermelden. In Hessen brach Bundesrecht Landesrecht und der Instanzenweg verschaffte der Gewerkschaft einen moralischen, den Unternehmern den Sieg in der Sache. Die Gewerkschaft bekam von einer unmaßgeblichen In- stanz unmaßgeblich bestätigt, daß ihr durch die Aussperrungspoli- tik der Unternehmer Unrecht geschieht - richtig schönes, offizi- ell festgestelltes, gültiges Unrecht. Die Unternehmer bekamen von der nächst maßgeblicheren Instanz Recht in ihrem Urteil, daß es sich beim Aussperrungsverbot der hessischen Verfassung um eine sozialistische Verirrung aus der Klamottenkiste des Antifaschis- mus der ersten Nachkriegszeit handelt. Die FDP brachte "eine Debatte ins Rollen, die für die Gewerk- schaft gefährlich werden könnte" (ARD-Tagesthemen): Für die auf- geklärten Liberalen ist nämlich ab sofort das Streikrecht kein Tabu mehr. Sie halten es für sehr undemokratisch, weil nicht je- der leitende Angestellte und jede gewerkschaftsfeindliche Putz- frau ein Vetorecht haben. Ausgerechnet der Mr. 5% Genscher stellt sich hier das Ideal einer Republik vor, in der jede Bundestags- wahl gleichzeitig eine Urabstimmung auf 4 Jahre gegen jeden Streik darstellt. Die Tarifparteien in der Druckerbranche haben Kurt Biedenkopf (CDU) als "unparteiischen Schlichter" verpflichtet, weil er im schroffen Gegensatz zu Parteifreund Kohl die 35-Stunden-Woche nicht für "dumm und töricht" hält, sondern nur für "gefährlich und abwegig." Im Bundestag boten am Mittwoch ein paar hunderttau- send außer Brot gesetzte Arbeiter prachtvolles Material für einen Schlagabtausch zwischen Koalition und Opposition, wobei beiden Seiten in der Hitze des Gefechts manche Wahrheit über diesen "Arbeitskampf" herausrutschte: Die SPD "verteidigte" IG Me- tall/Druck mit dem Argument, daß es den Gewerkschaften weder um weniger Arbeit noch um Lohnausgleich ginge, sondern ums politi- sche Überleben; Union und FDP bestätigten, daß sie in der Tat den DGB auf sein in der "Wende" noch zulässiges politisches Maß zu- rechtstutzen wollen. Und bei den Metallverhandlungen selbst hat sich die Gewerkschaft zu einem Angebot neuen Typs hingestreikt: Lohnverlust auf 2 Jahre festgeschrieben, statt der 35-Stunden-Woche ein auf 2 Jahre ver- teilter Einstieg in die 37-Stunden-Woche, nach Ende '87 gemein- schaftliche Prüfung, ob der Arbeitsmarkt weitere Arbeitszeitver- kürzungen ratsam erscheinen läßt. Die Unternehmer haben abge- lehnt. Für sie komme eine "Arbeitszeitverkürzung von 2 Stunden" allenfalls für Schichtarbeiter in Frage - schließlich geht jede moderne Schichtarbeitsplanung von Richtgrößen wie 148-Stunden- Dauerbetrieb, also auch Samstagsarbeit, Arbeit rund um die Uhr, 10-Tage-Woche u.ä. aus, so daß der Unterschied zwischen 8- und 40-Stunden-Woche nicht mehr zu Lasten des Betriebs, geschweige denn zu Gunsten des Arbeiters ins Gewicht fällt. zurück