Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT TARIFPOLITIK - Von Lohnrunden ohne Lohn


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       Bremer Hochschulzeitung Nr. 98, 03.07.1984
       
       Das war er dann...
       

DER "HÄRTESTE ARBEITSKAMPF DER NACHKRIEGSZEIT!"

Die IG Metall hat ihn inszeniert, g e k ä m p f t mit allen ih- ren Mitteln haben nur die Unternehmer; Regierung und Opposition ergriffen jeweils ihre Partei, und die S c h l i c h t u n g gelang Georg Leber. Ein Mann, der als Gewerkschaftsführer, Bun- desminister und Aufsichtsratsmitglied sich an allen Fronten des Sozialen Friedens bewähren durfte. Das Ergebnis, das dabei her- auskommen m u ß t e, kann sich sehen lassen für "unsere Wirt- schaft", und die Arbeiter können ab sofort zusehen, wie sie damit auskommen. Ab sofort gibt's nämlich nicht einmal nichts, sondern ganz entschieden weniger: Vom 1. Februar bis zum 1. Juli läuft eine "Null-Runde", die mit DM 250.- für jeden "kompensiert" wird. Ab 1. Juli dann 3,3% Lohn"erhöhung", was deutlich selbst unter der offiziellen "Teuerungsrate" liegt. "Dafür" ab 1. April 1984 eine "38,5-Stunden-Woche", die als "Arbeitszeitverkürzung" zu be- zeichnen ein vorgezogener Aprilscherz ist. 38,5 ist ein b e t r i e b s s p e z i f i s c h festzusetzender "Durch- schnittswert", mit der das Unternehmerziel einer "Flexiblen Arbeitszeitregelung" als "Einstieg in die 35-Stunden-Woche" eti- kettiert wird. Noch dazu mit der zusätzlichen Einschränkung, daß "die Auslastung der Produktionsanlagen voll gewährleistet" sein muß. In kleinen und mittleren Betrieben kann so weiter mindestens 40 Stunden gearbeitet werden, die großen können ihren Arbeits- kraftbedarf "den sich revolutionär ändernden Produktionsmethoden" (Leber) anpassen, ohne einer tarifvertraglich festgelegten Wo- chenarbeitszeit Rechnung tragen zu müssen. "Freizeitausgleich" durch freie Tage ist ausdrücklich vorgesehen, wenn bei "hoher Produktivitätsauslastung" nicht nur 40 Stunden, sondern die "20 erlaubten Überstunden" pro Monat als Normalschicht gefahren wer- den. Die '38,5' sollen sich ohnehin nur als Durchschnitt aus 2 Monaten ergeben. Und bei "betriebsinternen Regelungen" sind jede Menge Überstunden über die 20 hinaus möglich. Für gewisse Be- triebsteile wird die Schichtregelung so gestaltet, daß sich rech- nerisch im Durchschnitt 37 Wochenstunden ergeben. Das ist der Ar- beitszeitverkürzungserfolg. Schon jetzt kündigen die Unternehmer an, minderqualifizierte Arbeiter, vor allem am Band, weniger als 38,5 Stunden zu beschäftigen und den dadurch entstehenden "Kostenschub" durch "Rationalisierungsinvestitionen" ausgleichen zu wollen. Am 1. April 1985 gibt's dann nochmal 2% Lohn"erhöhung". So daß eine massive Lohnsenkung für einen Zeit- raum von 26 Monaten festgeschrieben ist. Die IG Metall hat sich bis zum 30. September 1986 tarifvertraglich aus der Tarifpolitik verabschiedet! Genau umgekehrt wie die Gewerkschaft behauptet, ist jede allge- meinverbndliche Arbeitszeitregelung außer Kraft gesetzt. Die Ta- rifautonomie findet ab sofort nach den Regeln des Betriebsverfas- sungsgesetzes statt: als einvernehmlicher Streit zwischen dem Be- trieb und seinen Räten. Unter dem gesetzlich vorgeschriebenem Leitgedanken "Wohl des Betriebs" wird dort "konkretisiert", wie sich die Unternehmer die Enttabuisierung des 40-Stunden-Prinzips vorstellen. Der Nachtarock letzten Donnerstag im Fernsehen vermittelte An- schauungsmaterial über Sieger und Besiegte dieses Arbeitskampfes, wenngleich die Beschissenen nicht im Studio persönlich anwesend wären. Daß sie parieren, wieder arbeiten und sich in der Kunst des Einteilens üben, unterstellten alle Hauptakteure als Selbst- verständlichkeit. Es ging, wie schon im Streik selbst, nur darum, wie die Bosse von der Arbeits-, Wirtschafts- und Staatsfront mit- einander können. Leber feierte sich selbst als Triumph der Demo- kratie, die "Verschleißkosten" wie einen Streik lässig wegsteckt, wenn sie hinterher wieder "reingearbeitet" werden. IG-Metall-Chef Mayr sah "ein Tor aufgestoßen, durch das viele gehen werden", und beteuerte ein ums andere Mal, daß die Betriebsräte, die ab sofort die T a r i f partner der Unternehmer sind, die "Stärke der Ge- werkschaft" seien - als hätte die IG Metall nicht jahrelang gegen betriebsinterne Sondervereinbarungen unter Ausschaltung der Frankfurter Zentrale gewettert. Metall-Vorsitzender Thiele schwelgte genüßlich in den "Freiheiten und Perspektiven", die der neue Tarifvertrag "a l l e n Unternehmern" bietet, und mußte sich sogar vorn Moderator fragen lassen, ob's dafür 7 Wochen Aus- sperrung gebraucht hätte. Seine Antwort stellte klar, daß "die Wirtschaft" den angeblichen Milliardenschaden für ihre Wirtschaft lässig wegsteckt, um die angeblich so "kompromißlose" IG Metall von der Kompromißlosigkeit der Unternehmer zu überzeugen. Mini- ster Blüm schließlich wollte seinen Honigkuchenrundkopf gar nicht mehr aus der Kamera rücken vor Freude darüber, daß die Gewerk- schaft endlich eingesehen hat, "nicht mit der Dampfwalze" was er- reichen zu können, und sogar noch in letzter Minute seine Idee mit der Vorruhestandsregelung f o r d e r t e, die sie vorher als "taktischen Trick gegen die 35-Stunden-Woche-Forderung" zu- rückgewiesen hatte. Nach 7 Wochen Streik ist die Republik schwerer in Ordnung denn je: Jetzt wird gleich 26 Monate am Stück ohne die geringsten "Verschleißkosten der Demokratie" geschuftet, profitgemacht und Steuern kassiert. Jetzt rechnen die Arbeiter mit jedem Pfennig und gelangen zu dem beabsichtigten, sowohl staatstragenden als auch wirtschaftsförderlichen Ergebnis: Dieser Streik hat sich wieder einmal wirklich überhaupt nicht gelohnt! So wird aus der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen noch ein Argument dafür, sich ihnen bedingungslos zu unterwerfen. zurück