Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT TARIFPOLITIK - Von Lohnrunden ohne Lohn
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DAS NEUESTE VON DER LOHNFRONT
Der erste Aprilscherz kommt von der IG Metall. Auf rosa Flugblät-
tern teilt sie ihren Mitgliedern mit, daß ab 1.4. die letzte
Stufe des 87er-Tarifvertrages greift. Offensichtlich hat sie
keine Probleme damit, den Leuten diese 2,5 %, die faktisch einem
L o h n v e r z i c h t gleichkommen, in Erinnerung zu rufen.
Offensichtlich möchte sie die Metaller rechtzeitig auf die näch-
ste Tarifrunde einstimmen: "Euer Lohn ist und bleibt die Manö-
vriermasse für unsere hohen gesellschaftlichen Ziele." Zu denen
gehören bekanntlich Arbeitszeitverkürzungen, die sich die Be-
triebe in stromlinienförmige Flexibilitätsmodelle umsetzen; und
dazu gehören Arbeitsplatzbeschaffungsprogramme, die jeden Betrieb
dazu "zwingen", genausoviel oder -wenig Leute einzustellen, wie
es in ihre Kalkulation paßt. Dafür hat die Gewerkschaft mit dem
Tariflohn gezahlt.
Der zweite, genausowenig lustige Aprilscherz war in allen Zeitun-
gen nachzulesen: Die Post wird teurer bei Briefen, Paketen und
beim Telefon. Die Bahn erhöht die Preise. Die Kfz-Haftpflicht
wird teurer. Dazu die Scherze, die schon ab dem 1.1. gelten wie
Benzinsteuer. Alles natürlich dringend notwendige Maßnahmen - we-
gen der roten Zahlen bei Post, Bahn oder Stoltenberg. Die Priva-
ten ziehen nach. Auch sie machen es gleich mit Ankündigung - z.B.
die Automobil- und Benzinpreise "müssen" gleichfalls nach oben
korrigiert werden.
Die Lage ist also eindeutig: Alle - die Staats- und die Privatbe-
triebe - brauchen mehr G e l d. Dafür haben sie ein Mittel und
eine Quelle. Das Mittel sind die P r e i s e. Die Quelle, das
sind L ö h n e und G e h ä l t e r, mit denen die Preise ge-
zahlt werden müssen. Das ist hierzulande so etwas wie ein Natur-
gesetz. Denn der Lohn- und Gehaltsempfänger gehört nicht zu je-
nen, die mehr Geld brauchen. Er ist eben weder die Post oder
Bahn, noch VW oder Esso. Er hat deswegen auch keine "Ver-
antwortung" für "Wachstum", für den "Exportüberschuß", für die
"Konkurrenzfähigkeit" oder den "Standortvorteil". D a f ü r
i s t e r s e l b e r e i n p r ä c h t i g e r "S t a n d-
o r t v o r t e i l". Auf den ist man auch sehr stolz: Er läßt
sich von seiner Gewerkschaft den Tariflohn senken, damit der den
Gewinn nicht stört. Er zahlt zweitens alle Preise, mit denen die
Gewinne eingefahren werden. Und er hat drittens kapiert, daß
s e i n einziger Grund für eine Geldforderung hier nichts zählt:
Bei ihm geht es ja nur um seinen Lebensstandard! Und was ist der
im Vergleich zu den Anliegen der "Stützen der Gesellschaft", die
sich ja nicht umsonst doppelt bei ihm bedienen! Sein
Lebensstandard, das sind doch bloß seine Lebensnotwendigkeiten.
Die kann man auch etwas einschränken. Dafür darf er sich sagen,
daß er ein "Standortvorteil" ist.
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