Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT TARIFPOLITIK - Von Lohnrunden ohne Lohn
zurück Tarifverhandlungen für die Bank- und Sparkassenangestellten in der DDR:EINE 100%-FORDERUNG DER GEWERKSCHAFT UND WAS MAN DARAUS LERNEN KANN
Derzeit führt die westdeutsche Gewerkschaft HBV im Verbund mit ihrer ostdeutschen Schwesterorganisation GÖD mit den Bank- arbeitgebern West wie Ost Tarifverhandlungen für die rund 60000 Beschäftigten der Banken und Sparkassen in der DDR: Noch bevor die "Währungsunion" mit ihrer segensreichen "Umstel- lung" der Löhne und Gehälter im Verhältnis 1:1 in Kraft tritt, will sie als "Vorweganhebung" satte 100% mehr für die Bankan- gestellten. Die Begründung dafür lautet - man höre und staune! - das diene erstens der "Anpassung" an die bundesrepublikanischen Tarife im Bankenbereich und zweitens der "Vermeidung sozialer Härten in Folge der zu erwartenden Preisentwicklung." (Flugblatt HBV/GÖD) Nanu? Soll das etwa eine Kritik an der 1:1-Umstellung durch die Hintertür sein? Hält die Gewerkschaft diese, gemessen an dem da- mit künftig zu bewerkstelligenden Lebensunterhalt der Leute, letztlich doch noch für untragbar? Nein, die kennt ganz andere Gründe, wenn sie sich ans Korrigieren von Löhnen macht: "In der DDR verdient ein Bankangestellter mit 1100 DM rund 25% dessen, was ein bundesdeutscher Bankangestellter monatlich nach Hause trägt. Ein Facharbeiter jedoch geht mit 1300 DM, also rund einem Drittel dessen nach Hause, was der bundesdeutsche Fachar- beiter im Monat hat." (HBV-Verhandlungsführer Stritter im "Handelsblatt") Die Gewerkschaft b e r u f t sich also auf die mit der Einfüh- rung der DM unausweichlichen "sozialen Härten", die ja wohl das g e s a m t e Arbeitsvolk treffen, um sich e x k l u s i v e i n e r B e r u f s g r u p p e zuzuwenden. Alle anderen - ihre übrige (potentielle) Mitgliederschar wie die 'kleine Verkäu- ferin' aus dem Einzelhandel eingeschlossen - findet sie demnach mit dem 1:1-Billiglohn bestens bedient. Da teilt sie voll und ganz die allgemeine Auffassung, daß für die die "bundesdeutschen Lohnstandards" vorerst nicht gelten können - wegen der "niedrigeren Produktivität" der DDR-Betriebe, versteht sich! Die Gewerkschaft hat eben ihre eigenen Maßstäbe von "Lohngerechtigkeit", die von vornherein mit dem, wofür ein Ein- kommen taugen muß, nichts zu tun haben. Ob ein Bankangestellter demnächst von 2000 DM über die Runden kommt, ist für die das Allerunwichtigste, wenn sie beim V e r g l e i c h e n von Be- rufsgruppen radikal wird: Ein Blick auf die Berufshierarchie hier und das 'Lohngefüge' drüben hat ihr gezeigt, daß die Bankange- stellten der DDR eindeutig f a l s c h e i n s o r t i e r t sind. Daß ein F a c h a r b e i t e r - womöglich noch nach der Eingemeindung der DDR! - m e h r verdient als ein B a n k a n g e s t e l l t e r, d a s findet sie ganz und gar untragbar. Wo das doch "bei uns" genau umgekehrt ist! Da sind Bankangestellte in der B e r u f s h i e r a r c h i e eindeu- tig höher angesiedelt als Facharbeiter, und zwar deshalb, weil Bankkapitalisten die Dienste der Bankangestellten für ihr Ge- schäft anders bewerten und mehr bezahlen, als die Fabrikbesitzer ihren Proleten zugestehen. Und diese Praxis hat die Gewerkschaft in ihren Tarifverträgen mit einer sogenannten "objektiven" Gültigkeit versehen, indem sie lauter Begründungsmerkmale dafür ersonnen hat, daß das genau so sein m u ß. Das ist nämlich ihr ureigenes Betätigungsfeld: Die Kapitalisten z a h l e n verschiedene Löhne und die Gewerk- schaft e r f i n d e t lauter B e g r ü n d u n g e n für einen Zusammenhang, den es gar nicht gibt. Wieso sollen denn 14,80 genau der passende Stundenlohn fürs Elektroschweißen sein? Entsprechend bescheuert sehen die gewerkschaftlichen Einsortie- rungsmerkmale aus: Z.B. hat sie solche Tätigkeiten wie Geldzählen und kleinen Leuten die Kredite verweigern bzw. die Zinsen für Kredite, die die Bank kassiert, ausrechnen, mit ganz viel "Verantwortung" ausgestattet und in die Rubrik "geistige Tätig- keit" eingestuft, die der Kassiererin an der Ladenkasse im Gemüsegeschäft bekanntlich abgehen soll. Offenbar ist es ihr nicht zu blöd, zu behaupten, es käme darauf an, wo jemand Geld zählt, um zu "begründen", daß deren n i e d r i g e r e Bezah- lung gewerkschaftlich wohlbegründet, also in Ordnung ist. Solche Maßstäbe haben ab sofort auch in der DDR zu gelten: Jetzt, wo dort endlich echte Bankkapitalisten mit echten Bankangestell- ten in Schlips und Kragen, die mit richtigem Geld umgehen, Einzug halten, ist die Gewerkschaft gefordert. Jetzt hat sie mit dafür zu sorgen, daß die bisherige "Diskriminierung geistiger Arbeit" (HBV-Stritter) durch den einstigen Arbeiter- und Bauernstaat auf- hört und den Bankangestellten gebührt, was ihnen gemäß ihrer Stellung in der kapitalistischen Berufshierarchie mit Fug und Recht zusteht! S o kommt eine Gewerkschaft auf 100% mehr und stellt auf ihre Weise klar, daß es vom p u r e n Z u f a l l abhängt, ob und wann ein Drübiger in den 'Genuß' von mehr Geld kommt, als die BRD-Politik mit ihrem 1:1-Umstellungsdiktat vorerst vorgesehen hat. Ein ehemaliger Bankangestellter der DDR hat - so besehen - schlicht und einfach das G l ü c k, in der marktwirtschaftli- chen Berufshierarchie a n d e r s b e w e r t e t zu werden. Daß dieses 'Glück' auch nur ein r e l a t i v e s ist, zeigt der Tarifabschluß, der inzwischen unter Dach und Fach ist: Den Bankarbeitgebern hat das von der Gewerkschaft in Anschlag ge- brachte Kriterium schnell eingeleuchtet, so daß man sich ohne viel Federlesens geeinigt hat: 40% mehr für die Bankangestellten und 50 % mehr für die der Sparkassen. Also auf jeden Fall ein voller Erfolg der Gewerkschaft: Wo es sowieso nur auf die r i c h t i g e P r o p o r t i o n ankommt, tut's dafür auch die Hälfte! Was DDRler daraus lernen können? -------------------------------- Zuallererst, daß n i c h t s von dem wahr ist, was im Kapita- lismus über den Zusammenhang von Lohn und Leistung behauptet wird; daß es eine L ü g e ist, in der Marktwirtschaft würde sich der Lohn nach der Leistung richten! Eine Lüge, an die nichtsdestotrotz DDR-Arbeiter am allerhart- näckigsten glauben: Sie sind ja felsenfest davon überzeugt, daß mit der Einführung der vielgepriesenen marktwirtschaftlichen "Effizienz"-Maßstäbe sich erstmals nach 40 Jahren "Leistung wie- der lohnen" würde. Endlich würde sich ihr ganz p e r- s ö n l i c h e r Arbeitseinsatz für sie in Heller und Pfennig auszahlen. Wenn s i e sich nur genügend reinhängen, brächte die Arbeit schon den ersehnten Wohlstand undsoweiter. Pustekuchen! Die Gewerkschaft entlarvt alle diese Einbildungen als reinen Schwindel. Woher weiß sie denn, daß Bankangestellten mehr zu- steht, als sie jetzt verdienen? Hat sie etwa deren Leistung über- prüft und d a n a c h den haargenau dazu passenden Lohn er- mittelt? Es ist doch wohl eher umgekehrt: Ganz u n a b h ä n g i g von der Leistung eines Bankangestellten hat ihr ein Blick in ihre Ta- riftabellen gezeigt, welcher Geldbetrag der Tätigkeit eines Bankangestellten in der BRD z u g e o r d n e t ist. Der war dann nur noch DDR-gemäß zu bereinigen nach dem Motto 'm e h r a l s ein DDR-Facharbeiter und w e n i g e r a l s ein BRD- Bankangestellter'. Fertig ist die "leistungsgerechte Bezahlung" eines DDR-Bankangestellten! Und wie steht's mit dem zweiten hartnäckigen Gerücht, das auch jedem DDRler irgendwie schwer einleuchtet: daß wegen der "niedrigen Produktivität" der drübigen Betriebe die DDR-Löhner erstmal auf halbe Kost gesetzt werden müßten? Ist etwa die 'Produktivität' der Banken und Sparkassen um 100 % gestiegen, weil die jetzt mit anderen Geldscheinen hantieren? Ist Geldzählen 'produktiver' als Autos zusammenbauen? Die Wahrheit ist eben ganz anders: Für die 'L o h n g e r e c h- t i g k e i t' müssen erstmal jede Menge L o h n u n t e r- s c h i e d e her. Und die folgen allesamt der Logik, die den Arbeitern hierzulande bestens vertraut ist: J e h ä r t e r u n d a n s t r e n g e n d e r d i e A r b e i t, d e s t o g e r i n g e r d e r L o h n. D i e s e Gerechtigkeit gehört sich in der DDR durchgesetzt, wenn die werden will "wie wir". Und damit hat die HBV schon mal angefangen. zurück