Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT RHEINHAUSEN - Eine Heimat für Lohnarbeiter


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       Wie Rheinhausen im Fernsehen vorkommt:
       

MENSCHEN, (ARBEITS)TIERE, SENSATIONEN

In der ersten Abteilung "Heue wir - morgen ihr", WDR, 2. Februar 22.15 Uhr -------------------------------------------------- durften sich ein paar ausgesuchte Rheinhausener als die armen Op- fer vorführen lassen. Vor lauter ins Bild gesetzter ratloser Be- troffenheit sollte die Frage danach erst gar nicht aufkommen, warum und wozu die Leute betroffen gemacht werden. Zu der beab- sichtigten Fernsehstimmung paßt da schon besser, - wenn sich ein älterer Kruppianer als enttäuschter Liebhaber der trostlosen Ab- hängigkeit vom Krupp'schen Geschäft vorzeigen läßt: Vati hat sich beim Geldverdienen in der Fabrik kaputtgeschuftet; Mutti hat das Geld gleich wieder zum Krupp'schen Konsum und der Krupp'schen Hausverwaltung zurückgetragen und zwischen drin schnell noch die Kinder in den Krupp'schen Kindergarten gesteckt und Oma im Krupp'schen Pflegeheim besucht - "Ach wie war das früher schön!" - wenn man 15-, 16-Jährige findet, die mit belegter Stimme ihre echte Betroffenheit verlesen, die ihnen ihr Soziallkundelehrer ins Aufsatzheft diktiert hat: wo bleibt die "Zukunft der Jugend"? - wenn zwischendurch immer mal wieder das Stahlwerk von vorn, hinten und der Seite mit Weitwinkel gefilmt wird, dazu etwas dra- matisch dumpfe Musik, damit noch der letzte Zuschauer die Fern- sehbotschaft mitkriegt: hier ist das Schicksal am Werk (das ist die Sache, die über einen hereinbricht und gegen die bekanntlich niemand nicht niemals etwas machen kann) - Schnitt. Zusätzlich zu dem zweifelhaften Unterhaltungswert, den das Fern- sehen da zu Rheinhausen entdeckt hat (hier gibt's jede Menge Schicksal, das sich stimmungsvoll in Szene setzen läßt), durfte aber auch die positive Sinngebung nicht fehlen. Sprüche wie: "Stark sein durch Schwäche" (Pfarrer Kelp) und: "Egal, ob die Sa- che positiv oder negativ ausgeht, wir sind jetzt schon mit unse- ren Aktionen ein Stück ewig geworden" (Betriebsrat Steegmann) kommen dem hier verfilmten Dogma gebildeter Menschen, daß in der Scheiße nichts so sehr fehlt wie ein Sinn, natürlich wie gerufen, um Erfolgsmeldungen ganz eigener Art auszugeben. Das ist es, was einem Arbeiterprotest die zweifelhafte Ehre einbringt, medien- wirksam ausgeschlachtet zu werden: daß sich nämlich die religiö- sen und gewerkschaftlichen Verwalter des Rheinhausener Protestes auf unvermeidliche Härten schon eingestellt haben und - ungeach- tet der Ein- und Auskommensprobleme, die die Leute haben - die wirklichen Verlierer als moralische Sieger hochleben lassen. Die Rheinhausener als anständige und unverdrossene Kämpfer gegen das Unausweichliche zu stilisieren, das reizt offenbar einen WDR-Re- porter an den Entlassungen und dem Protest. In der zweiten Abteilung "IIl vor Mitternacht", WDR, 2. Feb. 22.45 Uhr --------------------------------------------- durften die eingefleischten West-3-Seher sich mal wieder ihr jo- vial-abschätziges Urteil bestätigen, daß der kleine Mann "doch auch" ganz schön viel Kultur hat, während die Rheinhausener mitansehen konnten, wie sie zu einem Thema für das etwas feinsin- nigere, gehobene Unterhaltungsbedürfnis völlig gleichberechtigt neben den Lebensgeschichten und -weisheiten alternder Künstler ("Mein Vater war Solo-Cellist beim Großherzog"; "Ich sitze am liebsten in der Küche") verarbeitet wurden. Die drei Mädels vom WDR sorgen schon dafür, daß an der angesprochenen Sache nichts anders zur Debatte steht, als die Gemütslage der eingeladenen Personen: "Wie fühlen sie sich wenn sie eine Rede halten, und was sagt eigentlich ihre Freundin dazu?" Da ist Ergriffenheit über den dichtenden Hans-Dieter Hüsch ange- sagt, der zeigt, daß wenn er das Elend der Lohnarbeit schildert, sich hinten alles reimt: "Schaut dem Arbeiter ins Gesicht, wenn er morgens kommt von der Schicht". Da ist der einzig erfrischende Spruch des ganzen Abend ("Die Un- ternehmer müssen weg" - Tusch, Stehgeiger) eben ein köstlicher Beleg dafür, was die Tana Schanzara für eine ungewöhnliche, re- vierverbundene Ulknudel ist. Da darf der Sprecher des Arbeiterprotests Helmut Laakmann seinen Vorwurf loswerden daß die Hüttenschließung ein Verbrechen wäre, weil die soziale Marktwirtschaft und ihre Politiker eigentlich ein Herz für Arbeiter haben müßten ("Schämen sie sich eigentlich nicht, Herr Blüm"). Und da ist seine Empörung wiederum nur der Anlaß, sich freundlich unverschämt danach zu erkundigen, ob der Protest in Rheinhausen in ihm ein vorbildliches oder gefährliches Führertalent hervorgebracht hat: "Sehen sie sich als Demagoge oder als ein neuer Lech Walesa des Ruhrgebiets?" Da wird ein Arbeitsminister eben auch nicht als das genommen was er ist, nämlich immerhin ein Mitverantwortlicher für solche Pro- gramme, wie sie in Rheinhausen stattfinden, sondern er kriegt Ge- legenheit, sich als Person und Mensch genauso betroffen zu geben wie die, die's wirklich trifft. Denn erstens ist er Mensch wie du und ich (den alles furchtbar bedrückt) und zweitens verantwortli- cher Politiker für dich und mich, sodaß man seine persönlichen Heucheleien ("manchmal wollte ich die Brocken auch schon mal hin- schmeißen") als Zeichen dafür nehmen soll, wie richtig bei dem die Verantwortung liegt. So kann sich dieser Mann als "Helfer für Rheinhausen" aufspielen und gleichzeitig dazu sagen, daß er das am besten kann, wenn ihm niemand ins Handwerk pfuscht: "Ein guter Politiker darf sich nicht von Beifall und Pfiffen abhängig ma- chen" (Beifall). Und damit's der letzte noch versteht wie sie gemeint ist, die Bildschirmsympathie mit dem, "was in Rheinhausen vor sich geht", erklärt es einem am Schluß die Moderatorin noch einmal: "Es herrscht allgemeine Ratlosigkeit. Niemand weiß ein Konzept". Da sitzt der Zuschauer nun und darf Verständnis haben - für die Arbeiter, den Minister und Gott und die Welt als ein Heer von hilflosen Tröpfen, die sich redlich mühen, jedoch mit zweifelhaf- ter Erfolgsaussicht. So gehen dann auch die Entlassungen in Rheinhausen für das Fernsehen in Ordnung, denn schließlich hat sich jeder nach Kräften gekümmert - das konnte man ja im Fernse- hen sehen. zurück