Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT RHEINHAUSEN - Eine Heimat für Lohnarbeiter


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       Ein Arbeitskampf im Lichte der Wissenschaft
       

UNIVERSITÄTSPROFESSOREN NEHMEN STELLUNG ZU RHEINHAUSEN

PS 1 ---- Prof. H. STRASSER (Duisburg) hat uns mitgeteilt, daß das Ergebnis des Arbeitskampfes in Rheinhausen darin besteht, daß die So- ziologie sich mal wieder bestätigt und gefordert sieht: "Den Ausgang des Rheinhausener Arbeitskonflikts muß man unter mehreren Gesichtspunkten sehen und beurteilen: erstens, hat er die Erfordernisse einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft insofern bestätigt, als sich die Entscheidungskompetenz der Un- ternehmensleitungen durchgesetzt hat; zweitens, hat er die Notwendigkeit und Grenzen der sozialen Verträglichkeit technologisch und weltwirtschaftlich induzierter Veränderungen deutlich gemacht. Die soziale und natürliche Verträglichkeit veränderter Produktionsweisen und Dienstleistungen tritt im organisierten Kapitalismus zunehmend als politische Meßlatte an die Stelle des Kompensationsprinzips der Sozialpolitik, das durch Recht (Anspruch) und Geld (Unterstützungsleistungen) die negativen Folgen des industriekapitalistischen Wirtschaftens ausgleichen will." Erstens hat das soziologische Feld-Experiment Rheinhausen also glänzend das kühne Theorem "bestätigt", daß im "organisierten (im Unterschied zum unorganisierten) Kapitalismus" sein muß, was sein muß. Zweitens hat es "deutlich gemacht", daß Recht und Geld "zunehmend" dann nicht mehr recht gelten, wenn Soziologen die "politische Meßlatte" anlegen, derzufolge es bei allem erstens und letztens darauf ankommt, daß man sich dabei verträgt. Sozial natürlich. Ein Soziologie-Professor wäre der letzte, der daraus keine Lehren zöge; und er ist der erste, der für seine diesbezüg- lichen Forschungsergebnisse Reklame macht: "Es ist nicht so sehr die Frage, welche Lehren die Beteiligten aus Rheinhausen ziehen sollten, sondern welche Lehren tatsächlich gezogen werden. Vier Lehren dürften gezogen werden: Erstens, Po- litiker, Unternehmer und Verbandsfunktionäre finden in Rheinhau- sen bestätigt, daß kurzfristig durchaus Stimmung, auch Änderung der Wahlpräferenz, erzeugt werden kann, wie die Umfrageergebnisse einer vom Fach Soziologie der Universität-GH-Duisburg unter der Duisburger Bevölkerung durchgeführten Umfrage ergeben haben. Zweitens, auch das hat die Umfrage ergeben, werden die Politiker noch mehr als bisher überzeugt sein, daß sich mittel- und lang- fristig durch derartige Arbeitskonflikte keine Einstellungsände- rungen ergeben, d.h. das Menschen schnell vergessen. Drittens, gibt es durchaus einen latenten Rheinhausen-Effekt, der in den Wirkungen des Konfliktverhaltens der Rheinhausener Bevökerung auf Landes-, Bundes- und Verbandsebene (Bonner Ruhrgebietskonferenz, Förderungsperspektive Stahl-Kohle vs. Landwirtschaft usw.) zu se- hen ist. Schließlich, viertens, wird es aufgrund des mageren Rheinhausen-Effekts einen Arbeitskonflikt von ähnlichen Dimensio- nen nicht so schnell wieder geben." Also: Stimmungen schwanken, langfristige Einstellungen ändern sich nicht so kurzfristig, Latentes kommt auch mal ans Licht und Weihnachten ist nicht jeden Tag. PS 2 ---- Sämtliche Preise unseres Ausschreibens gewonnen hat Prof. Dr. Dr. K. HOTTES (Bochum): - erstens die Auszeichnung für die originellste Lehre: "Noch mehr Bildungsveranstaltungen für die Arbeiterschaft, daß sie auch in der Lage ist, den Wirtschaftsteil von Zeitungen zu lesen und zu bewerten." - zweitens die Prämie für die hintergründigste Geheim-Theorie: "Kämpfen Gewerkschaften eigentlich um Mitgliederzahlen oder echte gewerkschaftliche Ziele? Interessieren im Falle Rheinhausen ei- gentlich Ausgleichsarbeitsplätze außerhalb des Metallbereichs, wenn sich damit evtl. Arbeiter in andere IG's ummelden müssen?" - drittens die Auszeichnung für die gelungenste Herstellung eines Fachbezugs. Der Herr Professor ist nämlich Geograph und denkt als solcher vom Rheinhausen über Süddeutschland bis Aachen: "Starke Vorbehalte in der Metallarbeiterschaft im südlichsten Deutschland, weil in der 2. Hälfte der Arbeitskampf zum Fete-Hap- pening umfunktioniert wurde. Es wurde immer schwerer, die Ernst- haftigkeit des Arbeitkampfes zu manifestieren... Vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen und nicht an 'ewige' Rentier- lichkeilen zu glauben: So weist man z.B. seit zwei Jahren immer wieder darauf hin, daß die Automobilindustrie ab Mitte der 1990er Jahre in Rezession gerät. Manche IHKs (z.B. Aachen wegen der Au- togasindustrie) weisen schon heute darauf hin." zurück