Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT RHEINHAUSEN - Eine Heimat für Lohnarbeiter
zurück RheinhausenDAS NATIONALE RÜHRSTÜCK VOM SPIELPLAN ABGESETZT
Man erinnert sich: Mit der Kanzlerrunde zur Lage im Revier, be- gleitet von einer bittstellenden, fackeltragenden Menschen- schlange, ist das nationale Rührstück an der Ruhr ebenso schlag- artig aus den Schlagzeilen verschwunden, wie es dort vor Weih- nachten mit Bildern von aufgebrachten Arbeitern aufgetaucht ist. Was ist geschehen? Haben die Stahlarbeiter von Rheinhausen am Ende gar mit ihrem Anliegen ihre Existenz zu sichern gesiegt, und hat sich darüber ihr Protest erledigt? Nichts dergleichen. In allem, woraufs ihnen materiell angekommen sein mag, wurde ihnen die totale Abfuhr erteilt. Die Hütte wird dichtgemacht, weil sie sich nicht mehr rentiert, und damit basta. Existenzsicherheit für Proleten gibt's nicht, nicht im Ruhrgebiet und nicht anderswo. Dennoch hat der Protest erhebliche Erfolge zu verzeichnen, an de- ren Zustandekommen die streikenden und demonstrierenden Arbeiter nicht ganz unschuldig sind. Fragt sich nur welche. Ganz als ob sie gewußt hätten, daß das Anliegen von Arbeitern keinen Pfifferling zählt, haben sie ihre Interessen von Anfang an übersetzt in höhere Werte. Ihr Ein- und Auskommen befanden sie als Kampfziel für zu egoistisch. Da müssen übergeordnete Werte her, wenn Arbeiter was anmelden wollen. Nicht ihr Lohn und ihre Existenz stehen da mit der angekündigten Betriebsschließung auf dem Spiel, sondern die Zukunft überhaupt, die ihrer Kinder, die von Rheinhausen, die der deutschen Stahlindustrie, die des Indu- striestandorts Revier usw. Auf lauter höherwertige Kollektive wurde sich da berufen, um dem Ausgangspunkt ihres Anliegens - die Infragestellung ihres Lebens- unterhalts - höhere Weihen zu verpassen. Von vornherein wollte man dem Eindruck entgegentreten, hier handle es sich nur um ihre Interessen. I n s o f e r n fand der "Aufstand an der Ruhr" al- lerdings mit der Kanzlerrunde den ihm gebührenden erfolgreichen Abschluß: - Wenn man seine Betroffenheit vom Kapital als Sorge um die Zu- kunft überhaupt ausdrückt, dann muß man ich schon von den Politi- kern sagen lassen, daß sie sich um Fortgang und Zukunft des Ge- schäfts auf jeden Fall kümmern, und zwar nicht nur in Rheinhau- sen. Dann muß man erst recht so eine zukunftsträchtige Einrich- tung wie ein deutsches Raumfahrtzentrum in der Nähe des Ruhrge- biets für einen Segen halten, auch wenn dort sicher kein einziger Stahlarbeiter gebraucht werden wird. - Wenn man seine Betroffenheit vom Kapital als Sorge und Rhein- hausen ausdrückt ("Rheinhausen darf nicht sterben"), dann darf man sich zusammen mit dem Bürgermeister von Duisburg auch wieder beruhigen, wenn er sich als "Gewinner der Bonner Runde" beglück- wünscht. Er wird schon wissen, was sein Stadtteil Rheinhausen zum Leben braucht. - Wenn man seine Betroffenheit vom Kapital als Sorge um das Ge- meinwesen 'Revier' anmeldet, dann darf man sich mit Landesvater Rau freuen, wenn es ihm mit dem Verweis auf die 'beunruhigten Stahlarbeiter' gelungen ist, in der Länderkonkurrenz um Bundes- gelder einige hundert Millionen an Land zu ziehen, um damit Stra- ßenbau und Infrastrukturmaßnahmen, also Geschäftsbedingungen zu fördern. - Wenn man seine Betroffenheit vom Kapital als Sorge um den Stahlstandort Deutschland vorbringt, dann darf man dies getrost auch wieder den Stahlkapitalisten überlassen, die schließlich ge- rade wegen dessen Erhaltung, sprich: wegen ihrem Geschäft, die Hütte in Rheinhausen dichtmachen. Um staatliche Subventionen küm- mern die sich schon selber. - Und wenn man schließlich seine Betroffenheit vom Kapital für einen Beleg ungenügender Mitbestimmungsrechte der Gewerkschaft hält, dann, ja auch dann darf man sich ab sofort mit Steinkühler und Co. freuen, die den Erfolg des "Kampfes um Rheinhausen" darin sehen, daß die Ruhrkonferenz stattgefunden hat und Sie daran teilnehmen durften. Sie, die Gewerkschaft, macht sich dadurch zum leibhaftigen und letzten Beweis dafür, daß mit der Kanzlerrunde dem Protest an der Ruhr stattgegeben worden wäre. Stattgegeben wurde dem Protest schon, aber nur wegen seiner Feh- ler. Zustimmung haben die Arbeiter bekommen als überlebenswillige Rheinhauser, als heimatliebende Revierbewohner, als verzweifelte Christen, als Manövriermasse einer um Mitbestimmung buhlenden Ge- werkschaft, als Anwälte einer überlebensfähigen deutschen Stahl- industrie usw. Verständnis, Solidarität, Mitleid und Sympathie gab es von den Pfaffen, der Gewerkschaft, von Rau bis Kohl. Mit der Konsequenz, daß deswegen alles so läuft, wie die Politiker, Kapitalisten und Gewerkschaften es vorgesehen haben. Hätten die Arbeiter von Rheinhausen etwas anderes gewollt, dann hätten sie sich schon dazu entschließen müssen, eine Erpressung gegen ihren Gegner, die Stahlkapitalisten samt ihrem politischen Anhang auf- zumachen. Diesen K l a s s e n k a m p f haben die Stahlarbeiter nicht geführt. Vermieden haben sie ihn dennoch nicht. Geführt wird er nämlich von oben, mit Entlassungen, Betriebsstillegungen und vielleicht ein paar neuen Billigangeboten. zurück