Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT RHEINHAUSEN - Eine Heimat für Lohnarbeiter
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DAS REVIER DES KAPITALS - EINE HEIMAT FÜR LOHNARBEITER?
Das Kapital...
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Von einer sich ausbreitenden Zahlungsunfähigkeit der Kapitale,
die den Standort Ruhrgebiet gewählt haben, kann keine Rede sein;
und alle anderen Ausmalungen einer "Strukturkrise" sind Ideolo-
gie. Wenn die Ruhrkohle AG Zechen aufgibt und wenn die großen
Stahlkonzerne Hütten stillegen, dann sind das keine Pleiten und
auch keine "verspäteten Anpassungen", sondern durchkalkulierte
und von langer Hend geplante Maßnehmen im und für den Konkur-
renzkampf der Kapitale und Nationen unter dem besonderen EG-
Regime für den Montanbereich.
Im Sommer '87 gab es wieder einmal eine "Kohlekrise", weil ein
paar prominente Zechen zur Schließung anstanden. Von dieser
"Krise" spricht zur Zeit keiner mehr, obwohl die Sache keineswegs
vorbei ist: Für die kommenden Jahre sind weitere Fördereinschrän-
kungen zwischen 15 und 30% vorgesehen. Die Entscheidung darüber
liegt beim Staat, der einerseits noch immer eine funktionsfähige
einheimische Kohleförderung erhalten will, andererseits deren be-
triebswirtschaftlich kalkulierte Preise keinem seiner kapitali-
stischen Kohlekäufer zumuten will, weil Importkohle und andere
"Energieträger" weltweit viel billiger zu haben sind - dies übri-
gens schon seit Ende der 50er Jahre; damals hat das "Zechen-
sterben" denn auch angefangen, für das die engagierten Kapita-
listen mit Gründung der Ruhrkohle AG staatlich entschädigt worden
sind. Seinen marktwirtschaftlichen Zielkonflikt hat der bundes-
deutsche Staat einerseits mit dem bürgerlichen Allheilmittel: mit
Geld gelöst; u.a. mit dem "Kohlepfennig", einem Zuschlag zum
Stromabgabepreis, mit dem die Stromerzeugungsunternehmen ihre
rechnerischen Mehrkosten für den Einsatz deutscher Steinkohle an-
stelle anderer Brennstoffe vergütet bekommen - bekanntlich steigt
diese Entschädigung bei sinkenden Weltmarktpreisen für Öl und
Kohle, ohne daß deswegen der Strompreis für den Haushalt zu sin-
ken braucht. Andererseits sieht dieselbe Lösung dauernd den all-
mählichen Wegfall insbesondere solcher Subventionen vor, die di-
rekt den Staatshaushalt belasten, z.B. für den Export von immer-
hin noch 4 Mio. Tonnen Ruhrkohle im Jahr. Diese "Doppelstrategie"
treibt die Ruhrkohle AG gleichzeitig zu Stillegungen u n d zu
höchst erfolgreichen Produktivitätssteigerungen; für die Förde-
rung von 151 Mio. Tonnen Steinkohle wurden 1956 noch 610.000
"Arbeitnehmer" bezahlt, 30 Jahre später schafft ein Viertel der
Mannschaft - 158.000 - die Hälfte der damaligen Förderung - 77
Mio. Tonnen. Nach betriebswirtschaftlicher Logik, auf die auch
die Ruhrkohle AG festgelegt ist, werden durch diese Erfolge um so
mehr Zechenschließungen fällig - die also alles andere beweisen
als die krisenhafte Rückständigkeit dieses Industriezweiges.
Zur Zeit gibt es eine "Stahlkrise", weil ein altehrwürdiges Hüt-
tenwerk mit bestem Standort komplett geschlossen werden soll. In
Wirklichkeit handelt es sich um einen unternehmerischen Schach-
zug, mit dem die Krupp AG die Lage auf dem administrierten deut-
schen Stahlmarkt geschäftstüchtig ausnutzt. Diese Lage besteht
seit Mitte der 70er Jahre darin, daß die Nachfrage fortwährend
zurückgeht und damit ein paar andere Paragraphen des alten EGKS-
Vertrags zum Zuge gekommen sind: diejenigen, wonach die Hohe Be-
hörde für die gerechte Bewältigung von A b s a t z k r i s e n
zuständig sein soll. Auch in einer solchen Situation will nämlich
jede beteiligte Nation Standort einer eigenen nationalen
"Schwerindustrie" für den nach wie vor strategischen Industrie-
und Militär-"Rohstoff" Stahl bleiben, ohne ihren Unternehmen an-
dererseits die Vorteile des europäischen Freihandels zu nehmen.
Diese politischen Vorgaben haben Vereinbarungen über einen all-
seitigen Abbau des Stahlangebots erzwungen, die die bis dahin er-
oberten Marktanteile der konkurrierenden Unternehmen und damit
der Nationen - im großen und ganzen festschreiben und einen rui-
nösen Preiskampf verhindern sollten. Jährlich nach unten ange-
paßte Produktionsquoten für Stahl der verschiedenen Güteklassen
und Herstellungsarten wurden zunächst "freiwillig" im Rahmen ei-
nes neugeschaffenen Kartells der nationalen Stahlkartelle -
"Eurofer" - ausgehandelt, dann - erst als 1980 - von der Hohen
Behörde vorgeschrieben und so respektiert, wie sich das unter ka-
pitalistischen Konkurrenten um eine schrumpfende Nachfrage eben
durchsetzen läßt. Kapazitätsabbau wurde und wird mit Zuschüssen
sowie mit Zugeständnissen bei den Produktionsquoten honoriert;
und zwar mit dem inzwischen teilweise erreichten Ziel, die Kon-
kurrenz der Anbieter vom Regime der Quoten wieder freizusetzen,
ohne daß gleich wieder ein ruinöses Überangebot droht.
Wegen dieser mit Staatsgewalt verhängten, einigermaßen gleichmä-
ßigen Produktionseinschränkungen hat natürlich kein Kapital und
das besonders fortschrittliche von der Ruhr schon gleich nicht -
damit aufgehört, die angewandte Arbeit produktiver zu machen, um
seine Kosten zu senken und seinen Konkurrenten den Stand der Kon-
kurrenz zu diktieren. Im Gegenteil: Gerade um aus seinem Ge-
schäftsanteil den größtmöglichen Gewinn zu ziehen - und um ihn
doch ausweiten zu können, sei es in den nicht reglementierten Be-
reichen, sei es unter Umgehung der gesetzten Schranken oder durch
den Ankauf zusätzlicher Produktionsquoten von konkurrierenden
Stahlfirmen -, werden mit großen Erfolgen Arbeitskräfte und durch
die Einsparung ganzer Produktionsschritte sogar komplette Be-
triebsabteilungen überflüssig gemacht; dieselbe Stahlmenge wie
1967 - 36 Mio. Tonnen - wurde 1987 von knapp zwei Dritteln der
damaligen Mannschaft - 135.000 statt 206.000 - hergestellt. Die
betriebswirtschaftliche Alternative zu solchen Rationalisierung,
die viel Geld kosten, aber auch bringen, ist der Verkauf des
eigenen - sei es reglementierten oder freien - Geschäftsanteils
an die expansionsfreudige Konkurrenz; d a z u hat die Krupp AG
sich wohlabgewogen in bezug auf Rheinhausen entschlossen.
Nichts lächerlicher daher als die gegenwärtigen Werksschließungen
zum Beweis für den "Niedergang" einer "überalterten", "zu tradi-
tionsverhafteten" Branche zu stilisieren und nach "Zukunfts-
industrien" zu seufzen. Wenn stahlproduzierende Konzerne ihre
akkumulierten Überschüsse in anderen Geschäftssphären anlegen und
auch zum Teil in anderen Gegenden, die bessere Standortvorteile
für das neue Gewerbe zu bieten haben als das Revier, dann handeln
sie im übrigen haargenau nach denselben kapitalistischen
Gesichtspunkten wie die Krupps und Thyssens, die vor 100 Jahren
das Ruhrgebiet aufgemacht haben. Daß sich damit eine
"industrielle Monostruktur" rächt, wie die fachkundige Öffent-
lichkeit herausgefunden haben will, ist für die wirklichen Sub-
jekte des Wirtschaftslebens ein völlig sachfremder Gesichtspunkt;
a n i h n e n "rächt" sich da jedenfalls überhaupt nichts. Als
verspätete Warnung an die Wirtschaftspolitik ist diese Besserwis-
serei genauso blöd, weil sie bloß mit dem eingetretenen Effekt
argumentiert; v o r h e r findet doch kein kluger Kopf ein
großes Kapital mit vielen Dienstkräften an einem Ort - samt ande-
ren Kapitalen, für die d a s ein Standortvorteil ist - jemals
bedenklich. Sonst wären ja auch j e t z t die Warnungen vor ei-
ner "Monostruktur" von Rüsselsheim oder Stuttgart fällig - und
nicht erst in anderthalb Jahren; wenn dort die Automobilindustrie
ihre konjunkturgemäßen und "strukturnotwendigen" Massenentlassun-
gen durchzieht...
...Die Arbeiter...
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Wenn heute Zechen und Stahlwerke im Ruhrgebiet geschlossen wer-
den, dann fällt damit die Existenzgrundlage für entsprechend
viele direkt dort oder indirekt dafür beschäftigte Lohnarbeiter
weg, und zwar für immer. Das wissen die Betroffenen gut genug, um
gelegentlich Protest dagegen einzulegen. Unter den Millionen, die
Jahr für Jahr zeitweilig oder auf Dauer entlassen werden hierzu-
lande, sind sie die einzigen, die sich wenigstens bei Betriebs-
schließungen einmal organisiert bemerkbar machen. Für "Wende"-
Verhältnisse unerhört radikal verlangen sie den Erhalt "ihrer"
Arbeitsplätze. Leider machen sie sich nicht klar, daß eine solche
E x i s t e n z g a r a n t i e m i t L o h n a r b e i t
u n v e r e i n b a r ist. So können ihnen ihre Gewerkschaften
lauter "Modelle" vorrechnen, nach denen sie mit einem -
"wohlverstandenen" - Kapitalismus doch bestens zurechtkommen
könnten. Die sind mit der wirklichen Marktwirtschaft zwar genauso
unvereinbar, wirken aber jedem systemkritischen Übergang entge-
gen; in der Ideologie wie auch praktisch. Denn am Ende bleibt von
diesen menschenfreundlichen "Modellen" "das Machbare" übrig: Ent-
lassungen mit einem Sozialplan für einen Teil der Betroffenen und
mit falschen Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. A l s o
e i n e N i e d e r l a g e.
Wenn Arbeiter sich entschließen, gegen Entlassungen und eine Be-
triebsstillegung zu kämpfen, dann i s t damit die Systemfrage
auf dem Tisch. Denn ernstgenommen ist es ein Kampf darum, daß die
Grundrechenart des Kapitalismus, die Rentabilitätsrechnung mit
Löhnen, nicht bloß modifiziert wird, sondern nicht mehr gelten
soll. Entweder wird d a s g e w u ß t u n d g e w o l l t -
oder der ganze Kampf ist das ohnmächtige Aufbäumen der Illusion,
ein auskömmliches Einkommen ausgerechnet der Lohnarbeiter wäre
der letzte und oberste Zweck ausgerechnet der staatlich geschütz-
ten Profitmacherei.
In so offensichtlich unsinniger Form vertritt natürlich niemand
in Rheinhausen und im Revier diese Illusion. Daß ein Hüttenwerk
aber noch für ganz andere Zwecke da wäre als "bloß" für den Pro-
fit, das möchte schon jeder wissen. Zumindest in der zweifelhaf-
ten Form, daß es "e i g e n t l i c h" doch a u c h fürs Le-
ben seines Dienstpersonals da sein und am Leben bleiben
m ü ß t e. Dieser Glaube hat freilich schon dem Einwand seinen
Tribut gezollt, daß i n W i r k l i c h k e i t, der kapitali-
stischen nämlich, der hergestellte Stahl "nun einmal" verkauft
werden muß, und zwar mit Gewinn.
Deswegen ist man erstens so erpicht auf "Beweise", daß genau das
doch eigentlich noch möglich wäre. Solche Beweise sind durchaus
auch zu konstruieren, eben weil Betriebsschließungen in der deut-
schen Stahlindustrie wegen der besonderen Marktbedingungen keine
Sache der Not, sondern der Unternehmensstrategie sind. Aber was
beweisen sie? Sie sind nur der Auftakt zu der Alternative, die es
im Kapitalismus natürlich allemal irgendwie gibt: a n d e r e
Betriebe dichtzumachen bzw. zur Aufgabe zu zwingen; am besten
gleich im Ausland. So wird der Kampf gegen die Freiheit der kapi-
talistischen Kalkulation zu Angebot, alles und noch mehr für ih-
ren weltmeisterlichen E r f o l g in Deutschmark und Pfennig zu
tun eine seltsame "Schranke" gegen "Unternehmerwillkür"!
Zweitens findet man die Überlegung sympathisch, gegen die be-
triebswirtschaftliche hätte man eine genauso gültige volkswirt-
schaftliche Rechnung auf seiner Seite; z.B. die der IG-Metall,
100 Millionen DM Verlust für Krupp wären doch allemal weniger als
die Verluste für die Staatskasse und die Bundesanstalt für Ar-
beit, wenn Steuern entfallen und Arbeitslosenunterstützungen fäl-
lig werden. Wenn es freilich nur noch um den Aberwitz geht, als
"verdeckter" Sozialrentner auch noch Stahl zu kochen, dann taugt
der ganze Protest auch bloß noch zur Vorbereitung aufs Sozial-
rentnerdasein.
Drittens wird angesichts dieser Alternative der Wunsch plausibel,
den die Gewerkschaften ihren Leuten als Hauptanliegen in den Mund
legen wollen: E r s a t z a r b e i t s p l ä t z e. Damit sind
die Entlassungen vollends ganz kampflos abgehakt; es bleibt gar
nichts weiter übrig als ein kollektives Gesuch um Benutzung durch
neue kapitalkräftige Herren - kein besonders extravagantes Anlie-
gen; denn etwas anderes bleibt einem Arbeitslosen im Kapitalismus
ohnehin nicht übrig.
Im Vergleich dazu nimmt es sich dann schon wieder wie eine bes-
sere r e a l i s t i s c h e F o r d e r u n g aus, wenn die
Gewerkschaft den Kampf gegen Betriebsschließungen mit ihrem Jahr-
hundert-Einfall verknüpft und Arbeitsplatzrettung durch Arbeits-
zeitverkürzung verspricht. Daß Tarifverhandlungen über weitere
Schritte zur 35-Stunden-Woche keine betriebswirtschaftliche Kal-
kulation durchkreuzen, sondern den Weg zu neuen Schichtmodellen
öffnen, haben die Unternehmer inzwischen begriffen; das macht den
gewerkschaftlichen Tarif-"Kampf" in der Tat "r e a l i-
s t i s c h". Daß er gleichzeitig noch etwas von der anfäng-
lichen F o r d e r u n g enthielte, den Betrieb zum Lebens-
mittel der Arbeiter zu machen, fällt ganz in den Bereich der
frommen Täuschung, die von den Gewerkschaftsfunktionären mit ih-
ren Rechenkunststücken über "Umverteilung der Arbeit" bedient
wird.
Dazu steht in krassem Widerspruch, was einem Betriebsrat der
Rheinhauser Hütte im Eifer des Gefechts eingefallen ist: gegen
den Schließungsplan der Krupp AG eine b u n d e s w e i t e
U r a b s t i m m u n g ü b e r S t r e i k in Gang zu setzen.
So ein Streik würde tatsächlich ans Allerheiligste dieser Repu-
blik rühren: an die schrankenlose - von der Gewerkschaft liebe-
voll eingehegte - Herrschaft der kapitalistischen Rentabilitäts-
rechnung. Deswegen wäre er auch nur anzuzetteln, wenn die Stahl-
arbeiter d a s mit allen Konsequenzen wollen: die "S y-
s t e m f r a g e" s t e l l e n. Denn genau deswegen ist er
verboten und steht die Gewerkschaft dafür ein, daß der Staat sein
Verbot gar nicht erst zu vollstrecken braucht.
Der ganze Rest
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Das Kapital entläßt seine Lohnarbeiter, und prompt sind alle be-
troffen. Vom Bürgermeister bis zum Metzger, vom Professor bis zum
Wahlkämpfer: Keiner macht ein Hehl daraus, daß er nur ist, was er
ist, weil und solange das Verhältnis zwischen Lohnarbeit und Ka-
pital funktioniert. So werden die Rheinhauser Stahlarbeiter mit
Solidaritätsadressen eingedeckt, in denen die ganze "nivellierte
Mittelstandsgesellschaft" ihr dringliches Interesse an der Lohn-
arbeit ausdrückt - und in jedem dieser freundlichen Grüße einen
Gegensatz zu allen materiellen Interessen der protestierenden
Lohnarbeiter selbst. Leider merkt das keiner, weil alle Seiten
sich über die verkehrte Abstraktion des Rheinhauser-Duisburger-,
nordrhein-westfälischen ... Gemeinwohls wieder einig werden. Alle
Schmarotzer an der Lohnarbeit stellen sich als solche vor, so als
wäre das ihre garantierte Übereinstimmung mit den Lohnarbeitern -
und tun so ihr Bestes, um den Protest auf seinen Fehler herunter-
zubringen.
Es stimmt schon: Wenn Lohnarbeiter massenhaft zahlungsunfähig
werden, dann geraten Kaufleute und Hausbesitzer, Billigautofabri-
kanten und Stadtkämmerer, Krankenversicherungen und andere öf-
fentliche Kassen, selbst die der Kirchen, in die Krise; und wenn
für den Nachwuchs keine Benutzung in Aussicht steht, dann greift
dieses ominöse Subjekt in Gestalt einer Sinnkrise sogar nach den
Lehrern, die sofern überhaupt eingestellt - aus den Kindern ja
"was Nützliches" machen wollen. Die verschiedensten gesellschaft-
lichen Stände - und die auf Wählerstimmen spechtenden politischen
Parteien sowieso, ebenso wie die auf Seelenfang ausschwärmenden
Prediger - haben also ihre guten Gründe m i t zuprotestieren,
wenn Lohnarbeiter sich gegen Entlassungen wehren.
Diese Gründe sind allesamt viel zu gut für die Systemfrage, die
wiederum für zahlungsunfähige Lohnarbeiter die einzig gescheite
Lösung ist. Denn sie bestehen im Hindeuten auf das, was den Rest
der Menschheit an den Lohnarbeitern interessiert: erstens ihr
Geld, zweitens ihre Tugend.
Folgerichtig kriegen die protestierenden Lohnarbeiter von allen
Seiten nichts anderes als das L o b i h r e s D i e n s t e s
vorgesungen: als Kunden, die man schröpft; als Mieter, denen man
gleich ein Viertel ihres Nettolohns wegsteuert; als Wirtshausgä-
ste, die viel herunterzuspülen haben; als Steuerzahler, bei denen
man sich "an der Quelle" bedient; als Familienväter, die an ihren
Kindern nichts so sehr wie Anstand schätzen - so läßt man sie
hochleben. Und obwohl auch Journalisten, Politiker und Geistliche
irgendwie wissen, daß Lohnarbeiter nicht für Deutschland und um
Gotteslohn zu ihrer Drecksarbeit oder in ihre sterilen Labors
latschen, ehren sie ganz hemmungslos eine s e l b s t l o s e
A u f b a u l e i s t u n g, die gerade die Reviermenschen mu-
stergültig zustandegebracht hätten: So agitieren sie ihr arbei-
tendes Publikum, und zwar weit über das Ruhrgebiet hinaus, für
den Gesichtspunkt des i d e e l l e n L o h n s, und m i t
dieser Lohnform für den Standpunkt, daß K r i t i k a n d e r
L o h n a r b e i t s i c h n i c h t g e h ö r t - und zwar
gerade deswegen nicht, w e i l sie sich nicht lohnt.
So bestärkt ihre gesamte Revierheimat die aufgeregten Arbeiter in
ihrem Fehler, nichts als L o h n a r b e i t e r b l e i b e n
zu wollen. Und dann wundern sie sich noch darüber, wenn diese
ganze von Wohlwollen triefende Mannschaft allmählich, je länger
der Protest dauert, um so eindeutiger den Übergang zu der Ermah-
nung macht, man müßte es mit dem Protestieren und Demonstrieren
auch mal wieder gut sein lassen und sich mit der Lohnarbeiterkar-
riere zufriedengeben, welche nun einmal den ehrbaren Zustand des
Rentners und den gar nicht ehrenrührigen Beruf des Arbeitslosen
allemal a u c h einschließt - an Vorbildern d a f ü r mangelt
es in der BRD von heute ja wahrhaftig nicht, und die meisten da-
von haben noch nicht einmal einen vergoldeten Händedruck zum Ab-
schied gekriegt...
Die ganze bürgerliche Welt hat sich zusammengetan, um an den pro-
testierenden Revierarbeitern ein Exempel zu statuieren: ein Exem-
pel für unverwüstliche Dienstgesinnung. Die nachfolgend abge-
druckten Flugblätter sind der Versuch, dagegenzuhalten.
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