Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT PARAGRAPH-116 - Vom Arbeitskampfrecht


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       Gewerkschaftliches Sein oder Nicht-Sein wg. Paragr. 116:
       

DIE REGIERUNG KANN SICH AUF IHREN DGB VERLASSEN - DESWEGEN WILL SIE IHN NOCH BESSER ERPRESSBAR MACHEN

Am Streit um die Neufassung des Paragr. 116 Arbeitsförderungsge- setz ist für die gebildete Öffentlichkeit inzwischen endgültig nur noch interessant, wie seine Veranstalter sich dabei gegenein- ander profilieren. Hat Blüm seine Sozialausschüßler noch im Griff? Wieviel Protest darf Fehrenbach sich herausnehmen? Bangemann warnt vor Zweifeln an der "Handlungsfähigkeit der Regierung", die außer ihm niemand hat - und er selber natürlich erst recht nicht. Dem Strauß aus Bayern fällt 1986 ein, man hätte eigentlich schon 1984 "handeln" müssen - das nagt an Kohl's Image. Der seinerseits verurteilt "Profilisierungsversuche auf Kosten der Koalition"... Solche The- men liebt eine lebendige Demokratie! Damit läßt sich vortrefflich ins Wahlkampfjahr einsteigen. Die Sache geht derweil ihren Gang. "Die Sache": Das ist zunächst einmal der Streit zwischen zwei ge- gensätzlichen Interessen am Willen und an der Fähigkeit der bun- desdeutschen Gewerkschaften zu streiken. Diese Interessen treten auch als leicht durchschaubare und auch allgemein durchschaute, dennoch unverwüstliche Heucheleien. Re- gierung und Unternehmer reden von der angeblich notwendigen "Präzisierung des Gesetzestextes" zwecks Sicherstellung einer sehr heiligen Kuh, der "Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen" - und meinen ganz unverhohlen eine Schwächung der Gewerkschaft. Die ihrerseits redet von einer beabsichtigten Knebelung der Ge- werkschaft und einem Anschlag auf keinen geringeren als die Demo- kratie - und meint die Behinderung einer Streiktaktik, die sie für ganz besonders geschickt und geglückt hält. Wie inzwischen wohl jeder weiß, geht es um die Taktik der Punktstreiks, die von den Unternehmern das letzte Mal mit ziem- lich flächendeckender Aussperrung beantwortet worden ist. Welche Ausgesperrten hält das Arbeitsamt mit Arbeitslosengeld über Was- ser? - diese Frage soll mit einem neuen Paragr. zuungunsten der Ausgesperrten beantwortet werden. Für besonders glücklich hält die Gewerkschaft ihre Punktstreik- taktik; trotz - oder sogar im Hinblick auf die massive Unterneh- merreaktion aus zwei Gründen, die sich ergänzen. E r s t e n s schonen Punktstreiks die gewerkschaftliche Streikkasse. Z w e i t e n s sind sie ein Druckmittel, das nicht auf eine Schädigung der Unternehmerseite berechnet ist, sondern eine bes- sere Demonstration darstellen soll; sie schonen also "die Wirt- schaft". Das streicht die Gewerkschaft immer besonders sie die Beeinträchtigung der Produktion durch punktuelle Streiks gegen die durch massenhafte Aussperrung aufrechnet. Und dabei lügt sie nicht einmal: Ihre Streiks sind ja tatsächlich kaum mehr als sym- bolische Aktionen, verglichen mit dem Schaden, den aufgeklärte Unternehmer mit der Aussperrung etlichen Massen von Arbeitern an- tun. Und genau daran will die Gewerkschaft unbedingt festhalten; d a s stellt sie mit ihrem Kampf um den alten Paragr. 116 klar, der die F o l g e n ihrer Streiktaktik und der Unternehmerant- wort i n G r e n z e n h a l t e n soll. Sie will weiter h a r m l o s e P u n k t streiks machen können, ohne es in der ganzen Republik mit ausgesperrten Arbeitern zu tun zu kriegen, die noch nicht mal Arbeitslosengeld bekommen. Wenn nun die Koalition den Gesetzestenor außer Kraft setzt, auf dem diese gewerkschaftliche Streiktaktik beruht, dann fällt ihren Scharfmachern ganz offensichtlich nicht im Traum die Sorge ein, die DGB-Gewerkschaften könnten darüber radikal werden und von Punktstreiks, die nur sticheln sollen, zu Streiks in erpresseri- scher Absicht und zu den entsprechenden Methoden übergehen. Von Blüm bis Bangemann, von Lambsdorff bis Geißler verlassen sie sich alle felsenfest auf die konstruktiv-sozialpartnerschaftliche Po- sition der schwarz-rot-goldenen Gewerkschaft, die eine ernstliche Schädigung national anerkannter Wirtschaftsinteressen völlig aus- schließt. Auf der Grundlage machen sie den "Arbeiterführern" der Republik das Leben schwer: Die Waffe der Aussperrung, mit der die Unternehmer so wirksam auf die rücksichtsvollen Punktstreiks der Gewerkschaften eindreschen können, soll noch wirksamer werden. Damit hat die Regierung - ganz ohne Not, im Gegenteil eher weil der DGB an seiner Garantie für den "sozialen Frieden" nicht im geringsten rütteln läßt! - eine Offensive gegen den S c h e i n v o n K a m p f gestartet, der den gewerkschaftlichen Wortmel- dungen noch immer anhaftet, sofern die eben durch Streikdemon- strationen Eindruck machen sollen. Die aberwitzigen Übertreibun- gen des Kanzlers von wegen "Druck der Straße" offenbaren keine Drangsal, sondern die Maßstabe, an denen die Regierung den "sozialen Frieden" und seine Garanten mißt. Der schöne Wider- spruch des DGB, der für die geglückte Sozialpartnerschaft im Ernstfall sogar demonstrativ zu k ä m p f e n verspricht, ge- fällt der Kohl-Mannschaft nicht mehr. Sie will den DGB gleich- schalten: Dessen Mitgliedsvereine sollen sich hüten, ihr kämpfe- risches Getu in die Tat umzusetzen. Insofern hat die Gewerkschaft also beinahe recht, wenn sie sich über Freiheitsberaubung durch den Gesetzesknüppel beklagt. Sie unterschlägt dabei nur, daß dieser Knüppel sie nur trifft, weil sie ihre Freiheit von vornherein nur schonend und konstruktiv, also ganz im Sinne der nationalen Wirtschaft und ihrer staatli- chen Hüter gebrauchen will. Was sie gegen die Regierungsoffensive verteidigt, ist ihre Freiheit, sich mit viel kämpferischem Getu und ganz autonom s e l b e r gleichzuschalten. Insofern ist es schon gleichgültig, ob der Paragr. 116 letzten Endes novelliert wird und wie. Der Streit darum macht klar, wohin die BRD es 1986 gebracht hat. Strittig ist in dieser Republik, wie autonom die Bereitschaft zu gewerkschaftlich organisierter Unterwerfung unter alle nationalen Interessen noch sein darf. So prächtig passen sie zueinander: Kohl und seine organisierten Pro- letarier. zurück