Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT PARAGRAPH-116 - Vom Arbeitskampfrecht
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Paragraph 116
EIN PARAGRAPH BEWEGT DIE REPUBLIK
Aber nur sehr sachte, als öffentlich vorgetragener Streit zwi-
schen Gewerkschaft und Regierung samt ihrem Unternehmerlager, als
Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition im Parlament
und wo sie sonst noch Wahlkampf machen. Tatsächlich wird der für
die Bundesrepublik sprichwörtliche soziale Friede nirgendwo ange-
kratzt; Kämpfe der Arbeiter, um die es ja in der Sache irgendwie
gehen soll, gegen die Unternehmer und ihren Klassenstaat finden
nicht statt. Und der "Druck der Straße" bedrängt keinen der rüh-
rigen Gesetzgeber - die in Bonn haben ihn erfunden.
Das alles ist kein Wunder. Die Gewerkschaft meint ja nur, ihr ge-
schehe ein Unrecht, wogegen die Regierung darauf beharrt, daß per
Gesetzesänderung eine bisherige Ungerechtigkeit ausgeräumt werden
müsse. Wenn der DGB mit dem Staat einen Streit um das Streikrecht
führt, dann ist das einerseits ein Indiz dafür, daß der Staat
eine (Gesetzes-) Initiative gegen die Gewerkschaften ergriffen
hat, deren Macht einschränken will, andererseits aber unmöglich
ein Anzeichen dafür, daß von der betroffenen Gewerkschaft ein
wirklicher Kampf vom Zaun gebrochen wird. Die Kontrahenten ver-
folgen beide den Grundsatz: 'Was Recht ist, muß Recht bleiben!'
und sind deshalb gar nicht so weit voneinander entfernt. Darunter
treffen die gegensätzlichen Interessen aufeinander.
Wer streiken darf, muß zahlen
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Dies der Standpunkt der Regierung. Sie ändert einen Paragraphen,
das Streikrecht betreffend, weil sie Geld, das Lohn- und Gehalts-
empfänger zwangsweise an die Bundesanstalt für Arbeit abliefern
müssen, in ihren Kassen behalten will. Das gehört zum Kostendämp-
fungsprogramm, welches der Allgemeinheit zugutekommt, und
"sichert" bekanntlich den Sozialstaat, wenn viel Sozialgelder
eingezogen werden und möglichst wenig Geld an Arbeitslose und
Kurzarbeiter ausgezahlt wird. Was die Regierung dabei noch nicht
mag, ist der Umstand, daß anläßlich eines Streiks mittelbar be-
troffene Arbeitnehmer auch Geld von der Bundesanstalt bekommen
haben. Das erscheint ihr wie eine staatliche Unterstützung von
billigen Streiks der Gewerkschaften; das muß unbedingt bereinigt
werden. Dies i s t der staatliche Angriff auf die Gewerkschaf-
ten - niemandem bleibt das verborgen. Streik, so wie es ihn in
der Republik noch gibt, soll die Gewerkschaften mehr Geld und de-
ren Mitglieder mehr Opfer kosten. Dies ist zugleich eine Stärkung
der Macht der Arbeitgeberverbände. Alles in allem: ein Streik-
dämpfungsprogramm. So will das aber natürlich kein Blüm aus Bonn
verstanden wissen. Die allgemein durchschaute - aber dennoch bei
den braven Untertanen und ihren staatstreuen Gewerkschaften nicht
unnütze - Heuchelei gehört unbedingt dazu: Nur um eine
"Präzisierung des Gesetzestextes" handle, es sich. Das Streik-
recht werde keineswegs eingeschränkt, so gut wie nichts werde ge-
ändert (weil bisher auch schon so gut wie nie aus der Bundesan-
stalt gezahlt wurde, wenn's Streik gab) - aber dann könnte man
die Gesetzesänderung doch auch lassen. "Handlungszwang" wegen
"Rechtsunsicherheit" gilt auch als Argument, um den zielstrebig
angesteuerten Zweck des Staats selbstlos zu umschreiben. Gipfel
der verlogenen Begründung für die Offensive des Staats gegen die
Gewerkschaft: "Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit bei Ar-
beitskämpfen". So als wäre die endgültige Nichtzahlung von Ar-
beitslosen- oder Kurzarbeitergeld im Streik keine kräftige Unter-
stützung der Aussperrungspraxis der Unternehmer; als wäre das
ganze Arbeitskampfrecht nicht von rechts wegen eine Stützung der
Unternehmermacht gegen die ungleiche ökonomische Macht streiken-
der Arbeiter. Blüm redet von Waffengleichheit, prangert auch
"unbegründete" Aussperrungen der Arbeitgeber an, diesbezüglich er
aber gerade keine "Rechtsunsicherheit" feststellt. Er schafft es
sogar noch, sich bei der Arbeiterschaft (oder meint der mehr die
SPD?) anzuschleimen mit der Volksweisheit, daß es immer besser
ist, wenn man vorher weiß, was nachher kommt. Dieser arbeitneh-
merfreundliche Sozialausschuss möchte Arbeitnehmern nicht
"zumuten, daß sie... mit dem Risiko leben müssen, daß sie die
Leistungen der Bundesanstalt nur unter Vorbehalt bekommen"
(Bulletin 13/1986). Gleich gar nichts zu bekommen, schmälert da
unbedingt das Risiko. Schließlich gehen die neutralen Arbeitgeber
des neutralen Arbeitsministers sogar so weit, in auflagenhohen
Anzeigen den DGB mit einem vermeintlichen Materialismus von des-
sen Basis schlagen zu wollen:
"Die Mitglieder müssen überzeugt sein, daß es sich lohnt, für
eine Tarifforderung zu streiken."
Leider ist diese absurde Einlassung von Leuten, die Lohnsenkungen
als bleibende Grundlage ihres Geschäfts kennen, so absurd auch
wieder nicht. Die müssen schon ihre Pappenheimer, ihren Tarif-
partner, die Gewerkschaft, genau studiert haben. Wenn die Koali-
tion den Gesetzestenor außer Kraft setzt, auf dem die bisherige
gewerkschaftliche Streiktaktik beruht, dann fällt ihren Scharfma-
chern ganz offensichtlich nicht im Traum die Sorge ein, die DGB-
Gewerkschaften könnten darüber radikal werden und von
Punktstreiks, die nur sticheln sollen, zu Streiks in erpresseri-
scher Absicht und zu den entsprechenden Methoden übergehen. Von
Blüm his Bangemann, von Lambsdorff bis Geißler verlassen sie sich
alle felsenfest auf die konstruktiv-sozialpartnerschaftliche Po-
sition der schwarz-rot-goldenen Gewerkschaft, die eine ernstliche
Schädigung national anerkannter Wirtschaftsinteressen völlig aus-
schließt. Auf d e r Grundlage machen sie den "Arbeiterführern"
der Republik das Leben schwer: Die Waffe der Aussperrung, mit der
die Unternehmer so wirksam auf die rücksichtsvollen Punktstreiks
der Gewerkschaften eindreschen können, soll noch wirksamer wer-
den. Damit hat die Regierung - ganz ohne Not, im Gegenteil: eher
w e i l der DGB an seiner Garantie für den "sozialen Frieden"
nicht im geringsten rütteln läßt! - eine Offensive gegen den
S c h e i n v o n K a m p f gestartet, der den gewerkschaftli-
chen Wortmeldungen immer noch anhaftet, sofern die eben durch
Streikdemonstrationen Eindruck machen sollen. Die aberwitzigen
Übertreibungen des Kanzlers von wegen "Druck der Straße" offenba-
ren keine Drangsal, sondern die Maßstäbe, an denen die Regierung
den "sozialen Frieden" und seine Garanten mißt. Der schöne Wider-
spruch des DGB, der für die geglückte Sozialpartnerschaft im
Ernstfall sogar demonstrativ zu k ä m p f e n verspricht,
gefällt der Kohl-Mannschaft nicht mehr. Sie will den DGB
gleichschalten: Dessen Mitgliedsvereine sollen sich hüten, ihr
kämpferisches Getu in die Tat umzusetzen.
Der DGB ist bei diesem Ansinnen ein bequemer Gegner. Das liegt
einfach daran, daß er nichts anderes im Sinn hat, als ein
schwarz-rot-goldenes Recht zu verteidigen.
"Demokratie sichern - Streikrecht verteidigen"
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Die Reihenfolge der Forderungen, wie sie auf Flugblättern des DGB
auf schwarz-rot-goldenem Grund zu lesen sind, ist zwar gedruckt
andersherum, aber nach den Gesetzen der Logik nur so richtig. Ge-
nauso wie der Blüm lügt auch der DGB wie gedruckt, wenn er sich
gegen den staatlichen Angriff gegen sein Interesse verteidigt.
Aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der DGB - im
Unterschied zur Bundesregierung - auch noch an die geheuchelten
Argumente zur Verteidigung seiner Position glaubt.
1. Die Gewerkschaft kommt nimmermehr auf den Gedanken, einfach so
Streik als einziges nützliches Machtmittel gegen die bekannten
Gegner einzusetzen. Was ohne großes Nachdenken dem
Streik r e c h t zu entnehmen ist, daß es nämlich den Kampf der
Arbeiterklasse gegen ihre Ausbeuter in die staatliche Pflicht
nimmt, also wirklichen Kampf oder Schädigung der Wirtschaftssub-
jekte und Garanten des Wachstums unterbinden soll, hält die Ge-
werkschaft für die Errungenschaft, streiken zu d ü r f e n.
2. Ob dieser Erlaubnis, kämpfen zu dürfen, ist sie so begeistert,
daß sie glatt das Recht auf Streik damit verwechselt, dieses
Recht wäre gleichsam ein unabdingbares Lebensmittel der Arbeiter,
die in der anerkannten Gewerkschaft streiken dürfen. So rechnet
sie ihren Mitgliedern vor, daß es ohne das Streik r e c h t nie
und nimmer ein Weihnachtsgeld gäbe. Das Recht = die 'Pflicht,
sich den staatlichen oder wirtschaftlichen Belangen der Republik
zu unterwerfen, kann aber kaum zum 13. Monatsgehalt geführt ha-
ben.
3. Mit der Anerkennung, als Arbeitervertretung in der Gesell-
schaft eine staatlich legitimierte Rolle spielen zu dürfen, ist
die Gewerkschaft so zufrieden, daß ihr der konstruktive Beitrag,
den sie im Namen der Arbeitnehmer für das wirtschaftliche und na-
tionale Wohl der Bundesrepublik leistet, eine Selbstverständlich-
keit ist. Dementsprechend sehen denn auch die Streiks des DGB
aus, wenn sie überhaupt einmal stattfinden. Für besonders glück-
lich hält die Gewerkschaft ihre Punktstreiktaktik, trotz der -
oder sogar im Hinblick auf die - Unternehmerreaktion aus zwei
Gründen, die sich ergänzen. E r s t e n s schonen Punktstreiks
die gewerkschaftliche Streikkasse. Z w e i t e n s sind sie ein
Druckmittel, das nicht auf eine Schädigung der Unternehmerseite
berechnet ist, sondern eine bessere Demonstration darstellen
soll; sie schonen also "die Wirtschaft". Das streicht die Gewerk-
schaft immer besonders heraus, wenn sie die Beeinträchtigung der
Produktion durch punktuelle Streiks gegen die durch massenhafte
Aussperrung aufrechnet. Und dabei lügt sie nicht einmal: Ihre
Streiks sind ja tatsächlich kaum mehr als symbolische Aktionen,
verglichen mit dem Schaden, den aufgeklärte Unternehmer mit der
Aussperrung etlichen Massen von Arbeitern antun. Und genau daran
will die Gewerkschaft unbedingt festhalten; d a s stellt sie
mit ihrem Kampf um den alten Paragr. 116 klar, der die Folgen ih-
rer Streiktaktik und der Unternehmerantwort i n G r e n z e n
h a l t e n soll. Sie will weiter h a r m l o s e P u n k t-
streiks machen können, ohne es in der ganzen Republik mit
ausgesperrten Arbeitern zu tun zu kriegen, die noch nicht mal
Arbeitslosengeld bekommen.
4. Nun jammert der DGB geheuchelt darüber, daß mit der Änderung
des Paragraphen ein Streik nicht mehr gehe. So als hätte die bis-
herige rechtliche Regelung der Gewerkschaft ein Streikparadies
beschert und als ginge es dem DGB darum, diese angebliche Mög-
lichkeit munter auszunutzen. Man sollte mal nachzählen, um wie-
viele Ecken man herumdenken muß, um sich die Beschwerde des DGB
zueigen zu machen, mit dem neuen Paragr. 116 würde das Streiken
unmöglich gemacht. Erste Ecke: Streiken geht überhaupt nur als
harmloses Punktstreiken. Zweite Ecke: Wenn die Unternehmer gar
nicht punktmäßig, sondern republikweit aussperren, kann eine Ge-
werkschaft gar nichts dagegen tun, sie mag noch so stark an Mit-
gliedern und Finanzen sein. Dritte Ecke: Damit die Gewerkschaft
trotzdem bei ihren Punktstreiks bleiben kann, muß jemand die Aus-
sperrungsopfer versorgen. Vierte Ecke: Wenn das nicht die Ar-
beitslosenversicherung macht, dann kann die Gewerkschaft den Ar-
beitern überhaupt keinen Streik mehr zumuten. Fünfte Ecke: Diese
Einschränkung ist von empörender Ungerechtigkeit, weil die DGB-
Gewerkschaften sowieso nur streiken, um höhere gesellschaftspoli-
tische Ziele und Ideale zu vertreten, und deswegen nur ganz sel-
ten und vorsichtig. Womit wir wieder bei Punkt eins wären!
5. Zuletzt bleibt nur noch die Bettelei übrig, die Regierung
möchte doch alles beim alten lassen. Auf schwarz-rot-goldenen
Plakaten und Flugblättern verweist der DGB darauf, wer die Repu-
blik entscheidend und mit vielen Opfern mit aufgebaut hat und wer
der Garant von Demokratie und sozialem Frieden sei. Das hilft der
Gewerkschaft aber gar nichts, zumal die matte Drohung, der so-
ziale Friede sei gefährdet, so daß die Rettung der Demokratie an-
stünde, dem DGB niemand abnimmt. Er selbst gibt sich ja alle Mühe
zu beweisen, wie wenig Anlaß zur Klage er doch gebe.
Tarif-Wahl-Kampf
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Letzter Beweis: Die Tarifrunde der ÖTV.
"Erfreuliches: Staat und Gewerkschaft können noch miteinander re-
den, brauchen nicht mal einen Schlichter." (Bild am Sonntag,
9.2.86)
Und wirklich, auf diesen Eindruck scheint es beiden Seiten schwer
angekommen zu sein.
Dem Tarifrundenvorbereiter der ÖTV war gerade w e g e n dem
ganzen Hick-Hack zwischen Staat und Gewerkschaften um die
"Neufassung des Paragr. 116" an einem d e m o n s t r a t i-
v e n N a c h w e i s gelegen, wie g u t im Grunde der Staat
mit seiner Einheitsgewerkschaft bedient ist. "Paragr. 116" war
kein Thema für die laufenden Tarifverhandlungen, sondern blieb
den "warnstreikenden" ÖTV-Mitgliedern vorbehalten, die einige
öffentliche Verkehrsbetriebe kurzfristig "lahmlegten". Da durften
sie dann Pappschilder mit den entsprechenden zündenden Gewerk-
schaftsparolen spazieren tragen.
"Diesmal ist der Lohn dran", war die von den Politikern vorgege-
bene Marschrichtung für die diesjährige Tarifrunde. Gemeint ist
damit: keine wirtschaftspolitischen "Jahrhundertforderungen",
kein öffentliches Spektakel um Wahlkampfthemen, statt dessen ein
reibungsloser und "konjunkturgerechter" Billigabschluß. "Diesmal
ist der Lohn dran", echote die Gewerkschaft zurück und lieferte
dem Staat am Geldbeutel ihrer Mitglieder eine eindrucksvolle De-
monstration, wie schnell und reibungslos mit ihr E i n i g-
k e i t zu haben ist.
Auch Zimmermann ist es bei diesem Tarifabschluß hauptsächlich um
Höheres gegangen: Er wollte den öffentlichen Beweis führen, daß
Gewerkschaften und C-Parteien jenseits aller Streitigkeiten um
den Paragr. 116 sehr gut miteinander auskommen können. Die Ge-
werkschaft braucht sich bloß auf das Thema zu beschränken, das
die Obrigkeit ihr zuweist, und sie muß sich ohne großes Getue an
die Lohnleitlinien halten, die ihr die Arbeitgeber vorgeben. Dann
braucht es keinen S t r e i k und schon gar nicht keinen Streit
um P a r a g r a p h e n. Wo Fritz und Monika so gut miteinan-
der können, muß doch auch der neue Paragr. 116 ohne häßliche Töne
über die Bühne gehen.
Inzwischen ist an diesem Streit um den Paragr. 116 nur noch in-
teressant, wie seine Veranstalter sich dabei gegeneinander profi-
lieren. Hat Blüm seine Sozialausschüßler noch im Griff? Wieviel
Protest darf Fehrenbach sich herausnehmen? Bangemann warnt vor
Zweifeln an der "Handlungsfähigkeit der Regierung", die außer ihm
niemand hat - und er selbst natürlich erst recht nicht. Dem
Strauß aus Bayern fällt 1986 ein, man hätte eigentlich schon 1984
"handeln" müssen - das nagt an Kohls Image. Der seinerseits ver-
urteilt "Profilierungsversuche auf Kosten der Koalition"... Sol-
che Themen liebt eine lebendige Demokratie! damit läßt sich vor-
trefflich Wahlkampf machen. Darin ist die Gewerkschaft, gegen die
es der Sache nach geht, Mittel und Auseinandersetzung zwischen
Regierung und Opposition (was aber der DGB nicht einmal schlecht
findet). Die schwerwiegenden Probleme der Stunde sind: Bei der
Koalition, ob ihre Initiative im Wahlkampfjahr nicht doch falsch
plaziert ist und wie sich das noch hinkriegen läßt. Bei der Oppo-
sition, wie sie das am besten ausschlachten kann usw. usf. Das
bewegt tatsächlich die Republik.
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Meisterstücke der Heuchelei
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1.
Mitten in den Verhandlungen um neue Lohntarife verpulvern die Ge-
werkschaften ihre "Streikkasse" für allerlei Flugblätter und An-
zeigen, mit denen sie sich an die demokratische Öffentlichkeit
anbiedern wollen. dabei ist ihnen u.a. die alte Tradition einge-
fallen, nach der "Gewerkschaft" und "mehr Lohn", "Streiken" und
"besser Leben" irgendwie zusammengehören sollen. Und prompt
schreibt sie's auf: Sie und ihre Streiks hätten für das gute Le-
ben heutiger Lohnarbeiter gesorgt.
"DBG Gemeinsam aus der Zukunft das Beste machen
Darum, daß bei Krankheit ihr Lohn oder Ihr Gehalt vom ersten
Krankheitstag an weitergezahlt wird - wochenlang wurde dafür ge-
streikt -, daß Sie bei Arbeitslosigkeit nicht ins finanzielle Ab-
seits geraten und im Alter ohne finanzielle Not leben können."
Das trauen sich die DGB-Vereine: nach etlichen Lohnsenkungsrun-
den. Nach Jahren der Leistungssteigerung. Nach Jahren ungehinder-
ter Entlassungen. Und mitten in einer Verhandlungsrunde, in der
nach altem Brauch wieder einmal Lohnprozente gefordert werden, um
sie n i c h t zu kriegen.
Da, wo es um Lohn geht, nämlich in der Tarifrunde, soll man weder
ans Geld noch ans Streiken, sondern statt dessen an den Paragr.
116 denken - das ist schon ein starkes Stück. Jetzt soll man auch
noch dort, wo es gar nicht um den Lohn geht, sondern um einen
Rechts- und Paragraphenstreit, ausgerechnet an den Lohn denken,
und das auch noch voller Dankbarkeit für gewerkschaftlichen Ein-
satz, der überhaupt nicht stattfindet - das ist eine einsame Gip-
felleistung. Wie schnell wäre der Paragr. 116 total uninteres-
sant, wen die bundesdeutschen Arbeiter tatsächlich für entschei-
dend mehr Geld entsprechend entschieden streiken würden!
2.
Gerade weil Unternehmer wissen, daß die Öffentlichkeit von
Streiks nicht das geringste hält, und weil sie zweitens sicher
sein kann, daß die im DGB versammelten Gewerkschaften ebensowenig
von Streiks halten, die wegen Arbeiterinteressen die Wirtschaft
schädigen könnten, leisten sie sich eine gelungene Heuchelei. Si
selbst spielen sie als die obersten und Streikfreiheit auf:
"Die Gewerkschaften bleiben streikfähig
Sie müssen nur ihre Mitglieder hinter sich haben. Die Mitglieder
müssen überzeugt sein, daß es sich lohnt, für eine Tarifforderung
zu streiken. Und ob das so ist, entscheiden allein die Mitglieder
in der Urabstimmung. An alledem ändert sich nichts. Trotzdem kla-
gen die Gewerkschaften: Wir verlieren unsere Streikfähigkeit."
Ausgerechnet die Unternehmer, die bei jedem Pfennig mehr Lohn das
große Jammern anfangen, erinnern daran, daß sich ein Streik auch
l o h n e n könnte und daß eine Gewerkschaft dadurch Arbeiter
fürs Kämpfen gewinnen könnte. Die Kapitalisten verlassen sich
darauf, daß die von ihnen geschädigten Arbeiter sich selbst schon
solche klassenkämpferischen Gedanken an ihren Nutzen abgewöhnt
haben - unter tatkräftiger Mithilfe des DGB: Dessen Streiks haben
eben immer mit den Arbeitern als Opfer kalkuliert, und das wird
ihm jetzt hingerieben.
"Worum geht es wirklich?
Die Gewerkschaften scheuen die volle Verantwortung im Arbeits-
kampf, Ihnen ist es am liebsten, wenn die Arbeitsämter die Lohn-
schäden ersetzen, die ihre Streiktaktik außerhalb des Kampfgebie-
tes anrichtet."
Was würde den Werbefritzen vom Unternehmerlager wohl einfallen,
wenn es Streiks gäbe, deren "Lohnschäden" allein vom Kapitalisten
"zu ersetzen" wären?
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