Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT OETV - Von den Billigtarifen
zurück Streik bei der PostEIN WARMER HÄNDEDRUCK FÜR DIE SCHICHTARBEITER
Niemand redet so desillusionierend über die Leistungen der Ge- werkschaft wie diese selbst. Nur, wenn die Deutsche Postgewerk- schaft berichtet, daß nach einer Schicht "bei Nacht und Nebel, Regen und Wind, auf Bahnhöfen und Straßen, in rollenden Bahnpostwagen, in Hitze, Kälte und Staub" Tausende von Postlern ziemlich fertig nach Hause gehen und mehr als die Hälfte "aus Gesundheitsgründen vorzeitig in Rente gehen müssen", dann handelt es sich nicht um eine Selbstbeschuldigung wegen Pflichtvergessenheit. Es ist im Gegenteil der mit der Schinderei der Postler geführte Beweis für die Unverzichtbarkeit ihrer ge- werkschaftlichen Politik, ein Beweis, bei dem Ausgangspunkt und Resultat sich immer wieder aufs schönste ergänzen und zwar sehr praktisch. Durch ihre Zustimmung zu den oben aufgeführten Arbeitsbedingun- gen, Rationalisierung, Personalabbau und Arbeitsvermehrung wirkt die Gewerkschaft einvernehmlich an der Schaffung der "sozialen Probleme" mit, die sie dann händeringend bejammert (und die mittlerweile solche Dimensionen angenommen haben, daß trotz steigender Arbeitslosigkeit die Post für Neueinstellungen nur mit Mühe Leute findet). Dann wird jahrelang darüber verhandelt und, um zum Abschluß zu kommen - n i c h t, um diese Zustände zu beenden -, eine spekta- kuläre Aktion beschlossen. Unter dem Druck des Streiks setzt nicht die Gewerkschaft die Forderung nach 30 Freischichten durch, die es zu Beginn einmal gegeben hat, sondern die Post erhöht ihr letztes Wort von 3 auf 4 Freischichten, ab '82 eine zusätzliche für die 55jährigen und ab '83 eine für die 50jährigen. Das Resultat ist ein einziger Hohn: Eine Urlaubsverlängerung um vier Tage "erleichtert" die ganzjährige Schichtarbeit haargenau um soviel wie eine freundliche Ansprache von Minister Gscheidle. Die zusätzliche Freischicht für die 55- und 50jährigen ist wohl mehr eine Art Orden für diejenigen, die so lange durchhalten. Überdies teilt die Gewerkschaft mit der auf drei Jahre hinausge- zögerten Verteilung der Verbandlungs"erfolge" ihren Leuten mit, daß sie für eben diese Frist die Frage der Schichtarbeit als g e r e g e l t zu betrachten haben, daß solange an Verbesserun- gen - nicht einmal an solche des ausgehandelten Kalibers - nicht zu denken ist. Das Ergebnis dieses Streiks ist eine dermaßen unverschämte Düpie- rung der Schichtarbeiter, daß sogar die öffentliche Meinung sich einer gewissen Milde bei der Begutachtung des Arbeitskampfs nicht enthalten kann und auch die notwendigen Klagen über die ungeheu- ren Kosten, die die Regelung verursacht, und das schlechte Bei- spiel, das der Bund gegeben hat, fast nurmehr aus reiner Pflichterfüllung zu Protokoll gegeben werden. So ist das Rezept beschaffen, mit dem Staat, Kapital, Gewerkschaft und Öffentlich- keit den sozialen Frieden sichern: Die Gewerkschaft läßt ihre Mitglieder zu Arbeitskämpfen antreten und das Resultat erkämpfen, daß ihnen von allen Seiten bescheinigt wird, ein anerkanntes so- ziales Problem zu sein. Das genügt, und damit geht es wieder zu- rück an die Arbeit, um die während des Streiks liegengebliebenen Berge zusätzlich zur Weihnachtspost abzutragen. Da ist dem IG-Chemie-Vorsitzenden Hauenschild nur zuzustimmen, wenn er diese so einfache wie erfolgreiche Methode zum weiteren Gebrauch empfiehlt: "Nach dem Poststreik wird die Humanisierung der Schichtarbeit nicht mehr von der Tagesordnung verschwinden." zurück