Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT OETV - Von den Billigtarifen
zurückKLARTEXT DER GEWERKSCHAFT ZUR TARIFRUNDE
"Der ÖTV-Vorsitzende des Bezirks Weser-Ems, Holger Wohlleben (das darf doch nicht wahr sein, daß der so heißt!), referiert über den Einstieg der ÖTV in die Wochenarbeitszeitverkürzung. Referat: Es geht um Arbeitszeitverkürzung für mehr freie Zeit und gegen weiteren Arbeitsplatzabbau. Freie Zeit darf sich niemand als Ver- kürzung der Tages- oder Wochenarbeitszeit vorstellen. (Wer tut denn das schon!) Sondern freie Zeit wird irgendwie verrechnet. Klar, daß die außertariflich gewährten 2 freien Tage angerechnet werden. Eine Lohnforderung von 5% rechnen wir gleich auf 2,5% runter, dann ist das identisch mit dem Lohnausgleich für 1 Stunde Arbeitszeitverkürzung. Die kann man sich umrechnen in 60.000 neue Arbeitsplätze, was die Kaufkraft stärkt und die Konjunktur an- heizt. Alles klar! Oder noch Fragen? Bitte. Diskussion: Frage: Neue Arbeitsplätze kommen doch nicht automatisch raus, sondern nur, wenn die ÖTV sie fordert. Sonst führt die Arbeits- zeitverkürzung doch wieder nur zu Leistungsverdichtung und unbe- zahlten Überstunden. Antwort des Vorstands: Wer die Arbeit in kürzerer Zeit nicht schafft, soll das sagen. Das müssen dann Betriebs- und Personal- räte regeln. Neueinstellungen kann im übrigen die Gewerkschaft gar nicht fordern. Das ist nicht vorgesehen im Tarifvertragsge- setz. Da sind uns die Hände gebunden. Das ist eben Unternehmer- entscheidung. Frage: Wie sollen wir die Kollegen denn für 1 Stunde Arbeitszeit- verkürzung und 2,5% Lohn motivieren, wenn außerdem noch die 2 übertariflichen Freitage angerechnet werden? Antwort des Vorstands: Lamentieren ist hier nicht angesagt. Die Basis hat uns beim Verhandeln zu unterstützen. Was heißt hier mo- tivieren. Außerdem ist die Forderung von uns beschlossen. Da müs- sen wir jetzt durch! Noch Fragen? Keine! Gut. Schluß." So geschehen am 19.1.1988 vor ca. 100 Vertrauensleuten der ÖTV. Tarifforderungen werden also nicht f ü r die Leute aufgestellt, sie werden auch nicht o h n e sie beschlossen. Sie werden g e g e n die Leute aufgestellt und gegen sie durchgezogen. Wer aufmuckt, wird schon sehen, was er davon hat. Vertrauensleute sind immerhin welche, die sich das Vertrauen des Vorstands verdienen müssen. Ihr Auftrag heißt: Durch die Tarifrunde müssen wir durch, ohne daß die Leute Ärger oder einfach auch nur nicht mitmachen, wenn sie zum Protest zitiert werden. Die Gewerkschaften sind offensichtlich sehr bemüht, auch noch das - im wahrsten Sinne des Wortes - l e t z t e Argument zu wider- legen, mit dem Organisierte ihre Vereinszugehörigkeit vor sich selbst zu rechtfertigen versuchen. Daß "es (!) ohne Gewerkschaft (!) noch beschissener (!) wäre als mit ihr", das möchten, so scheint's, diese Interessenvertretungsvereine nicht länger auf sich sitzen lassen. zurück