Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT HUMANISIERUNG - Vom Umgang mit dem Arbeiter
zurück Dortmunder Hochschulzeitung Nr. 19, 17.05.1983 Computereinsatz: Auswirkungen auf die ArbeitMITBESTIMMTER COMPUTER MACHT KAPITALIST UND ARBEITER GLÜCKLICH
"Unter dem Titel 'Humanisierung der Arbeit' beschäftigen sich sämtliche Instanzen, deren Worte und Taten Gewicht haben, mit den verheerenden Folgen der Lohnarbeit, die niemand mehr Ausbeutung nennen will. Wissenschaftler, Politiker, Unternehmer und Gewerk- schafter haben sich des Menschen im Arbeiter angenommen und be- schäftigen sich auf ihre Weise mit den Opfern der Maßnahmen, wel- che sinnigerweise Rationalisierung heißen." (aus: Marxistische Gruppe, Rationalisierung und Humanisierung, Reihe Kritik der westdeutschen Gewerkschaften, Nr. 1, S. 3) Als Kenner der Materie leisten FRIEDRICH et. al. vom Bereich "Informatik und Gesellschaft" der Uni Dortmund mit dem vorliegen- den Buch ihren Beitrag zum Mitbestimmungsund Humanisierungspro- gramm des DGB: Sie wollen die Arbeitnehmerseite informieren, da- mit sachkundig - was im Gewerkschaftsjargon "Humanisierung der Arbeit" heißt mitbestimmt werden kann beim "Computereinsatz", also bei der Rationalisierung in deutschen Betrieben. Ausgangspunkt eines solchen Anliegens ist also die Tatsache, daß der hierzulande betriebene Einsatz der Technik in Fabrik und Büro für die beschäftigten Arbeitnehmer unliebsame Folgen hat, die die Autoren so nicht akzeptieren wollen; und daß es offizielle Ideo- logien gibt, die diese wenig freundlichen Umstände als einen 'Sachzwang' des technischen Fortschritts ausgeben. Dem wird kri- tisch entgegengehalten, daß all die "negativen Auswirkungen" auf die Betroffenen keineswegs "Naturereignisse, also nicht unbedingt notwendig" seien. Nämlich deshalb nicht: "Technik ist von Menschen (!) gemacht, dient bestimmten (?) Zwec- ken und wird in bestimmter Weise von Menschen (?) eingesetzt" (13) So richtig die - ja nicht nur für Sachverständige der Technik sehr leicht einsichtige Feststellung ist, daß weder Technologien noch ihre Anwendung im Arbeitsprozeß vom Himmel fallen oder aus der Erde sprießen, i.e. "naturnotwendig" sind, so untauglich ist die zitierte Klarstellung als Widerlegung obiger 'Sachzwang'- Ideologie. Erstens fehlt jeder klärende Hinweis, w e l c h e offensicht- lich gegebene N o t w e n d i g k e i t der vorfindliche arbei- terschädliche Einsatz der Technik hat, der einem als unabänder- lich verkauft wird. D a ß immer "bestimmte" (welche?) Zwecke und Einsatzweisen der Technik am Werk sind, ist ja wohl nicht einmal zum Schein als Ersatz für eine Aufklärung darüber gedacht, w i e die Anwendung von Technik hierzulande ökonomisch kalku- liert wird: Als ob es ein Geheimnis wäre, daß es das kapitalisti- sche Kalkül von Kostensenkung für Profiterhöhung ist, wodurch der Aufenthalt an der Arbeitsstätte so ungemütlich wird. Konsequenterweise werden zweitens auch die wirklichen Urheber von Entwicklung und Einsatz moderner Technologien gemäß dem Maßstab des Profits, die Herren Unternehmer und ihre staatlichen Förderer nicht der Erwähnung wert befunden, stattdessen "der Mensch" als Entscheidungsinstanz über Wohl und Wehe des technischen Fort- schritts inthronisiert. Eine interessiert-abstrakte Sicht der Dinge, die den schönen Vorteil hat, daß man so - aber auch nur so - einen auf Optimismus machen kann in Sachen "humaner" Technik. Wo die hierzulande wirklich entscheidenden Instanzen und i h r e Kriterien - ganz als wären die in Dortmund und Umgebung nirgends aufzuspüren - aus dem Spiel bleiben, ergeben sich folgerichtig lauter Möglichkeiten (zumindest in der Vorstellung), wie moderne Maschinen eingesetzt werden k ö n n t e n. Eine fromme Auffassung, die die Autoren noch unterstreichen, wenn sie mangelnde Phantasie oder gar ungenügendes technisches Wissen als Grund dafür suggerieren, daß es in der Wirklichkeit so mies aussieht: "Um aber abschätzen zu können, 'welche Möglichkeiten wirklich (!) im Computer stecken', benötigt man schon ein paar grundlegende Kenntnisse über die Arbeitsweise und den Aufbau eines Computersy- stems." (17) Rauskommt unterm Strich die so verkehrte wie tröstliche Vorstel- lung, es wäre im Kapitalismus durchaus keine ausgemachte Sache, ob technische Mittel zum Vorteil oder auf Kosten der arbeitenden Menschheit eingesetzt würden. Was natürlich bei Betrachtung von Computern, CNC-Maschinen usf., die ja bekanntermaßen das aktuelle Mittel einer kapitalistischen Rationalisierung sind, die nicht nur Hunderttausende außer Lohn setzt, sondern auch einiges an Mehrverausgabung von Hirn, Muskel, Nerven bei den Restbelegschaf- ten erzwingt, nur dann als Interpretationssehema durchzuhalten ist, wenn man vom feststehenden 'Wofür' dieser Mittel partout ab- sehen will. Was man mit Computern, Programmen, CNC-Maschinen, Industrierobotern, Bankomaten, Datenkassen, Textautomaten und Personalinformationssystemen alles machen kann. ! ! V V 1. Arbeitsplätze vernichten 1. Arbeitszeit verkürzen 2. Arbeitsleistung erhöhen 2. Arbeit erleichtern 3. Arbeitsqualifikation mindern 3. Wissen u. Erfahrung vermehren 4. Arbeitseinkommen drücken 4. Einkommen erhöhen 5. Arbeitskontrollen verstärken 5. Mehr Spielräume schaffen Das ist klar: Auf die Anwendung der Technik kommt es an. Angesichts einer Praxis, in der die 'Wunderwerke der Technik', die eine Einsparung von Arbeits z e i t erlauben, es gerade da- durch jedoch dem Kapitalisten gestatten, A r b e i t e r einzu- sparen; eine Praxis, in der Vereinfachung der Arbeit eben nicht heißt, daß es für den A r b e i t e r leichter wird, etc., möchten die Autoren mit der Wiederholung des Fehlers, den Marx schon vor mehr als hundert Jahren den bürgerlichen Ökonomen unter die Nase rieb, das Ideal einer kapitalistischen und arbeiter- freundlichen Maschinerie propagieren. "Da also die Maschinerie an sich betrachtet die Arbeitszeit ver- kürzt, während sie kapitalistisch angewandt den Arbeitstag ver- längert, an sich die Arbeit erleichtert, kapitalistisch angewandt Ihre Intensität steigert, an sich ein Sieg des Menschen über die Naturkraft ist, kapitalistisch angewandt den Menschen durch die Naturkraft unterjocht, an sich den Reichtum der Produzenten ver- mehrt, kapitalistisch angewandt ihn verpaupert usw., erklärt der bürgerliche Ökonom einfach, das Ansichbetrachten beweise haar- scharf, daß alle jene handgreiflichen Widersprüche bloßer Schein der gemeinen Wirklichkeit, aber an sich, auch in Theorie gar nicht vorhanden sind." (Das Kapital, 1. Bd., S. 465) Kapitalistische Technik: Ein offenes Entscheidungsproblem --------------------------------------------------------- Nun ist es nicht so, daß die Dortmunder Freunde humaner Ar- beitsplätze nicht wußten, daß die Initiatoren des technischen Fortschritts a n d e r e s im Sinn haben als das, was man unter 1.-5. auf der rechten Spalte obigen Schemas lesen kann. Aller- dings veranlaßt sie das keineswegs, ihre Vorstellung zu revidie- ren, wonach der Einsatz der Technik eine o f f e n e Frage sei, die "der Mensch" beantworten müsse. Im Gegenteil. A u s g e h e n d von ihrer schönen Vorstellung interpretieren sie nun die vorhandene betriebliche Nutzung der Technik als Rin- gen verschiedener Kräfte darum, w e l c h e M ö g l i c h k e i t realisiert werden soll. "- Wird der Computer a u s s c h l i e ß l i c h für solche Aufgaben eingesetzt, bei denen durch seine Anwendung ein hoher Produktivitätszuwachs erwartet wird, und damit über eine Verrin- gerung der Kosten eine h o h e R e n d i t e in Aussicht steht, o d e r: - Wird der Computer v o r a l l e m so eingesetzt, daß sich die Arbeitsbelastungen verringern, Arbeitsinhalte mit hohen Qua- lifikationsanforderungen und Möglichkeiten zur Persönlichkeits- entfaltung entstehen und die Arbeitszeit verkürzt werden kann? Die Entscheidung über diese Frage treffen nicht die Ingenieure, die die Computer konstruieren, oder die Programmierer, die sich für den Einsatz vorbereiten. Vielmehr ist es eine Frage des In- teressengegensatzes zwischen Kapitaleignern und abhängig Beschäf- tigten und der jeweiligen Interessendurchsetzung, von welchen Zielsetzungen der Computereinsatz in welchem Umfang (!) be- herrscht wird." (14) Die hierzulande betriebene Organisation von Naturwissenschaft und Technologie als von der Produktion getrenntem Bereich nimmt der Techniker zum Anlaß, deren Verhältnis auf den Kopf zu stellen: Weil "die Technik" von sich aus keine Zwecke und Verwendungswei- sen diktiert, soll gleich die vorhandene Technik (als würde sie ganz zweckfrei entwickelt und hergestellt) so oder so angewendet werden können. Wobei ganz nebenbei gleich noch ein schönes Urteil über die ei- gene Zunft herausspringt. Techniker - selbstbewußte Diener des Kapitals? I wo! Neutrale Diener des Fortschritts, dessen jewei- lige Nutzung dann natürlich von anderen, vom Ausgang des Streits zwischen Arbeitgeber- und -nehmerseite abhängt. Und dabei sogar noch für letztere Seite kritisch engagiert... Genau dieses Ergebnis kommt allerdings nicht ohne einige Verdre- hungen zustande. Denn erstens unterstellt ja auch die Fiktion ei- nes offenen Ringens besagter Parteien, wie die Computer etc. ein- gesetzt werden sollen, daß sie vom Kapital für seinen Zweck, der Kostenminderung heißt, angeschafft werden, und daß sich die an- dere Seite (mal abgesehen von allen 'Befugnissen', die ihr staat- licherseits im Betriebsverfassungsgesetz zugestanden werden; ebenfalls abgesehen davon, wie der DGB die Interessen seiner Mit- glieder geltend zu machen pflegt) d a g e g e n zur Wehr setzen muß. S e h e n soll man es allerdings ganz anders: als einen Interessengegensatz formal gleich dastehender Parteien, der alle möglichen Resultate zuläßt, wobei auf alle Fälle aber i r g e n d e i n e E i n i g u n g schon zustandekommt, die dann eben m e h r o d e r w e n i g e r arbeiterfreundlich aussieht. Sehr grundsätzlich, sehr gelassen also auch, konsta- tiert der technikfreundliche Beobachter, daß eine gute Verwendung der technischen Errungenschaften a b e r i m m e r drin ist. Software Mitbestimmung ---------------------- Die Beweisführung, daß auch und gerade das 'Wunderwerk der Tech- nik' des I n f o r m a t i k e r s alle Möglichkeiten bietet für die Versöhnung des Interessengegensatzes, zieht das Buch denn auch ganz konsequent nicht nur als Erklären der ja nun wirklich ganz unschuldigen Eigenschaften der Computertechnologie durch: Mit der permanenten Hervorhebung der "Flexibilität" dieser Dinger dienen alle Punkte, an denen bei der Planung, Entwicklung, Ein- führung etc. von Computersystemen, E n t s c h e i d u n g e n zu fällen sind, zum Vorstelligmachen von Chancen für Arbeiterin- teressen: "Die Problemanalyse ist die Aufnahme und Bewertung des bestehen- den Arbeitsablaufs (Ist-Zustand). Sie soll Grundlagen für die endgültige Entwicklung des Soll-Konzepts liefern. Zumindest die Aufnahme des Ist-Zustands kann nicht ohne die Mitarbeit der be- troffenen Arbeitnehmer geschehen. So ergeben sich unter Umständen schon in diesem frühen Stadium für die Arbeitnehmer und ihre Ver- tretung erste Möglichkeiten zur Einflußnahme auf die Entwicklung des gesamten EDV-Systems." (25) "Nicht allein die Ergebnisse der Problemanalyse sind für die Ent- wicklung des endgültigen Soll-Konzepts maßgebend, sondern hier gehen auch in hohem Maße die Entscheidungen und Vorstellungen des Unternehmens ein. Der Betriebsrat muß deshalb an dieser Stelle eingreifen (technisch-organisatorischer Handlungsspielraum!) und eigene Vorstellungen mit in das Soll-Konzept einfließen lassen." (26) Die Versöhnlichkeit der Interessen in der Konstatierung der Tat- sache zu sehen, daß Entscheidungen getroffen werden müssen, unbe- schadet dessen, welche denn jeweils anstehen, stellt allerdings der "Aufnahme und Bewertung des Ist-Zustands" sowie der "Entwicklung des Soll-Konzerts" die Bescheinigung jeglicher Un- schuld i.S. kapitalistischer Zielsetzung aus. Mehr noch: Die mo- derne kapitalistische Maschinerie soll sozusagen von sich aus lauter Eingriffsmöglichkeiten von seiten derjenigen, die ihr un- terworfen sind, nahelegen. Sie erweist sich nach dieser Logik als Instrument, das allen Beteiligten gleichsam offensteht und sich als Mittel mitbestimmter Ausbeutung präsentiert, das es nunmehr dementsprechend wahrzunehmen gilt. Von "negativen Wirkungen" kann da natürlich keine Rede mehr sein, vielmehr ergibt sich die tech- nisch mögliche (und erwünschte) "Nutzung der positiven Möglich- keiten des Computers" als die hoffnungsfrohe Perspektive aus Dortmunder Informatikerkreisen für die kapitalistische Nutzung ingenieurwissenschaftlichen Erfindergeistes. Für die gewerkschaftliche Betätigung auf diesem Feld ist damit quasi ein computergestützter Auftrag entstanden, der anstelle der Abwehr "negativer Wirkungen" am laufenden Meter "GestaltungsmÖg- lichkeiten" für sich reklamiert, bei denen der Idealismus des versöhnten Interesses von Kapital und Arbeit durch mitbestimmte Organisation dieses Gegensatzes seine läppische wie reichlich zynische Qualität offenbart. Zwei Beispiele aus dem Buch mögen dies verdeutlichen. Vom humanen Gebrauch des Computers ---------------------------------- 1. "Chancen zur Höherqualizierung, die der Computer bietet, zu nutzen" (Bsp.: 6 verschiedene Spezial-Sachbearbeiter werden nach Einführung von Computern zu 6 in allen Sachbereichen tätigen Uni- versal-Sachbearbeitern) (vgl 240 f.) 2. "Refreshbildschirme, die das Bild in sehr kurzen Abständen im- mer wieder auffrischen, - für die von ständigen Änderungen be- troffene Zeichenarbeit unter ergonomischen Gesichtspunkten we- sentlich günstiger" (109) Der Sache nach stellt sich im 1. F a l l die Qualifikation der Leute als vom Kapital je nach Bedarf benutztes und gemachtes Mit- tel heraus. Das Wissen der Arbeiter ist nichts als die erforderte Zutat, die sich nach den eingerichteten Arbeitsbedingungen (und dazugehöriger Computer) richtet. Man k a n n allerdings - zumal wenn durch betriebsrätliche Mit- wirkung zustandegekommen an dieser Rationalisierungsmaßnahme den theoretischen Gesichtspunkt geltend machen, es würde a u c h dem Interesse des Arbeiters durch genutzte Technik Genüge getan, so als ob es dem nicht scheißegal wäre, ob er 8 Stunden lang für 2000 Mark pro Monat Spezial- oder Universalsachbearbeiter wäre. Der Sache nach stellt sich im 2. F a l l die Rücksichtnahme auf die Arbeiter als die Durchsetzung rücksichtsloser Leistungs- anforderungen heraus. An flimmernden Schirmen lassen sich be- stimmte Leistungsvorgaben nicht erfüllen - deswegen Änderungen. Diese mittels Technik praktizierte Rücksichtslosigkeit als Lei- stung, die beide Seiten gleichermaßen befriedigt, zu feiern, ist der Zynismus einer Betrachtungsweise, die sich für die menschen- gerechte Ausbeutung durch technischen Fortschritt engagiert. "Humanisierung ist eben das I d e a l d e r B r a u c h b a r- k e i t, das sich die Gewerkschaft ausgedacht hat, für die Arbeiter - und mit dem kommen sie den Unternehmern und dem Staat daher, die den Gebrauch der Arbeiter so flott organisieren, daß sie manche von ihnen glatt entbehren und auf ihre Bezahlung verzichten können." (MG, Humanisierung und Rationalisierung, S. 18) Mit der Autorität des technischen Durchblickens haben die Dort- munder Informatiker diesem Ideal der Brauchbarkeit eine Rechtfer- tigung eigener Sorte verschafft. Um einen Spruch dieser Herren abgewandelt zu gebrauchen: Auf die Verwendung des Sachverstandes kommt es eben an! zurück