Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT 35H-WOCHE - Neue Freiheiten für Unternehmer
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Die Tarifrunde in der "heißen Phase"
DIE GEWERKSCHAFT KÄMPFT UM IHRE GLAUBWÜRDIGKEIT
Die Tarifrunde tritt nun in ihre "heiße Phase". So heißt es zu-
mindest - doch die in den Zeitungen vermeldeten Aktionen erwecken
eher den Eindruck, daß es da lauwarm bis stark unterkühlt zugeht.
Der größte Teil der Aktivitäten erstreckt sich weiterhin auf Kul-
turveranstaltungen, Diskussionen in Fußgängerzonen, Verteilen von
Aufklebern, in einem Wort: "Öffentlichkeitsarbeit". Von der IGM
handgezählte 2470 Arbeiter haben in einem Dorf namens Herborn die
Frühstückspause auf zwei Stunden ausgedehnt, wird groß gemeldet.
Tags darauf sollen knappe 5.000 Metaller - verteilt über das
ganze Bundesgebiet - warngestreikt haben, und die Tagesschau wid-
met dem gleich einen ganzen Beitrag.
Aber nicht nur, daß man von Kampf und gar Schädigung der Unter-
nehmer so recht nichts merken kann, auch die Fronten sind gewis-
sermaßen ver-rückt:
- Die G e w e r k s c h a f t sagt, daß sie streiken läßt, weil
sie eigentlich n i c h t streiken will. Sie beschwert sich aus-
giebig darüber, daß ausgerechnet die U n t e r n e h m e r ihr
einen Streik a u f z w i n g e n wollten - während sie doch
bloß "linden Druck" ausüben und keinesfalls "Arbeitsplätze ka-
puttstreiken" will (Hans Mayr, 1. Vorsitzender IGM). Sogar ihre
Warnstreiks veranstaltet sie ja nur, um vor dem Streik zu warnen
und beschwört die "Gefahr des schlimmsten Arbeitskampfes in der
Geschichte der Bundesrepublik".
- An den U n t e r n e h m e r n dagegen entdeckt man keine
Spur von Angst vor Auseinandersetzungen. Sehr cool registrieren
sie die paar Warnstreiks, erklären gelassen, daß man sich schon
einigen wird, und Arbeitgeberchef Kirchner ermahnt sogar die Re-
gierung, sie solle die Angelegenheit nicht so aufbauschen: "Die
Politiker sollten sich aus der laufenden Tarifrunde lieber her-
aushalten."
"35-Stunden": Ein Angebot an die Unternehmer
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Die Gelassenheit der Unternehmer beruht auf der Gewißheit, daß
das E r g e b n i s der Tarifrunde schon f e s t s t e h t -
und zwar zu ihrem Vorteil. Selbstverständlich wird es einen
"Einstieg in die 35-Stunden-Woche" geben. Den können die Unter-
nehmer leicht gewähren. Denn die Gewerkschaft hat schließlich mit
ihren 37 Kompromißbereitschaftserklärungen klargestellt, daß sie
für diesen "Einstieg" jede Menge Lohnabschläge und die freie Ver-
fügung der Unternehmer über die Gestaltung der Arbeitszeit abzu-
segnen bereit ist. Dazu brauchte sich die Gewerkschaft gar nicht
erst durchzuringen - die Forderung nach der 35-Stunden-Woche bei
vollem Lohnausgleich war ja v o n v o r n h e r e i n darauf
angelegt. Die Gewerkschaft hat nie darauf bestanden, daß die Ar-
beiter längst weniger Arbeit und mehr Lohn b r a u c h e n. Mit
ihrer 35-Stunden-Wochen-"Forderung" wollte sie das
"gesellschaftliche Problem der Arbeitslosigkeit" aufgreifen: An-
gesichts von Rationalisienngen und massenhaften Entlassungen fiel
ihr nicht ein, das zu verhindern. Sie wollte die Unternehmer dazu
bewegen, im Interesse der Volkswirtschaft weniger Arbeitslose zu
produzieren. Tausend Rechenexempel hat die Gewerkschaft dafür an-
gestellt, die praktisch alle nur darauf hinauslaufen, den Unter-
nehmern lauter neue Kalkulations m ö g l i c h k e i t e n mit
den Arbeitern anzubieten.
"Kämpferisch" vorgetragen: "Noch jede Arbeitszeitverkürzung mußte
gegen die Unternehmer durchgesetzt werden,... und die sind
allemal noch gut damit fertig geworden." Und darauf kommt es der
deutschen Gewerkschaft auch an.
Mehr noch. Um ihren Rechenkunststückchen jeden Anschein von Un-
ternehmerfeindlichkeit zu nehmen, hat sie ihren eigenen Leuten
folgende Rechnung aufgemacht: "Die 1982 in Überstunden geleistete
Arbeit hätte für 1,2 Millionen neue Arbeitsplätze ausgereicht.
Daß einige unbegrenzt arbeiten und verdienen, während andere ar-
beitslos sind, ist kein Zustand, der gefördert werden sollte."
Mitten in der Tarifrunde tritt die Gewerkschaft gegen einen an-
geblichen gemeinwohlschädlichen Materialismus der Arbeiter an -
als ob nicht Überstunden und Nebenjobs von den Unternehmern ange-
ordnet würden, und als ob sie von den Arbeitern nicht deshalb an-
genommen würden, weil sie mit den gewerkschaftlich ausgehandelten
Tariflöhnen nicht über die Runden kämen.
Die Antwort der Unternehmer
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wird einerseits schon längst praktisch gegeben - mit allen mögli-
chen Sorten von "Flexibilisierung der Arbeitszeit". Und während
ein Widerstand in den B e t r i e b e n dagegen nicht stattfin-
det, tobt der Kampf der W o r t e um so mehr. Der größte Teil
der Öffentlichkeit, die Regierung und die Unternehmer machen sich
über die gewerkschaftliche "Forderung" her, als handele es sich
da um den "Einstieg" in die Revolution. Jahrelang erprobte Ge-
werkschaftsfunktionäre - will heißen: Leute, die der "deutschen
Wirtschaft" noch nie ein Zahnrädchen gekrümmt haben, statt dessen
sorgfältigst darauf achten, daß die von ihnen verwaltete Arbei-
terklasse sich reibungslos ins profitable Funktionieren dieser
Wirtschaft einpaßt - werden plötzlich als kommunistische Agitato-
ren oder gar als nützliche Idioten Moskaus bezeichnet. Niemand
meint das wirklich so - Gewerkschaftschef Breit als 'Agent Mos-
kaus' ist auch zu albern! -, niemand meint, die 35-Stunden-Forde-
rung hätte Revolutionäres an sich. Die Herrschaften von Presse,
Staat und Kapital bauen ein absichtsvolles Mißverständnis auf,
denn sie vertreten nun mal ein eindeutiges I n t e r e s s e:
das Wachstum und den Profit der deutschen Wirtschaft - und diese
hohen Güter dulden keine Ansprüche der Arbeiterklasse, im Gegen-
teil! Sehr klassenkämpferisch betonen sie die
U n v e r s ö h n l i c h k e i t von Kapital und Arbeit. Wenn
die Gewerkschaft so tut, als wäre ihre "Forderung" doch
"i r g e n d w i e" zum Vorteil der Arbeiter; i r g e n d w i e
"wäre dieses Programm gegen die Arbeitslosigkeit" auch eins zur
Sicherung von Arbeitsplatz und Lohn für die Arbeiter, dann nimmt
die Gegenseite diesen Schein für ihre Propagandazwecke her. Sie
erklärt, daß das schon ein unzulässiges Anspruchsdenken sei.
Nun kann die Gewerkschaft nicht sagen, daß der Zusatz "im Inter-
esse der Arbeitnehmer" tatsächlich nur der Zuckerguß war, den sie
auf ihre volkswirtschaftlich so verantwortungsbewußte Forderung
gekleistert hat: Sie kann nicht sagen, daß das einzig
"Revolutionäre" an dieser Forderung tatsächlich nur das unum-
schränkte Eingehen auf Unternehmerwünsche ist. Erst recht kann
sie aber nicht behaupten, sie wolle der Gegenseite wirklich was
abkämpfen, das sei nun mal eine Forderung, die sich mit den In-
teressen von Staat und Kapital nicht vertrage... Sie will ja
einen Vorschlag gemacht haben, der der Wirtschaft nützt - und
wenn die Wirtschaft eiskalt antwortet, daß das automatisch den
Schaden der Arbeiter mit einschließt, dann hebt sie den Streit
auf eine höhere Ebene: Für sie ist das erklärtermaßen ein
Politischer Prinzipienstreit
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"Unsere Forderung nach Arbeitszeitverkürzung ist offensichtlich
für die Arbeitgeber nur das Vehikel, die Generalauseinanderset-
zung zu suchen, um uns kaltzustellen. Die 35-Stunden-Woche ist
nur noch ein Vorwand. Die wollen zahnlose Gewerkschaften, um dann
ungehindert ihre Interessen durchzusetzen." (Steinkühler)
Weil sie selber keine materiellen Ansprüche für ihre Mitglieder
stellt, kann die Gewerkschaft sich auch gar nicht vorstellen, daß
die Gegenseite für ihre materiellen Interessen kämpft. Interesse
gegen Interesse das kommt dieser Gewerkschaft geradezu unmora-
lisch vor. Nicht an der ausgeübten ökonomischen Macht stört sich
ein 'radikaler Gewerkschaftsfunktionär' wie Steinkühler - das
müssen ja bloß die Arbeiter ausbaden. Unerträglich findet er die
d e m o n s t r a t i v e Unnachgiebigkeit der Unternehmer und
ihre gewerkschaftskritische Propaganda - das geht ja gegen das
Ansehen der Gewerkschaft. Dagegen führt die Gewerkschaft einen
moralischen Abwehrkampf. Sie pocht auf ihre Anerkennung als die
konstruktivste demokratische Kraft, die je in einer kapitalisti-
schen Republik ihr Unwesen getrieben hat. D a f ü r benutzt
s i e "die 35-Stunden-Woche als Vorwand".
So idealistisch und moralisch ist dieser gewerkschaftliche Kampf
um die Öffentlichkeit, daß die Unternehmer es sich leisten
können, die Lohninteressen der Arbeiter für sich als Argument ins
Feld zu führen. Sie besorgen sich einen Schwung Meinungsumfragen,
worin die Arbeiter selbst die 35-Stunden-Woche ablehnen. Das ist
kein Wunder! Denn wenn man von seiner eigenen Gewerkschaft
dauernd zu hören kriegt, die Wirtschaft müsse unbedingt wieder in
Fahrt kommen und sie - die Gewerkschaft - hätte dafür einen
fortschrittlichen Vorschlag zu machen, dann rechnet ein normaler
Mensch mit einem Sack voll Schäden, den die Gewerkschaft einem
einhandelt. Und außerdem ist es dann viel überzeugender, wenn die
H e r r e n der Wirtschaft erklären, über ihren Vorteil wüßten
sie selbst doch immer noch am besten Bescheid. Gegen den Unter-
nehmervorwurf, j e d e gewerkschaftliche Aktion würde nur die
Arbeitsplätze n o c h m e h r "gefährden", weiß die Gewerk-
schaft nur noch ein Gegenargument: Der Vorsitzende Mayr gibt der
Unternehmerpropaganda recht - "keine Arbeitsplätze kaputtstrei-
ken" - und will nur den Unternehmern die Schuld zuschieben dafür,
daß die Gewerkschaft trotzdem nicht ganz aufs Streiken verzichten
kann - "zwingen uns den Kampf auf..."
Streiken für die Öffentlichkeit...
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Wenn ihr die Gefolgschaft der Mitglieder bestritten wird, ist die
Gewerkschaft am Zentralnerv getroffen. Nicht, weil sie mit dieser
Gefolgschaft etwas gegen das Kapital d u r c h s e t z e n
will, sondern weil sie auf eine "Basis" verweisen können muß,
wenn sie ihre Stimme in der Öffentlichkeit erheben und weiterhin
als geachtete gesellschaftliche Kraft gelten will. Von daher
stammen die düsteren Visionen eines Franz Steinkühler, wenn er
von "Sein oder Nichtsein der Gewerkschaften " spricht oder den
Unternehmern den Willen zu einer "Generalauseinandersetzung" an-
dichtet. Er hat die Sorge, daß die f ü h r e n d e n Herrschaf-
ten nicht mehr auf ihn hören, genauer: ihm nicht mehr zuhören...
Deswegen beweist die Gewerkschaft der Öffentlichkeit, daß sie
noch eine "Basis" h a t. Dafür veranstaltet sie ihrerseits eine
Reihe von Meinungsumfragen und berichtet optimistisch von der
Kampfbereitschaft aus den Betrieben. Und u m d a s z u
u n t e r m a u e r n, läßt sie ihre Leute in Warnstreiks antre-
ten. Der Aufruf zum Warnstreik geht witziger- und logischerweise
so (im Klartext):
'Die Unternehmer und die Regierung verfolgen uns ganz ungerecht-
fertigterweise und schießen mit großen Kanonen auf uns kleine
Spatzen. Sie hängen uns eine klassenkämpferische Unvernunft an,
der wir seit Jahrzehnten abgeschworen haben. D a s müssen wir
k ä m p f e r i s c h zurückweisen!'
Die Gewerkschaft verlangt also von ihren Leuten eine Demonstra-
tion, daß es die "Basis" n o c h g i b t - und sagt gleich
dazu, daß mehr daraus n i c h t folgen soll. Die Öffentlichkeit
muß beeindruckt werden; damit sie die Gewerkschaft weiterhin
ernstnimmt; zugleich muß sorgfältig auf das Wohlwollen der Öf-
fentlichkeit geachtet werden, die doch jede Sorte von Streik sehr
krumm nimmt. Das ist schon eine sehr verrückte Art zu "kämpfen",
wo der "Kampf" die Gegenseite von der eigenen
F r i e d f e r t i g k e i t überzeugen soll! Da kann es sogar
passieren, daß die Gewerkschaft einen richtigen "großen" Streik
ausruft, bloß damit man ihr auch wirklich g l a u b t...
...und was man davon hat
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Wenn die Gewerkschaft ihre Mitglieder sozusagen als Zusatz zu ei-
ner Allensbach-Umfrage antreten läßt - Lohnverluste gehören
selbstverständlich dazu! -, dann vertraut sie darauf, daß die
sich in 35 Jahren DGB-Arbeit schon an einiges gewöhnt haben.
Daran nämlich, daß ihnen eine Solidarität m i t d e r
G e w e r k s c h a f t abverlangt wird, die sich für sie nie
und nimmer auszahlt. Mitglieder mit dieser schlechten Angewohn-
heit. - die aus moralischen Gründen warnstreiken, Pappsärge tra-
gen und tiefsinnige Transparente hochhalten, während ihr Arbeit-
geber schon alles für die 39,2Stunden-Woche mit 10,5-Tage-Rhyth-
mus und den 11 3/4-Stunden-Tag, also für den "Einstieg in die 35-
Stunden-Woche" herrichtet - solche Mitglieder verschaffen der Ge-
werkschaft ihre Freiheit. Die Freiheit, auch künftig mit den Un-
ternehmern und Wirtschaftspolitikern einvernehmlich die Arbeits-
bereitschaft, Arbeitslosigkeit und Lohnsenkung zu regeln. Alles
für "die deutsche Wirtschaft"!
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Gewerkschaftliche Rechenkunststücke
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"Rein rechnerisch macht die Summe der durch die 35-Stunden-Woche
ausfallenden Arbeitsstunden rund drei Millionen Arbeitsplätze
aus. Die Hälfte dieser Stunden können die Unternehmer keinesfalls
mit Rationalisierungen wettmachen. Das bedeutet: Sicherung und
Schaffung von 1,5 Millionen Arbeitsplätzen."
Da haben wir sie wieder, die schöne Rechnung. Und kaum hat sich
der DGB rein rechnerisch um die Schaffung von 3 Millionen Ar-
beitsplätzen verdient gemacht, halbiert er sie schon wieder. Und
der Einfall, der ihm da gekommen ist, hat es in sich: Auch künf-
tig will er "Mut und Kraft" seiner Organisation nicht dafür ein-
setzen, einmal etwas zu verhindern, was seine Mitglieder an Ge-
sundheit und Geldbeutel zu spüren kriegen. Ganz locker rechnet er
schon in die Zukunft voraus, daß die Produktivitätssteigerungen
durch modernere Maschinerie auch weiterhin auf Kosten der Lohnab-
hängigen gehen.
Für die Tarifrunde hat er für alle Funktionäre und Mitglieder ein
feines Programm aufgestellt. Sie können mit Unternehmern darüber
streiten, ob die 35-Stunden-Woche nun A r b e i t s p l ä t z e
s c h a f f t o d e r v e r n i c h t e t. So begegnen sich
statt zweier Parteien, deren Interessen sich widersprechen, nur
zwei Lügen, die sich dazu mit erlesenem Zahlenmaterial garnieren
können.
Die Wahrheit ist nämlich die: Wieviel gearbeitet werden muß für
wieviel Geld, wieviele Entlassungen stattfinden und wie es den
Arbeitslosen geht, hängt immer noch davon ab, was die Gewerk-
schaft sich von den Kalkulationen der Unternehmer gefallen läßt!
Der DGB aber rechnet lieber Gott und der Welt vor, daß die Herren
"Arbeitgeber" seinetwegen ganz bestimmt nicht zu kurz kommen!
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Streit im DGB: Pack schlägt sich - Pack verträgt sich
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Die richtige Taktik im Tarifstreit ist Gegenstand der Auseinan-
dersetzung in und zwischen den Gewerkschaften. Einige von ihnen -
z.B. Chemie, Textil, Nahrung - bezweifeln, ob es richtig ist, für
den Beweis der eigenen Kompromißbereitschaft und tiefen gesell-
schaftlichen Verantwortung ein solches Kampftheater aufzuziehen.
Die IG Chemie wirft der IG Metall vor, sie würde sich und die ge-
samte Gewerkschaftsbewegung durch übertriebene Selbstdarstellung
schon wieder u n g l a u b w ü r d i g machen. Die IG Chemie
sieht die erfolgreichste Methode darin, sich umstandslos an die
Gegenseite a n z u b i e d e r n und sich die Tarifrunde auf-
grund einer gesetzgeberischen "Vorruhestandsregelung" ganz zu
e r s p a r e n. D a b e i will sie natürlich ein Wörtchen
mitreden und beklagt sich lauthals über die "Starrheit" der ande-
ren Seite. Damit man sie aber ja nicht mißverstehen möge, die-
stanziert sie sich heftig von irrigen Auffassungen innerhalb des
DGB:
"Es geht nicht um Sein oder Nichtsein der Gewerkschaften, wie uns
linke Agitatoren weismachen wollen." (gewerkschaftspost)
Dieser unverblühmte Angriff auf den Gewerkschaftskollegen Franz
Steinkühler wird noch ergänzt um eine ganz neue Sorte zwischenge-
werkschaftlicher D i p l o m a t i e:
"Die 35-Stunden-Woche entspricht der Beschlußlage dieser Gewerk-
schaften."
Heißt: das haben die zwar beschlossen, aber die sollen ja nicht
glauben, daß wir uns dem anschließen. "Solidarität im DGB" be-
steht heutzutage eben darin, daß lauter gewiefte Öffentlichkeits-
manager darauf schauen, daß i h r e Gewerkschaft einen mög-
lichst guten Eindruck macht. Dafür würgt man der anderen Gewerk-
schaft auch mal gerne eins rein.
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