Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT 35H-WOCHE - Neue Freiheiten für Unternehmer
zurück Haustarifverträge über 35-Stunden-Woche abgeschlossenWER HAT WAS DAVON?
1. Die beteiligten Unternehmen ------------------------------ Die REUM AG in Baden-Württemberg z.B. hat mit der IG Metall ver- einbart, vom 1.11.1991 an die tarifliche Durchschnittsarbeitszeit von derzeit 37 auf 36 Stunden pro Woche zu senken, und ab dem 1.11.1992 leuchtet die 35-Stunden-Woche auf. Die Löhne und Gehäl- ter werden ab 1.3.90 und 1.4.91 um jeweils 6% erhöht und können frühestens zum 28.2.92 neu verhandelt werden. Ähnlich lauten die Vereinbarungen, die ein Unternehmen in Hessen und ein weiteres in Nordrhein-Westfalen mit der IG Metall getroffen haben. Was sie erreicht und weswegen sie unabhängig vom Arbeitgeberverband diese Haustarife abgeschlossen haben: 1. Sie haben im Moment einen Geschäftsboom zu verzeichnen, und der bleibt unbehelligt von Tarifrundenstreitereien. Nicht nur dieses Jahr, sondern gleich für 2 Jahre sind die Löhne festge- legt. Die Prozentzahl, um die sie sich bis dann erhöhen, war kei- nen Streit wert - die Arbeit, die mit dem Lohn gezahlt wird, zahlt sich in höheren Gewinnen für die Unternehmen aus. 2. Was momentan an Arbeitsstunden, d.h. auch Überstunden verlangt und geleistet wird, wird mit der Unterschrift unter die 35-Stun- den-Woche nicht beschränkt. Im Gegenteil: es wird durch die Ge- werkschaft bis November 91 garantiert. 3. Wenn die 35-Stunden-Woche Ende '92 in Kraft tritt, hängt es noch sehr davon ab, ob die rechnerische Verkürzung der wöchentli- chen Durchschnittsarbeitszeit eine Beschränkung in der Verfügung über Arbeit bedeuten: erstens steht es dem Unternehmen frei, die Leistung pro Arbeitsstunde zu verdichten. Und zweitens hängt es von der dann zu verzeichnenden Geschäftskonjunktur ab, ob nicht sowieso weniger Arbeitsstunden als jetzt benötigt werden. 2. Die betroffenen Belegschaften -------------------------------- 1. Sie dürfen sich über den Lohnabschluß mächtig freuen: sie kriegen tatsächlich mehr gezahlt, ohne daß sie sich überhaupt darum kümmern mußten. Für die richtige Würdigung der Prozentzah- len brauchen sie nur die jetzt vereinbarten Prozente mit denen der letzten Jahre zu vergleichen - und da sehen jeweils 6% sehr hoch aus, vor allem, wo man wegen der Lohnverzichtspolitik der Gewerkschaft in den letzten Jahren jede Mark nötig hat. 2. Sie haben weiterhin an Arbeit und Arbeitsstunden zu bringen, was die Unternehmen von ihnen verlangen. Jetzt - Mehrarbeit und - verschleiß her oder hin - brauchen sie keine Arbeitszeitverkür- zung; sie brauchen ja das Geld für die Überstunden, vor allem, wo sie nicht wissen, wie lange sie es überhaupt noch verdienen kön- nen, und der Lohn auch nach der diesjährigen Erhöhung wieder so ausfällt, daß jeder die Aufbesserung durch das Überstundengeld gern mitnimmt. 3. Was die Belegschaften wieder einmal von Unternehmen und Ge- werkschaft für die Zukunft bestätigt bekamen: kürzere Arbeitszei- ten sind eine Lohnfrage. Nach dem Ermessen der zuständigen Par- teien sind sie nur mit Lohnverlust zu haben. 3. Die IG Metall und ihre Betriebsräte -------------------------------------- 1. "Wir haben weitgehend das erreicht, was wir für die Beleg- schaft wollten und was dem Betrieb nützt. Wir bleiben weiter lie- ferfähig, die Geschäftsleitung hat weiter Daten, mit denen sie planen kann, unsere Arbeitsplätze sind sicher." So zitiert die metall von diesem Monat die Betriebsräte des nordrheinwest- fälischen Unternehmens, das die 35-Stunden-Woche per Haustarif vereinbart hat und deswegen aus dem Arbeitgeberverband wegen mas- siver Störung der Verbandspolitik rausgeschmissen wurde. Was diese Betriebsräte für die Belegschaft wollten , war also deswe- gen so leicht in nur einer Woche Verhandlungen zu erreichen, weil es dem B e t r i e b nützt. Etwas anderes als 'sichere Arbeitsplätze' führt die gewerkschaftliche Erfolgsbilanz für die Belegschaft gar nicht an! Dabei 'sichern' Unternehmen ihre Ar- beitsplätze selbst, weil sie ihr Geschäftsmittel sind, und sie lohnen sich um so mehr, wie die Arbeiterseite von sich aus keine Bedingungen für's Abliefern der benötigten Arbeit aufstellt, son- dern mit den gebotenen Arbeitsplätzen zufrieden sind. Anderer- seits gibt es die Arbeitsplätze genau so lang, wie mit ihnen Ge- schäfte zu machen sind; und etwas anderes als Daten, m i t denen die Geschäftsleitung planen kann, sieht nach Aussage der Betriebsräte der abgeschlossene Haustarif gar nicht vor. Worin besteht dann eigentlich der gewerkschaftliche Erfolg? In nichts anderem als dem Beweis, wie überflüssig jeder Streit mit der Ge- werkschaft auch anläßlich der Tarifrunde sein kann. Wie ü b e r f l ü s s i g die Gewerkschaft f ü r i h r e M i t g l i e d e r ist, wenn sie sich eine Vernunft zugute hält, mit der die U n t e r n e h m e n bestens bedient sind, scheint den Mitgliedern nicht in den Sinn zu kommen.. 2. Diesen Beweis, wie gut die Wirtschaft fährt, wenn man sich mit der Gewerkschaft einigt, statt ihre Tarifpolitik zu verteufeln, hält die IG Metall für sehr nötig, nämlich gegenüber dem Arbeitgeberverband, der sich dieser Sicht nicht anschließen und sich in den bisherigen Verhandlungen nicht mit ihr einigen will. Und dafür hat sie mit dem Abschluß der Haustarifverträge endlich das passende Beweismaterial gewonnen: "In zahlreichen Betrieben verlangen Betriebsräte jetzt ebenfalls Gespräche und Druck der Unternehmensleitungen auf den Metall-Arbeitgeberverband." Das zieht die IG Metall also aus dem Interesse von Geschäftsleitungen an der störungsfreien Fortsetzung des guten Geschäftsgangs für sich heraus: seine Befriedigung, nicht etwa seine erpresserische Ausnutzung für Lohninteressen läßt sie für sich sprechen. W a r u m der Arbeitgeberverband so "stur" ist, scheint gar nicht mehr erwähnenswert zu sein. Nämlich daß er über das in den Haustarifverträgen Abgeschlossene hinaus die "ertragsabhängige" Gestaltung des Tariflohns in dieser Tarifrunde erreichen will. zurück