Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT ALLGEMEIN - Politik auf Kosten der Arbeiter
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PFIFFE AUF DEN MAI-FEIERN
Mai-Ansprachen von Kanzler Schmidt in Duisburg und Willy Brandt
in Nürnberg gestört. - Hauptthemen Wirtschaftskrise und Weltfrie-
den. - SPD-Prominenz kündigt stetige Aufrüstung und weitere Bela-
stungen für das Arbeitsvolk an. - Berufung auf die Ziele des DGB.
Klar, Mai-Feiern waren noch nie das, was von ihnen immer gesagt
wird: Kampftage - warum sollte man zum Kämpfen auch ausgerechnet
einen Feiertag wählen, wo die Fabriken sowieso geschlossen haben?
Mai-Feiern waren schon immer politische Veranstaltungen, auf
denen die Gewerkschaft ein Bekenntnis zum Staat ablegte und die
Politiker dafür der Arbeiterorganisation Anerkennung zollten.
Doch auch die Zeiten sind vorbei, als die geladene politische
Prominenz der Gewerkschaft am 1. Mai den Dank des Vaterlandes
übermittelte. Zwar war das auch schon ein Hohn für die arbeitende
Menschheit, denn den warmen Dank gibt's immer reichlich für die,
für die aus dem "Wiederaufbau unseres Landes" sonst nichts raus-
gesprungen ist; aber um Dank und Stolz, also um ein Werben der
Politik um das Vertrauen der Arbeiterschaft geht es längst nicht
mehr. Heute kommen Politiker auf die Gewerkschaftsfeiern, und der
örtliche Oberfunktionär bedankt sich servil bei den hohen Herren,
daß sie den Weg zum einfachen Arbeitsvolk gefunden haben. Brandt
und Schmidt wußten solches Vertrauen in die Regierung zu schätzen
und legten ihre Forderungen auf den Tisch (Forderungen freilich,
über die nicht verhandelt wird - Regierung ist Regierung!). Bei
dieser Mai-Feier haben sich nicht die Gewerkschaften mit untertä-
nigsten Vorschlägen an die Politik gewandt, sondern die Politiker
mit maßlosen Ansprüchen ans Volk, dabei hat Kanzler Schmidt immer
wieder, und nicht einmal zu Unrecht, betont, daß er mit allem,
was er von den Leuten in dem nächsten Jahr verlangen wolle, völ-
lig mit den weitsichtigen Führern des DGB übereinstimme. Was
konnte man da Besseres tun, als pfeifen was das Zeug hält?
Schmidt:
"In diesem Jahr wird es für die Landwirtschaft, die Banken und
die Unternehmen Einbußen geben. Auch die Arbeitnehmer haben zu
leiden!"
Vorbei ist es mit der Lüge von der Reallohnsicherung, die bis zum
Tag des Tarifabschlusses gegolten hat. Ist ja auch klar, wenn der
Gewinn der Leute schrumpft, die so viel Geld haben, daß sie es
für sich arbeiten lassen, dann muß ja wohl auch der Lohn derer
sinken, die nur das Geld haben, was sie zum Leben brauchen. Dar-
auf:
5 Prozent, das ist ein Hohn, wer gewinnt, ist die Nation.
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Willy Brandt:
"Wir werden keine Kürzung des Sozialhaushalts für die Rüstung
vornehmen. Wir werden das Soziale Netz erhalten. Dazu müssen wir
Auswüchse beseitigen und Mißbrauch verhindern; das Soziale Netz
verträgt keinen Gruppenegoismus!"
Da log der Friedens-Willy: Erstens sind die Sozialleistungen
längst gekürzt worden, sind die Renten gesenkt und ist die näch-
ste Senkung schon wieder im Gespräch. Zweitens kündigt er selbst
die Senkungen an, wenn er in den sehr streng geregelten Bedingun-
gen der Inanspruchnahme von Arbeitslosen- und Wohngeld und so
weiter "Auswuchs" und "Mißbrauch" entdeckt. Brandt definiert den
Gebrauch des berühmten Netzes als M i ß brauch, weil es ihm zu
viel kostet. Wenn er sich dabei gegen Gruppenegoismus wendet,
wird deutlich, daß der Mißbrauch, an den er denkt, nichts mit dem
individuellen Durchwursteln auf den Sozialämtern zu tun hat.
A n s p r ü c h e der Arbeitslosen, der Rentner usw. an die Kas-
sen, in die sie ein Leben lang zahlen, s i n d für den SPD-Chef
Mißbrauch. Der Bürger soll den Zusammenhang von Einzahlen und
Rauskriegen weiter aufgeben: die Beiträge an die Kassen sind für
unser duftes Soziales Netz nötig. Auszahlungen schaden ihm! Dar-
auf:
Löhne runter, Rüstung rauf. Friedens-Willy hör doch auf!
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Kanzler Schmidt, der oberste Befehlshaber der drittgrößten kon-
ventionellen Militärmaschinerie der Welt, erklärt dem Volk die
Aufrüstung:
"Ich werde mich weiterhin für den sozialen Frieden im Inneren und
den Frieden nach außen und für das Gleichgewicht der Kräfte ein-
setzen, damit uns nicht das passiert wie den Ungarn, Tschechen
und Afghanen."
Da vergleicht sich eine militärische Großmacht mit Afghanen, die
nicht einmal gescheite Maschinengewehre haben und erklärt die
Aufstellung von Raketen, die bis nach Moskau reichen, mit dem Be-
dürfnis, die Landesgrenzen verteidigen zu wollen. Die Konfronta-
tion der Sowjetunion nicht nur mit den USA, sondern auch mit der
dritten Militärmacht BRD nennt er eine Herstellung des Gleichge-
wichts - jeder NATO-Staat für sich strebt heute schon ein Gleich-
gewicht mit dem ganzen Ostblock an. Klar, daß der Kanzler den
"inneren Frieden" hoch einschätzt, versorgt der ungebrochene
Fleiß der Deutschen und ihre nationale Solidarität ihn doch ge-
rade mit der Freiheit und dem Steueraufkommen, sich als dritt-
größte Militärmacht in der Welt durchzusetzen.
Kriegshetzer, Friedensschwätzer!
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Gegen diese Weltmachtklänge des Kanzlers betätigte sich Willy
Brandt als Weltmachtgewissen:
"Wir sollten uns nicht mehr als nötig am internationalen Waffen-
handel beteiligen."
Sehr beruhigend: Unötig will der Willy keine Waffen verkaufen,
sondern gerade so viel, wie er für richtig hält!
DGB - Schwarz-rot-goldene Arbeitsfront!
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Da ein Teil der Anwesenden angesichts dieser Mai-Ansprachen in
Duisburg und Nürnberg dazu nicht schweigen wollte, wurde der 1.
Mai doch noch ein Kampftag des DGB und seiner Redner: nämlich ge-
gen die Marxisten. Dabei haben Sozialdemokraten und freie Gewerk-
schafter die ganze Latte von Argumenten vorgetragen, mit denen
schon Adolf Hitler seinerzeit das Arbeitsvolk davon überzeugen
konnte, daß aufs Geld zu schauen nur Ausdruck eines schlechten
Charakters sein kann. Der Friedenswilly konnte gar nicht verste-
hen, daß L i n k e gegen seine Verzichtparolen sein konnten:
"Ihr betreibt das Geschäft der Reaktion."
Wer nicht für mich ist, ist für Strauß! Sage in Deutschland, was
die linke Alternative ist, wem das nicht paßt, der muß für die
Rechte sein! Und noch etwas konnte er nicht verstehen:
"Was pfeift ihr, wo ihr doch satt seid."
Damit legt der kritische Willy fest, wie lange ein Bürger hierzu-
lande zu Ausbeutung und Aufrüstung das Maul zu halten hat: so-
lange die Brotration reicht, ist Kritik jedenfalls unberechtigt!
- Und die Brotration reicht ja vorerst noch. Ausgerechnet der von
der Sonne Südfrankreichs braungebrannte Willy Brandt bemerkte
treffend gegen unsere Pfiffe:
"Die meisten von euch haben doch noch nie eine Fabrik von innen
gesehen."
Das stimmt. Freilich, wenn Willy Brandt vor Wissenschaftlern oder
Journalisten spricht, fällt ihm das auch nicht ein. In Deutsch-
land hat es eben zwei Sorten Menschen zu geben: die einen, die
die Fabrik immer von innen sehen, und die anderen, die das nie
brauchen, weil ihr Beruf darin besteht - wie beim Politiker -,
andere nur ordentlich zu bescheidener Arbeit anzuhalten. Nur Stu-
dierte, die ihre Position nicht für Verzichtappelle ans Volk be-
nutzen, sind eine Unmöglichkeit: sie kritisieren die Ausbeutung,
ohne sie sich gefallen zu lassen! Nach so hervorragenden Argumen-
ten kann Willy nurmehr ein bißchen mit der Staatsgewalt drohen,
von der er ja auch noch einen Zipfel hat:
"Paßt bloß auf, daß wir euch nicht bloß lächerlich finden, son-
dern Schlimmeres."
- Und natürlich die Volksgewalt aufhetzen, wie einst Adolf:
"Ich bewundere sehr die Geduld, mit der sich hier tausende von
Arbeitnehmern von ein paar hundert Chaoten auf der Nase herumtan-
zen lassen."
Der demokratische Herrscher Schmidt bedauerte gar, nicht über die
Mittel von Diktatoren zu verfügen:
"Die Kommunisten sollten nach Osteuropa gehen und ihre Spraydosen
(gemeint sind Fanfaren) dort betätigen."
Dort darf man das nämlich nicht - und weil man es hier darf,
müßte man es unbedingt lassen!
Der Nürnberger DGB-Chef Ranzenberger fand unser Spruchband von
der schwarz-rot-goldenen Arbeitsfront echt gemein, war tief be-
leidigt und rang nach Worten:
"Pfui Teufel, Pfui Teufel"
- und noch einmal dasselbe. Drei Sätze weiter wußte er den
G r u n d der Ungezogenheit von Marxisten: Sie gehören nicht zu
der von ihm verwalteten E i n h e i t s f r o n t der beschei-
denen und fleißigen Armen.
"Ihr gehört einmal in die Fabrik.
Ja: Arbeit macht frei - oder?
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Zentrale Mai-Kundgebung des DGB: "Kanzler, Hau ab!"
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Die zentrale Mai-Feier des DGB fand in Duisburg-Hamborn statt.
Irgendwie müssen die Veranstalter gedacht haben, daß dort, wo die
Arbeitslosenquote so ziemlich einsame Spitze in der BRD ist, die
Leute die "Feier der Arbeit" besonders dringend nötig haben.
Diese begann mit einem Platzkonzert um 8.30 Uhr. Mit so bekannten
Melodien aus der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung wie
"Europasterne" und "Argentina" sollten die Ordnermannschaften des
DGB angetörnt werden. Dann die Eröffnung durch den Oberbürgermei-
ster der "Bundesrepublik Duisburg", wie sich der Ansager bezeich-
nenderweise versprach. Die zwei Hauptredner der Veranstaltung: 1.
Heinz-Oskar VETTER, dem die Erleichterung über den für die west-
deutsche Gewerkschaftsbewegung so erfolgreichen Tarifabschluß we-
nigstens für kurze Zeit im Gesicht geschrieben stand; 2. Helmut
SCHMIDT, Kanzler, dem die Kamelmilchkur bei den Saudis irgendwie
auf die Stimme geschlagen sein muß - wir haben ihn auch ohne Zu-
satzmikrophon schon staatsmännischer gehört.
Feierstimmung wollte nicht aufkommen. Und das lag nicht am Wet-
ter. Irgendwie klappte die Kommunikation zwischen Rednertribüne
und dem versammelten Volk auf dem Marktplatz nicht so recht. Da-
für blieb die Verbindung zwischen Mikrophon und dem WDR-Übertra-
gungswagen bestehen, so daß wenigstens die öffentliche Darstel-
lung der Feier in Rundfunk und Fernsehen nicht allzu kläglich
ausfiel. Was SCHMIDT und VETTER dem Arbeitsvolk am 1. Mai in
Duisburg zumuten wollten, fand dort wenig Resonanz. Erst Sprech-
chöre und Trillerpfeifen, Spruchbänder und Tröten aus den Reihen
der Kundgebungsteilnehmer sorgten für Stimmung und passende Ant-
worten:
Was man in Duisburg nicht hören konnte:
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Schmidt tritt auf
"In diesem Jahr wird es für alle Einbussen geben. Auch die Ar-
beitnehmer haben darunterzu leiden."
"Ich bin für die paritätische Mitbestimmung in der Montanindu-
strie."
"Ich appelliere an alle Kräfte der deutschen Wirtschaft, an Ge-
werkschaft und Unternehmensleitungen, alle Kräfte auf den Struk-
turwandel der deutschen Wirtschaft zu konzentrieren."
"Ich bin ein Anhänger der Friedenspolitik."
"Die Kommunisten sollen nach Osteuropa gehen und ihre Sirenen
dort betätigen."
Schmidt ab, zurück zu Loki auf die Bank. Vetter tritt auf
"Die Mitbestimmung ist ein konstruktiver Beitrag der Gewerkschaft
zum sozialen Rechtsstaat."
"Es ist ein Skandal, daß einige zuviel arbeiten, während viele
arbeitslos sind."
"Ich warne davor, daß die Chance zerstört wird, Konflikte in
Wirtschaft und Gesellschaft am Verhandlungstisch auszutragen."
"Jetzt, wo es sich an der Tariffront etwas beruhigt hat..."
"Auch die deutsche Gewerkschaftsbewegung wird ihren Beitrag zum
Frieden leisten..."
Vetter ab.
"Brüder zur Sonne (Auf nach Mallorca!), zur Freiheit (gibts die
hier denn nicht?), Brüder zum Lichte empor. Hell aus dem du Ver-
gangenen leuchtet die Zukunft hervor. (Schmidt: "Die Krise ver-
schont niemanden")
Was man in Duisburg hören und sehen konnte:
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"Duisburg grüßt den Rüstungskanzler!"
"Sparprogramm, das heißt verzichten, um den nächsten Krieg zu
richten!"
"Klassenkampf statt Mitbestimmung"
"Mitbestimmung bei Montan = für Rationalisierung freie Bahn"
"Schluß mit dem Sozialpakt von Gewerkschaft, Staat und Kapital!"
"Friedensschwätzer - Kriegshetzer"
"Laßt doch diesen Friedenskrampf, macht Vetter, Schmidt und Apel
Dampf"
"Macht dem Schmidt und Vetter Dampf, Klassenkampf, Klassenkampf."
"Kanzler, Du bist verwöhnt!"
"Kanzler, hau ab!" (Melodie: Fürchtet Euch nicht!)
"Der Mitbestimmung größte Tat, ein Loderer im Aufsichtsrat."
"DGB 81: Alle Entlassungen mitgemacht, dann Arbeitslosigkeit be-
klagt."
"Klassenkampf statt Mitbestimmung"
"Lohn statt Nation"
"Den Arbeitslohn senkt sie gekonnt, die schwarz-rot-goldne Ar-
beitsfront"
"DGB 81: Sehr viel Arbeit, wenig Lohn, für die Stärke der Nation"
"Schmidt und Vetter ordnen's an: statt Lohn ist jetzt die Rüstung
dran"
"Tornado, Leo, Pershing 2, die Gewerkschaft ist dabei"
"Kampf dem Nationalismus des DGB!"
Buuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuh!
Schluß und die nächste Feier findet im Saal statt.
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